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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Am meisten klagt man in beiden Landestheilen über die Kostspieligkeit
der Justiz; für die Einziehung der kleineren Justizämter werden immer
mehr Stimmen laut, das Ministerium scheint aber mit Rücksicht auf die bevor¬
stehende Reichsgesetzgebung an eine gründliche Aenderung auf diesem Gebiete
jetzt nicht herantreten zu wollen und hat dabei die Landstädte auf seiner
Seite, welche nicht mit Unrecht eine geistige Verödung befürchten, wenn das
Beamtenthum wegzieht. Für die Dauer werden sie freilich ihrem Schicksale
auch nicht entgehen; denn die Vereinfachung auf dem Wege des Centralisirens
gehört mit zum Zuge unserer Zeit: Der allgemeine Ruf ist: "Wenig Beamte,
aber man bezahle sie gut und verlange viel von ihnen!" Nun, was die
Besoldungen betrifft, so sind sie bei uns der Aufbesserung noch sehr bedürftig;
Gehalte von 2000 Thlr. und darüber gehören selb se in höherenStellungen
zu den seltensten Ausnahmen, nur daß sich gerade die Höchstgestellten und
Bestbesoldeten gewöhnlich noch in dem glücklichen Besitze einträglicher Neben-
ämter befinden, mit welchen den Herren vom Ministerium sowohl die reichen
und großartigen Bankinstitute in Gotha als auch die Creditgesellschaft in
Coburg auf das Bereitwilligste entgegenkommen. In Coburg ist der jetzige
Ministerialvorstand sogar von der Bank honorirter Staatscommissarius
und tantiemen-berechtigter Aufsichtsrath in einer Person! Die Connivenz
der Landtage will uns in diesem Punkte unerklärlich scheinen, zumal da man
sich jetzt zur Abstellung des handgreiflichen Mißstandes auf das gewichtige
Beispiel Preußens berufen könnte. Traurig wäre es, wenn persönliche Rück¬
sichten oder die Scheu vor neuen ansehnlichen Gehaltserhöhungen die lautesten
Gebote des öffentlichen Auslands zu übertäuben vermöchten! -- Eine wahre
Resignation erfordert der Eintritt in den Justiz bien se. Mancher tüchtige
Jurist hat es in seinem vierzigsten Lebensjahre noch nicht zu einem Dienst¬
einkommen von 1000 Thlr. gebracht. Und welche Aussichten bestehen, wenn
nicht das Reich hilft, für die Zukunft? Coburg-Gotha besetzt zwei Stellen
beim Oberappellationsgericht in Jena, zwei beim Appellationsgericht in
Eisenach; im Lande selbst kann man es in der richterlichen Laufbahn
höchstens bis zum Amte des Directors eines der beiden Kreisgerichte zu
Coburg oder zu Gotha bringen! Daneben existirt nicht etwa noch eine
besondere Verwaltungscarriöre; die wenigen Landräthe und Lcmdraths-
Assessoren werden aus den richterlichen Beamten herausgeholt. Wo der
Staatsdienst so geringe Ehren und so kärglichen Erwerb bietet, ist es da ein
Wunder, daß die tüchtigeren Kräfte sich immer mehr von ihm zurückziehen,
nach lohnenderen auswärtigen Stellungen sich umsehen oder sich der xrg.xis
ÄureÄ des Advokaten widmen?

Die Advokatur ist in Gotha wie in Coburg ein stark besetztes Gewerbe,
das dem Anscheine nach seinen Mann gut nährt, vielleicht weniger deshalb.


Am meisten klagt man in beiden Landestheilen über die Kostspieligkeit
der Justiz; für die Einziehung der kleineren Justizämter werden immer
mehr Stimmen laut, das Ministerium scheint aber mit Rücksicht auf die bevor¬
stehende Reichsgesetzgebung an eine gründliche Aenderung auf diesem Gebiete
jetzt nicht herantreten zu wollen und hat dabei die Landstädte auf seiner
Seite, welche nicht mit Unrecht eine geistige Verödung befürchten, wenn das
Beamtenthum wegzieht. Für die Dauer werden sie freilich ihrem Schicksale
auch nicht entgehen; denn die Vereinfachung auf dem Wege des Centralisirens
gehört mit zum Zuge unserer Zeit: Der allgemeine Ruf ist: „Wenig Beamte,
aber man bezahle sie gut und verlange viel von ihnen!" Nun, was die
Besoldungen betrifft, so sind sie bei uns der Aufbesserung noch sehr bedürftig;
Gehalte von 2000 Thlr. und darüber gehören selb se in höherenStellungen
zu den seltensten Ausnahmen, nur daß sich gerade die Höchstgestellten und
Bestbesoldeten gewöhnlich noch in dem glücklichen Besitze einträglicher Neben-
ämter befinden, mit welchen den Herren vom Ministerium sowohl die reichen
und großartigen Bankinstitute in Gotha als auch die Creditgesellschaft in
Coburg auf das Bereitwilligste entgegenkommen. In Coburg ist der jetzige
Ministerialvorstand sogar von der Bank honorirter Staatscommissarius
und tantiemen-berechtigter Aufsichtsrath in einer Person! Die Connivenz
der Landtage will uns in diesem Punkte unerklärlich scheinen, zumal da man
sich jetzt zur Abstellung des handgreiflichen Mißstandes auf das gewichtige
Beispiel Preußens berufen könnte. Traurig wäre es, wenn persönliche Rück¬
sichten oder die Scheu vor neuen ansehnlichen Gehaltserhöhungen die lautesten
Gebote des öffentlichen Auslands zu übertäuben vermöchten! — Eine wahre
Resignation erfordert der Eintritt in den Justiz bien se. Mancher tüchtige
Jurist hat es in seinem vierzigsten Lebensjahre noch nicht zu einem Dienst¬
einkommen von 1000 Thlr. gebracht. Und welche Aussichten bestehen, wenn
nicht das Reich hilft, für die Zukunft? Coburg-Gotha besetzt zwei Stellen
beim Oberappellationsgericht in Jena, zwei beim Appellationsgericht in
Eisenach; im Lande selbst kann man es in der richterlichen Laufbahn
höchstens bis zum Amte des Directors eines der beiden Kreisgerichte zu
Coburg oder zu Gotha bringen! Daneben existirt nicht etwa noch eine
besondere Verwaltungscarriöre; die wenigen Landräthe und Lcmdraths-
Assessoren werden aus den richterlichen Beamten herausgeholt. Wo der
Staatsdienst so geringe Ehren und so kärglichen Erwerb bietet, ist es da ein
Wunder, daß die tüchtigeren Kräfte sich immer mehr von ihm zurückziehen,
nach lohnenderen auswärtigen Stellungen sich umsehen oder sich der xrg.xis
ÄureÄ des Advokaten widmen?

Die Advokatur ist in Gotha wie in Coburg ein stark besetztes Gewerbe,
das dem Anscheine nach seinen Mann gut nährt, vielleicht weniger deshalb.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/190>, abgerufen am 29.06.2024.