Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.von unbestimmter, also durchaus nicht tiefblauer, Farbe und mit steilen "Warum sollte denn die Wahrheit über diese Gegend nicht ausgesprochen Nach der Ausdrucksweise der Bücher, die ich gelesen habe, bin ich über¬ von unbestimmter, also durchaus nicht tiefblauer, Farbe und mit steilen „Warum sollte denn die Wahrheit über diese Gegend nicht ausgesprochen Nach der Ausdrucksweise der Bücher, die ich gelesen habe, bin ich über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134086"/> <p xml:id="ID_853" prev="#ID_852"> von unbestimmter, also durchaus nicht tiefblauer, Farbe und mit steilen<lb/> grünen Ufern, die durch keinerlei Strauchwerk verschönert sind, übrig, ferner<lb/> an dem einen Ende nackte, unscheinbare Felsen mit fast unsichtbaren Löchern<lb/> darin, die ohne Einfluß auf das Bild sind, im Osten statt wilder öder Berge<lb/> niedrige öde Hügel, im Norden ein Berg, Hermon geheißen, auf dem Schnee<lb/> liegt. Charaktereigenthümlichkeit des Bildes Ruhe, sein hervortretender Zug<lb/> — ein einziger Baum. Damit Punctum. Ich habe nichts dagegen, daß<lb/> Herr Grimes den Hermon, einen nicht besonders malerischen Berg, fünfund¬<lb/> vierzig Meilen weit herzu schleppt, um der in Rede stehenden Landschaft da¬<lb/> mit aufzuhelfen; denn sie bedarf dessen. Der See ist so ausdruckslos und<lb/> unpoetisch wie irgendein großstädtisches Wasserleitungs-Reservoir in der<lb/> Christenheit". . . ,</p><lb/> <p xml:id="ID_854"> „Warum sollte denn die Wahrheit über diese Gegend nicht ausgesprochen<lb/> werden? Thut sie jemand etwas zu Leide? hat sie jemals nöthig gehabt,<lb/> ihr Gesicht zu verbergen? Gott machte das galilätsche Meer und seine Um¬<lb/> gebungen so. wie sie sind, Ist es die Aufgabe des Herrn Grimes, seine Arbeit<lb/> zu verbessern?</p><lb/> <p xml:id="ID_855" next="#ID_856"> Nach der Ausdrucksweise der Bücher, die ich gelesen habe, bin ich über¬<lb/> zeugt, daß viele, welche dieses Land in vergangenen Jahren besucht haben,<lb/> Presbyterianer waren, und hierher kamen, um Beweise zur Stütze ihres<lb/> besondern Glaubensbekenntnisses zu suchen. Sie fanden ein presbyterianisches<lb/> Palästina, und sie hatten sich bereits vorher entschlossen, kein anderes zu<lb/> finden, obwohl sie das, durch ihren Eifer verblendet, möglicherweise nicht<lb/> wußten. Wieder Andere waren Methodisten, Katholiken, Baptisten, Leute<lb/> von der Episkopalkirche, die wieder nach Beweisgründen, welche ihre ver¬<lb/> schiedenen Glaubensbekenntnisse stützen sollten, und nach einem methodistischen,<lb/> katholischen, baptistischer oder episkopalkirchlichen Palästina suchten. So ehrlich<lb/> die Absichten dieser Leute gewesen sein mögen, sie betraten das Land mit<lb/> bereits fertigen Wahrspruch und konnten ebenso wenig unparteiisch über<lb/> dasselbe schreiben als über ihre eignen Weiber und Kinder. Auch unsre<lb/> Pilgrime haben ihren Wahrspruch bereits fertig mitgebracht. Ich kann bei¬<lb/> nahe in bestimmten Redensarten voraussagen, was sie äußern werden, wenn<lb/> sie den Tabor. Jerusalem, Jericho und den Jordan zu sehen bekommen; denn<lb/> ich besitze die Bücher, aus denen sie ihre Ideen gezapft haben. Diese Autoren<lb/> malen Bilder und setzen Rhapsodien zusammen, und kleinere Leute folgen<lb/> ihnen und sehen mit den Augen des Autors statt mit ihren eigenen und<lb/> sprechen mit seiner Zunge. Was die Pilgrime in Cäsarea Philippi sagten, über¬<lb/> raschte mich durch seine Weisheit. Ich fand es später im Robinson. Was<lb/> sie äußerten, als sich plötzlich der See Genezareth ihren Blicken zeigte, bezauberte<lb/> mich durch seine Anmuth. Ich finde es in Herrn Thompsons: Das heilige</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
von unbestimmter, also durchaus nicht tiefblauer, Farbe und mit steilen
grünen Ufern, die durch keinerlei Strauchwerk verschönert sind, übrig, ferner
an dem einen Ende nackte, unscheinbare Felsen mit fast unsichtbaren Löchern
darin, die ohne Einfluß auf das Bild sind, im Osten statt wilder öder Berge
niedrige öde Hügel, im Norden ein Berg, Hermon geheißen, auf dem Schnee
liegt. Charaktereigenthümlichkeit des Bildes Ruhe, sein hervortretender Zug
— ein einziger Baum. Damit Punctum. Ich habe nichts dagegen, daß
Herr Grimes den Hermon, einen nicht besonders malerischen Berg, fünfund¬
vierzig Meilen weit herzu schleppt, um der in Rede stehenden Landschaft da¬
mit aufzuhelfen; denn sie bedarf dessen. Der See ist so ausdruckslos und
unpoetisch wie irgendein großstädtisches Wasserleitungs-Reservoir in der
Christenheit". . . ,
„Warum sollte denn die Wahrheit über diese Gegend nicht ausgesprochen
werden? Thut sie jemand etwas zu Leide? hat sie jemals nöthig gehabt,
ihr Gesicht zu verbergen? Gott machte das galilätsche Meer und seine Um¬
gebungen so. wie sie sind, Ist es die Aufgabe des Herrn Grimes, seine Arbeit
zu verbessern?
Nach der Ausdrucksweise der Bücher, die ich gelesen habe, bin ich über¬
zeugt, daß viele, welche dieses Land in vergangenen Jahren besucht haben,
Presbyterianer waren, und hierher kamen, um Beweise zur Stütze ihres
besondern Glaubensbekenntnisses zu suchen. Sie fanden ein presbyterianisches
Palästina, und sie hatten sich bereits vorher entschlossen, kein anderes zu
finden, obwohl sie das, durch ihren Eifer verblendet, möglicherweise nicht
wußten. Wieder Andere waren Methodisten, Katholiken, Baptisten, Leute
von der Episkopalkirche, die wieder nach Beweisgründen, welche ihre ver¬
schiedenen Glaubensbekenntnisse stützen sollten, und nach einem methodistischen,
katholischen, baptistischer oder episkopalkirchlichen Palästina suchten. So ehrlich
die Absichten dieser Leute gewesen sein mögen, sie betraten das Land mit
bereits fertigen Wahrspruch und konnten ebenso wenig unparteiisch über
dasselbe schreiben als über ihre eignen Weiber und Kinder. Auch unsre
Pilgrime haben ihren Wahrspruch bereits fertig mitgebracht. Ich kann bei¬
nahe in bestimmten Redensarten voraussagen, was sie äußern werden, wenn
sie den Tabor. Jerusalem, Jericho und den Jordan zu sehen bekommen; denn
ich besitze die Bücher, aus denen sie ihre Ideen gezapft haben. Diese Autoren
malen Bilder und setzen Rhapsodien zusammen, und kleinere Leute folgen
ihnen und sehen mit den Augen des Autors statt mit ihren eigenen und
sprechen mit seiner Zunge. Was die Pilgrime in Cäsarea Philippi sagten, über¬
raschte mich durch seine Weisheit. Ich fand es später im Robinson. Was
sie äußerten, als sich plötzlich der See Genezareth ihren Blicken zeigte, bezauberte
mich durch seine Anmuth. Ich finde es in Herrn Thompsons: Das heilige
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