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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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mal, Harry, warum drangsalirst du nur gerade mich von wegen Matrosen
im Logis? Ich habe doch nichts mit den Matrosen zu thun. Warum singst
Du nicht den Schiffsarzt auf -- es ist sein Geschäft. -- Nun, das weiß
ich, aber ich bin bei ihm gewesen, und er sagt, er wüßte nichts davon. --
Nu ja, das glaube ich auch. Das glaube ich, daß es so stehen wird. Muß
immer im Schiffe herumraisonniren und Leute, die was Besseres wie er sind,
kritisiren und Witze reißen über Männer, die mehr in ihrem kleinen Finger
wissen, als er das ganze Jahr über weiß. Horizon -- zone -- Harry, horch,
was Du thun mußt. Du nimmst ungefähr vier Eßlöffel voll Laudanum
und giebst sie dem Lümmel ein, damit er einschläft, und dann nimmst Du
ein Senfpflaster etwa von der Größe eines Sattels her und legst es ihm
über das Rückgrat, damit er wieder aufwacht. Ich denke, das wird ihm gut
thun. Activität, -- das ist die Sache. Activität! Siehst Du wohl, sein
Blut ist verdickt, und was er haben muß, ist etwas, wodurch er aufgeschüttelt
und genöthigt wird, sich auszuhacken. Und verliere mir ja keine Zeit,
Harry. Zum Henker mit diesen horizontalen Parlaxen! Sie machen's einem
Chnstenmenschen höllisch heiß, wenn sie ihm die Windseite abgewinnen."

Nun aber zu den Proben. Die erste spielt in Konstantinopel, und wir
nennen sie: das türkische Bad in der Einbildung und in der Wirklichkeit.
Der Verfasser sagt:

"Jahr aus Jahr habe ich von den Wundern des 'türkischen Bades ge¬
träumt, und Jahr auf Jahr habe ich mir versprochen, ich solle noch eins zu
genießen bekommen. Viele, ach wie viele Male habe ich in der Marmor¬
wanne gelegen und die einschläfernden Düfte morgenländischer Gewürze, welche
die Luft erfüllten, eingeathmet, habe dann ein seltsames und verwickeltes
System von Ziehen und Recken, Naßmachen und Abreiben durchgemacht,
welches von einer Schaar nackter Wilden in's Werk gesetzt wurde, die un¬
geheuerlich und in unbestimmten Umrissen in den dampfenden Nebeln auf¬
ragten, habe dann eine Weile auf einem Divan, der sich für einen König
paßte, ausgeruht, bin darauf durch eine zweite Feuerprobe, die furchtbarer
als die erste war, hindurchgegangen und schließlich, in weiche Stoffe gehüllt,
in einen fürstlichen Saal gebracht und auf ein Bett von Eiderdunen gelegt
worden, wo Eunuchen in prachtvoller Tracht mir Kühlung zufächelten,
während ich in träumerischem Halbschlummer dalag oder mit Behagen auf
die reichen Behänge des Gemachs, die weichen Teppiche, die prächtigen Haus-
geräthe und Bilder hinschaute, köstlichen Kaffee trank, das ruhig stimmende
Nargileh rauchte und zuletzt, eingehüllt von wollüstigen Düften aus unge¬
sehenen Räucherpfannen, von dem sänftigenden Einflüsse des persischen
Tabaks in der Wasserpfeife und von der Musik plätschernder Springbrun-


mal, Harry, warum drangsalirst du nur gerade mich von wegen Matrosen
im Logis? Ich habe doch nichts mit den Matrosen zu thun. Warum singst
Du nicht den Schiffsarzt auf — es ist sein Geschäft. — Nun, das weiß
ich, aber ich bin bei ihm gewesen, und er sagt, er wüßte nichts davon. —
Nu ja, das glaube ich auch. Das glaube ich, daß es so stehen wird. Muß
immer im Schiffe herumraisonniren und Leute, die was Besseres wie er sind,
kritisiren und Witze reißen über Männer, die mehr in ihrem kleinen Finger
wissen, als er das ganze Jahr über weiß. Horizon — zone — Harry, horch,
was Du thun mußt. Du nimmst ungefähr vier Eßlöffel voll Laudanum
und giebst sie dem Lümmel ein, damit er einschläft, und dann nimmst Du
ein Senfpflaster etwa von der Größe eines Sattels her und legst es ihm
über das Rückgrat, damit er wieder aufwacht. Ich denke, das wird ihm gut
thun. Activität, — das ist die Sache. Activität! Siehst Du wohl, sein
Blut ist verdickt, und was er haben muß, ist etwas, wodurch er aufgeschüttelt
und genöthigt wird, sich auszuhacken. Und verliere mir ja keine Zeit,
Harry. Zum Henker mit diesen horizontalen Parlaxen! Sie machen's einem
Chnstenmenschen höllisch heiß, wenn sie ihm die Windseite abgewinnen."

Nun aber zu den Proben. Die erste spielt in Konstantinopel, und wir
nennen sie: das türkische Bad in der Einbildung und in der Wirklichkeit.
Der Verfasser sagt:

„Jahr aus Jahr habe ich von den Wundern des 'türkischen Bades ge¬
träumt, und Jahr auf Jahr habe ich mir versprochen, ich solle noch eins zu
genießen bekommen. Viele, ach wie viele Male habe ich in der Marmor¬
wanne gelegen und die einschläfernden Düfte morgenländischer Gewürze, welche
die Luft erfüllten, eingeathmet, habe dann ein seltsames und verwickeltes
System von Ziehen und Recken, Naßmachen und Abreiben durchgemacht,
welches von einer Schaar nackter Wilden in's Werk gesetzt wurde, die un¬
geheuerlich und in unbestimmten Umrissen in den dampfenden Nebeln auf¬
ragten, habe dann eine Weile auf einem Divan, der sich für einen König
paßte, ausgeruht, bin darauf durch eine zweite Feuerprobe, die furchtbarer
als die erste war, hindurchgegangen und schließlich, in weiche Stoffe gehüllt,
in einen fürstlichen Saal gebracht und auf ein Bett von Eiderdunen gelegt
worden, wo Eunuchen in prachtvoller Tracht mir Kühlung zufächelten,
während ich in träumerischem Halbschlummer dalag oder mit Behagen auf
die reichen Behänge des Gemachs, die weichen Teppiche, die prächtigen Haus-
geräthe und Bilder hinschaute, köstlichen Kaffee trank, das ruhig stimmende
Nargileh rauchte und zuletzt, eingehüllt von wollüstigen Düften aus unge¬
sehenen Räucherpfannen, von dem sänftigenden Einflüsse des persischen
Tabaks in der Wasserpfeife und von der Musik plätschernder Springbrun-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/263>, abgerufen am 26.06.2024.