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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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erfordern, um mich zu dem Umfange abzuschaben, den Sie mir zu geben ge¬
denken; ich will warten, gehen Sie und holen Sie einen Schrubbhobel. Er
hatte durchaus keine Acht auf das, was ich sagte. Nach einer Weile brachte
er ein Becken, etwas Seife und ein Ding, das wie der Schweif eines Pferdes
aussah. Er schlug eine ungeheure Masse Seifenschaum, überfluthete mich
damit vom Kopfe bis zu den Füßen,, ohne mir vorher zu sagen, ich solle die
Augen schließen, und fegte mich alsdann mit heimtückischer Heftigkeit ver¬
mittelst seines Pferdeschwanzes. Dann ließ er mich als schneeweiße Bildsäule
von Seifenschaum zurück und ging seiner Wege. Als ich des Wartens über¬
drüssig war. ging ich ihm nach und spürte ihn auf. Er lehnte eingeschlafen
an der Wand in einem andern Gemache. Ich weckte ihn auf. Er war nicht
aus der Fassung gebracht. Er führte mich zurück, übergoß mich mit heißem
Wasser, setzte mir einen Turban auf den Kopf, kleidete mich in trockne Tisch¬
tücher und geleitete mich in eine Art mit Gitterwerk umfriedigten Hühnerkorbes
in einer der Galerien, wo er auf eines jener Betten aus Arkansas hinzeigte.
Ich bestieg es und gab mich abermals der unbestimmten Erwartung hin, jetzt
würden sich die arabischen Wohlgerüche einstellen. Sie kamen nicht. Der leere,
ganz schmucklose Hühnerkorb hatte nichts von der wollüstigen orientalischen
Einrichtung an sich, von der man so viel liest. Er erinnerte mehr an ein
Dorfspital als an irgend etwas anderes. Der dürre Diener brachte Nargileh,
und ich bewog ihn, es ohne Verzug wieder hinaus zu tragen. Darauf brachte
er den weltberühmten türkischen Kaffee, den Poeten viele Menschenalter hin¬
durch so hinreißend besungen haben, und ich warf mich auf ihn als auf die
letzte Hoffnung, die mir von meinen Träumen vom Luxus des Morgenlandes
geblieben war. Es war wieder ein Betrug. Von allen unchristlichen Ge¬
tränken, die je über meine Lippen gingen, ist der türkische Kaffee das schlimmste.
Die Tasse ist klein, mit Bodensatz beschmiert, der Kaffee schwarz. von unan¬
genehmen Geruch und abscheulichem Geschmack. Der Boden der Tasse hat
einen schlammigen Satz in sich, der einen halben Zoll tief ist. Dieser geht
die Kehle hinab, und Theilchen davon bleiben unterwegs hängen und bewirken
ein unbehagliches kitzelndes Gefühl, welches einen Stundenlang bellen und
husten läßt.

Hier endet meine Erfahrung von dem viel gerühmten türkischen Bade,
und hier endigt auch mein Traum von dem seligen Behagen, in welchem der
Sterbliche schwelgt, der ein solches durchmacht. Es ist ein boshafter Schwindel.
Der Mensch, dem es gefällt, ist geeignet, sich alles gefallen zu lassen, was
dem Gesichts - und Gefühlssinn widerwärtig ist, und der, welcher es mit dem
Zauber der Poesie bekleiden kann, ist befähigt, des gleichen zu thun mit allem
andern in der Welt, was langweilig, erbärmlich, trübselig und garstig ist."

Die zweite Probe, die wir auswählten, führt den Leser nach GaMäa


erfordern, um mich zu dem Umfange abzuschaben, den Sie mir zu geben ge¬
denken; ich will warten, gehen Sie und holen Sie einen Schrubbhobel. Er
hatte durchaus keine Acht auf das, was ich sagte. Nach einer Weile brachte
er ein Becken, etwas Seife und ein Ding, das wie der Schweif eines Pferdes
aussah. Er schlug eine ungeheure Masse Seifenschaum, überfluthete mich
damit vom Kopfe bis zu den Füßen,, ohne mir vorher zu sagen, ich solle die
Augen schließen, und fegte mich alsdann mit heimtückischer Heftigkeit ver¬
mittelst seines Pferdeschwanzes. Dann ließ er mich als schneeweiße Bildsäule
von Seifenschaum zurück und ging seiner Wege. Als ich des Wartens über¬
drüssig war. ging ich ihm nach und spürte ihn auf. Er lehnte eingeschlafen
an der Wand in einem andern Gemache. Ich weckte ihn auf. Er war nicht
aus der Fassung gebracht. Er führte mich zurück, übergoß mich mit heißem
Wasser, setzte mir einen Turban auf den Kopf, kleidete mich in trockne Tisch¬
tücher und geleitete mich in eine Art mit Gitterwerk umfriedigten Hühnerkorbes
in einer der Galerien, wo er auf eines jener Betten aus Arkansas hinzeigte.
Ich bestieg es und gab mich abermals der unbestimmten Erwartung hin, jetzt
würden sich die arabischen Wohlgerüche einstellen. Sie kamen nicht. Der leere,
ganz schmucklose Hühnerkorb hatte nichts von der wollüstigen orientalischen
Einrichtung an sich, von der man so viel liest. Er erinnerte mehr an ein
Dorfspital als an irgend etwas anderes. Der dürre Diener brachte Nargileh,
und ich bewog ihn, es ohne Verzug wieder hinaus zu tragen. Darauf brachte
er den weltberühmten türkischen Kaffee, den Poeten viele Menschenalter hin¬
durch so hinreißend besungen haben, und ich warf mich auf ihn als auf die
letzte Hoffnung, die mir von meinen Träumen vom Luxus des Morgenlandes
geblieben war. Es war wieder ein Betrug. Von allen unchristlichen Ge¬
tränken, die je über meine Lippen gingen, ist der türkische Kaffee das schlimmste.
Die Tasse ist klein, mit Bodensatz beschmiert, der Kaffee schwarz. von unan¬
genehmen Geruch und abscheulichem Geschmack. Der Boden der Tasse hat
einen schlammigen Satz in sich, der einen halben Zoll tief ist. Dieser geht
die Kehle hinab, und Theilchen davon bleiben unterwegs hängen und bewirken
ein unbehagliches kitzelndes Gefühl, welches einen Stundenlang bellen und
husten läßt.

Hier endet meine Erfahrung von dem viel gerühmten türkischen Bade,
und hier endigt auch mein Traum von dem seligen Behagen, in welchem der
Sterbliche schwelgt, der ein solches durchmacht. Es ist ein boshafter Schwindel.
Der Mensch, dem es gefällt, ist geeignet, sich alles gefallen zu lassen, was
dem Gesichts - und Gefühlssinn widerwärtig ist, und der, welcher es mit dem
Zauber der Poesie bekleiden kann, ist befähigt, des gleichen zu thun mit allem
andern in der Welt, was langweilig, erbärmlich, trübselig und garstig ist."

Die zweite Probe, die wir auswählten, führt den Leser nach GaMäa


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[0266] erfordern, um mich zu dem Umfange abzuschaben, den Sie mir zu geben ge¬ denken; ich will warten, gehen Sie und holen Sie einen Schrubbhobel. Er hatte durchaus keine Acht auf das, was ich sagte. Nach einer Weile brachte er ein Becken, etwas Seife und ein Ding, das wie der Schweif eines Pferdes aussah. Er schlug eine ungeheure Masse Seifenschaum, überfluthete mich damit vom Kopfe bis zu den Füßen,, ohne mir vorher zu sagen, ich solle die Augen schließen, und fegte mich alsdann mit heimtückischer Heftigkeit ver¬ mittelst seines Pferdeschwanzes. Dann ließ er mich als schneeweiße Bildsäule von Seifenschaum zurück und ging seiner Wege. Als ich des Wartens über¬ drüssig war. ging ich ihm nach und spürte ihn auf. Er lehnte eingeschlafen an der Wand in einem andern Gemache. Ich weckte ihn auf. Er war nicht aus der Fassung gebracht. Er führte mich zurück, übergoß mich mit heißem Wasser, setzte mir einen Turban auf den Kopf, kleidete mich in trockne Tisch¬ tücher und geleitete mich in eine Art mit Gitterwerk umfriedigten Hühnerkorbes in einer der Galerien, wo er auf eines jener Betten aus Arkansas hinzeigte. Ich bestieg es und gab mich abermals der unbestimmten Erwartung hin, jetzt würden sich die arabischen Wohlgerüche einstellen. Sie kamen nicht. Der leere, ganz schmucklose Hühnerkorb hatte nichts von der wollüstigen orientalischen Einrichtung an sich, von der man so viel liest. Er erinnerte mehr an ein Dorfspital als an irgend etwas anderes. Der dürre Diener brachte Nargileh, und ich bewog ihn, es ohne Verzug wieder hinaus zu tragen. Darauf brachte er den weltberühmten türkischen Kaffee, den Poeten viele Menschenalter hin¬ durch so hinreißend besungen haben, und ich warf mich auf ihn als auf die letzte Hoffnung, die mir von meinen Träumen vom Luxus des Morgenlandes geblieben war. Es war wieder ein Betrug. Von allen unchristlichen Ge¬ tränken, die je über meine Lippen gingen, ist der türkische Kaffee das schlimmste. Die Tasse ist klein, mit Bodensatz beschmiert, der Kaffee schwarz. von unan¬ genehmen Geruch und abscheulichem Geschmack. Der Boden der Tasse hat einen schlammigen Satz in sich, der einen halben Zoll tief ist. Dieser geht die Kehle hinab, und Theilchen davon bleiben unterwegs hängen und bewirken ein unbehagliches kitzelndes Gefühl, welches einen Stundenlang bellen und husten läßt. Hier endet meine Erfahrung von dem viel gerühmten türkischen Bade, und hier endigt auch mein Traum von dem seligen Behagen, in welchem der Sterbliche schwelgt, der ein solches durchmacht. Es ist ein boshafter Schwindel. Der Mensch, dem es gefällt, ist geeignet, sich alles gefallen zu lassen, was dem Gesichts - und Gefühlssinn widerwärtig ist, und der, welcher es mit dem Zauber der Poesie bekleiden kann, ist befähigt, des gleichen zu thun mit allem andern in der Welt, was langweilig, erbärmlich, trübselig und garstig ist." Die zweite Probe, die wir auswählten, führt den Leser nach GaMäa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/266>, abgerufen am 26.06.2024.