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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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welches ich in den Negerquartieren von Arkansas gesehen hatte. In diesem
düstern Marmorgefängniß befand sich nichts weiter als noch fünf von diesen
Bahren. Es war ein sehr feierlicher Ort. Ich erwartete jetzt, die Würzdüfte
Arabiens würden sich mir nunmehr über die Sinne stehlen, aber dies geschah
nicht. Ein kupferfarbenes Gerippe, das einen Fetzen umgehangen hatte,
brachte mir eine bauchige Flasche mit Wasser, in deren Halse eine in Brand
gesetzte Tabakspfeife steckte, von der ein biegsames Rohr auslief, welches ein
Uard lang war und ein messingnes Mundstück hatte. Es war das berühmte
Nargileh des Morgenlandes -- das Ding, welches der Großtürke auf Bildern
zu rauchen pflegt. Das fing in der That an. wie Luxus auszusehen. Ich
that einen Zug daraus, und der genügte mir. Der Rauch drang mir in
einer großen Wolke hinunter in den Magen, in die Lungen, bis in die
äußersten Enden des Gebäudes meines Körpers sogar. Ich platzte mit einem
einzigen mächtigen Husten los, und es war, ob der Vesuv ausgebrochen wäre.
Die nächsten fünf Minuten rauchte ich aus allen Poren wie ein Breterhaus,
das im Innern brennt. Ich danke schön für alle Zeit für weiteren Genuß
des Nargileh, Der Rauch hatte einen niederträchtigen Geschmack, und der
Geschmack von tausend ungläubigen Zungen, der an dem messingnen Mund¬
stücke hing, war noch niederträchtiger. Ich fing an, den Muth zu verlieren.
Sobald ich fürderhin den Großtürken in vorgeblichen seligen Behagen außen
auf einem Packet mit Connecticut-Tabak sein Nargileh schmauchen sehe, werde
ich wissen, daß es ein schamloser Schwindel ist.

Dieses Gefängniß war mit heißer Luft gefüllt. Als ich hinreichend durch¬
wärmt war, um für eine noch wärmere Temperatur vorbereitet zu sein, führten
sie mich dahin, wo dieselbe war, in ein Marmorzimmer, feucht, schlüpfrig und
voll Dampf und legten mich auf eine erhöhte Plattform in der Mitte. Es war
hier sehr warm. Bald daraus setzte mich mein Mann neben einen Trog mit
heißem Wasser hin, begoß mich tüchtig, zog über seine rechte Hand einen groben
Badehandschuh und begann mich über und über mit demselben zu reiben.
Ich fing an garstig zu riechen. Je mehr er rieb, desto garstiger roch ich. Es
war beunruhigend. Ich sagte zu ihm: Ich merke wohl, daß ich so ziemlich hin bin.
Es liegt auf der Hand, daß man mich ohne allen unnöthigen Zeitverlust
begraben sollte. Vielleicht thäten sie am Besten, ohne Verzug zu meinen
Freunden zu gehen, weil das Wasser heiß ist, und ich es nicht lange mehr
aushalten kann. -- Er fuhr fort, mich zu schaben und zollte mir keine Auf¬
merksamkeit. Bald sah ich, daß er meinen Umfang verkleinerte. Er drückte
hart auf seinen Fausthandschuh, und unter demselben rollten kleine Cylinder
hervor, die wie Maccoroni aussahen. Es konnte kein Schmutz sein, denn
dazu war es zu weiß. Er hobelte mich eine geraume Zeit in dieser Weise
ab. Endlich sagte ich: Das ist ein langweiliges Verfahren. Es wird Stunden


Glenjbotcn til. 187V. 33

welches ich in den Negerquartieren von Arkansas gesehen hatte. In diesem
düstern Marmorgefängniß befand sich nichts weiter als noch fünf von diesen
Bahren. Es war ein sehr feierlicher Ort. Ich erwartete jetzt, die Würzdüfte
Arabiens würden sich mir nunmehr über die Sinne stehlen, aber dies geschah
nicht. Ein kupferfarbenes Gerippe, das einen Fetzen umgehangen hatte,
brachte mir eine bauchige Flasche mit Wasser, in deren Halse eine in Brand
gesetzte Tabakspfeife steckte, von der ein biegsames Rohr auslief, welches ein
Uard lang war und ein messingnes Mundstück hatte. Es war das berühmte
Nargileh des Morgenlandes — das Ding, welches der Großtürke auf Bildern
zu rauchen pflegt. Das fing in der That an. wie Luxus auszusehen. Ich
that einen Zug daraus, und der genügte mir. Der Rauch drang mir in
einer großen Wolke hinunter in den Magen, in die Lungen, bis in die
äußersten Enden des Gebäudes meines Körpers sogar. Ich platzte mit einem
einzigen mächtigen Husten los, und es war, ob der Vesuv ausgebrochen wäre.
Die nächsten fünf Minuten rauchte ich aus allen Poren wie ein Breterhaus,
das im Innern brennt. Ich danke schön für alle Zeit für weiteren Genuß
des Nargileh, Der Rauch hatte einen niederträchtigen Geschmack, und der
Geschmack von tausend ungläubigen Zungen, der an dem messingnen Mund¬
stücke hing, war noch niederträchtiger. Ich fing an, den Muth zu verlieren.
Sobald ich fürderhin den Großtürken in vorgeblichen seligen Behagen außen
auf einem Packet mit Connecticut-Tabak sein Nargileh schmauchen sehe, werde
ich wissen, daß es ein schamloser Schwindel ist.

Dieses Gefängniß war mit heißer Luft gefüllt. Als ich hinreichend durch¬
wärmt war, um für eine noch wärmere Temperatur vorbereitet zu sein, führten
sie mich dahin, wo dieselbe war, in ein Marmorzimmer, feucht, schlüpfrig und
voll Dampf und legten mich auf eine erhöhte Plattform in der Mitte. Es war
hier sehr warm. Bald daraus setzte mich mein Mann neben einen Trog mit
heißem Wasser hin, begoß mich tüchtig, zog über seine rechte Hand einen groben
Badehandschuh und begann mich über und über mit demselben zu reiben.
Ich fing an garstig zu riechen. Je mehr er rieb, desto garstiger roch ich. Es
war beunruhigend. Ich sagte zu ihm: Ich merke wohl, daß ich so ziemlich hin bin.
Es liegt auf der Hand, daß man mich ohne allen unnöthigen Zeitverlust
begraben sollte. Vielleicht thäten sie am Besten, ohne Verzug zu meinen
Freunden zu gehen, weil das Wasser heiß ist, und ich es nicht lange mehr
aushalten kann. — Er fuhr fort, mich zu schaben und zollte mir keine Auf¬
merksamkeit. Bald sah ich, daß er meinen Umfang verkleinerte. Er drückte
hart auf seinen Fausthandschuh, und unter demselben rollten kleine Cylinder
hervor, die wie Maccoroni aussahen. Es konnte kein Schmutz sein, denn
dazu war es zu weiß. Er hobelte mich eine geraume Zeit in dieser Weise
ab. Endlich sagte ich: Das ist ein langweiliges Verfahren. Es wird Stunden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/265>, abgerufen am 26.06.2024.