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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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nach und nach Oberlehrer, Professor, ja Schulrath werden, vielleicht im Gehalt
bis zu 1000 oder 1200 Thaler emporsteigen, aber trotz alledem rückt er nicht
eigentlich von der Stelle. Auch nicht das Amt des Directors winkt ihm von
Weitem, weil man hierfür in neuerer Zeit mehr oder minder geeignete Männer
aus der Ferne zu verschreiben liebt. Darf es befremden, wenn man in so
gestellten Lehrerkreisen einem hohen Grade von Unzufriedenheit sowohl als
von naiver Einseitigkeit begegnet? Bei alledem gelten im Lande die Schulen
und ihre Leistungen für gut, und wenn auch Kenner früherer Verhältnisse
behaupten, da und dort herrsche jetzt die pedantische Form, wo ehedem der
Geist gewaltet habe, so liegt es uns doch fern, das Lob unserer Lehranstalten
schmälern zu wollen; unleugbar aber hat es ein großer Staat mehr als ein
kleiner in der Hand, einer gewissen Versteinerung seiner Bildungsinstitute
vorzubeugen, welche sich nur zu leicht da einstellt, wo neue, belebende Kräfte
nicht früher zugeführt werden, als Alter und Tod es gebieten.

Besondere Anerkennung verdienen die Bemühungen der beiderseitigen
Regierungen um das ländliche Volksschulwesen. Gute Volksschul-
Gesetze stehen nicht nur auf dem Papier, sondern sind auch ausgeführt oder
in der Ausführung begriffen. Es liegt in dem Wesen der Thüringer wie der
fränkischen Bauern, die Hand auf den Geldbeutel zu halten, wenn sie die
werthvollen Früchte einer Ausgabe nicht sofort reif vom Baume fallen sehen;
diesem Charakterzüge gegenüber lassen es die Verwaltungsbehörden, wo es
gilt, neue Schulen zu errichten, die bestehenden zu erweitern, die Lehrmittel
zu verbessern und die Lehrergehalte zu erhöhen, an Strenge und Beharrlich¬
keit nicht fehlen. Auch das Aufsichtsrecht der Geistlichen ist gesetzlich beseitigt,
anerkannte Schulmänner wirken als Inspektoren, -- kurz, was die Ent¬
wickelung des ländlichen Volksschulwesens betrifft, wird Coburg-Gotha, Dank
den vereinigten Bemühungen der Ministerien und Landtage, schwerlich von
irgend einem anderen Staate in den Schatten gestellt. Die beiden Residenz¬
städte bedürfen für die Pflege des Volksunterrichts des Drucks von oben
nicht, sie suchen ihren Stolz in dem guten Ruf ihrer Schulen, und wenn¬
gleich die neuen Schulgebäude nicht immer den Baumeister loben, auch nicht
jedweder Griff bei der Auswahl der Lehrer ein glücklicher genannt werden
kann, so wird doch kein Billigdenkender dies dem Willen und Streben der
städtischen Verwaltungen zur Last legen. An Elementar- und Volksschul¬
lehrern ist übrigens auch bei uns ebenso großer Mangel wie an jungen Geist¬
lichen; für erledigte Pfarrämter wird schon auf Studenten der Theologie und
für freie Schulstellen auf Jünglinge, die noch nicht dem Seminar entwachsen
sind, die Hand gelegt.

Natürlich bleiben den Schwesterstädten Coburg und Gotha auch die
vielen anderen, oft so schwierigen und kostspieligen Aufgaben, welche heut zu


nach und nach Oberlehrer, Professor, ja Schulrath werden, vielleicht im Gehalt
bis zu 1000 oder 1200 Thaler emporsteigen, aber trotz alledem rückt er nicht
eigentlich von der Stelle. Auch nicht das Amt des Directors winkt ihm von
Weitem, weil man hierfür in neuerer Zeit mehr oder minder geeignete Männer
aus der Ferne zu verschreiben liebt. Darf es befremden, wenn man in so
gestellten Lehrerkreisen einem hohen Grade von Unzufriedenheit sowohl als
von naiver Einseitigkeit begegnet? Bei alledem gelten im Lande die Schulen
und ihre Leistungen für gut, und wenn auch Kenner früherer Verhältnisse
behaupten, da und dort herrsche jetzt die pedantische Form, wo ehedem der
Geist gewaltet habe, so liegt es uns doch fern, das Lob unserer Lehranstalten
schmälern zu wollen; unleugbar aber hat es ein großer Staat mehr als ein
kleiner in der Hand, einer gewissen Versteinerung seiner Bildungsinstitute
vorzubeugen, welche sich nur zu leicht da einstellt, wo neue, belebende Kräfte
nicht früher zugeführt werden, als Alter und Tod es gebieten.

Besondere Anerkennung verdienen die Bemühungen der beiderseitigen
Regierungen um das ländliche Volksschulwesen. Gute Volksschul-
Gesetze stehen nicht nur auf dem Papier, sondern sind auch ausgeführt oder
in der Ausführung begriffen. Es liegt in dem Wesen der Thüringer wie der
fränkischen Bauern, die Hand auf den Geldbeutel zu halten, wenn sie die
werthvollen Früchte einer Ausgabe nicht sofort reif vom Baume fallen sehen;
diesem Charakterzüge gegenüber lassen es die Verwaltungsbehörden, wo es
gilt, neue Schulen zu errichten, die bestehenden zu erweitern, die Lehrmittel
zu verbessern und die Lehrergehalte zu erhöhen, an Strenge und Beharrlich¬
keit nicht fehlen. Auch das Aufsichtsrecht der Geistlichen ist gesetzlich beseitigt,
anerkannte Schulmänner wirken als Inspektoren, — kurz, was die Ent¬
wickelung des ländlichen Volksschulwesens betrifft, wird Coburg-Gotha, Dank
den vereinigten Bemühungen der Ministerien und Landtage, schwerlich von
irgend einem anderen Staate in den Schatten gestellt. Die beiden Residenz¬
städte bedürfen für die Pflege des Volksunterrichts des Drucks von oben
nicht, sie suchen ihren Stolz in dem guten Ruf ihrer Schulen, und wenn¬
gleich die neuen Schulgebäude nicht immer den Baumeister loben, auch nicht
jedweder Griff bei der Auswahl der Lehrer ein glücklicher genannt werden
kann, so wird doch kein Billigdenkender dies dem Willen und Streben der
städtischen Verwaltungen zur Last legen. An Elementar- und Volksschul¬
lehrern ist übrigens auch bei uns ebenso großer Mangel wie an jungen Geist¬
lichen; für erledigte Pfarrämter wird schon auf Studenten der Theologie und
für freie Schulstellen auf Jünglinge, die noch nicht dem Seminar entwachsen
sind, die Hand gelegt.

Natürlich bleiben den Schwesterstädten Coburg und Gotha auch die
vielen anderen, oft so schwierigen und kostspieligen Aufgaben, welche heut zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/192>, abgerufen am 28.09.2024.