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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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ein Mann von dem Verstände und der natürlichen Einfachheit des Herzogs
es über sich gewinnen konnte, einer der widerwärtigsten Spielarten menschlicher
Eitelkeit, der Titel- und Ordenssucht, so weit entgegen zu kommen.

Von dem Souveränetätsrechte, Bürgerliche in den Adels- oder
Freiherrnstand "zu erheben", macht der Herzog ebenfalls einen aus¬
giebigeren Gebrauch als die meisten anderen deutschen Regenten; doch kann
man nicht gerade behaupten, daß es ein Leichtes sei, von ihm einen Adels¬
brief zu erhalten. Der Bewerber muß dem Herzog nicht nur persönlich wohl
bekannt oder sonst vorzüglich gut empfohlen sein, sondern in der Regel wird
auch verlangt, daß derselbe im Inlands angesessen ist. Zu diesem Ende
werden Häuser, Villen, Ländereien (mitunter aus des Herzogs eigenen Händen)
angekauft und, sobald sie ihre Dienste geleistet haben, wieder veräußert. Für
das Diplom sind ansehnliche Sporteln zu bezahlen, welche mit dem Namen
.tHochmuthsgelder" bezeichnet werden; dieselben fließen nicht etwa in des
Herzogs Privatkasse, sondern finden durch das Ministerium ihre Verwendung
zu gemeinnützigen Zwecken. Die Moniteurs der beiden Herzogtümer
Pflegen den Landeskindern die offizielle Kunde von solchen Standeserhöhungen
vorzuenthalten; indessen sind einige derselben, z. B. die des Barons Reuter
in London und des Barons Tauchnitz in Leipzig allgemein bekannt geworden.
Für Eingeborene stehen die Adelsverleihungen glücklicher Weise weder
"Brief" noch "Geld".

Es wäre ein Irrthum, wenn man aus unseren Aeußerungen über den
reichen Vorrath an herzoglichen Räthen herauslesen wollte, daß die Zahl
der Beamten an und für sich viel zu groß sei. Wenn man von dem
Staatsministerium in Gotha absteht, in dessen weiten, dichtbevölkerten
Geschäftsräumen auf dem Friedenstein man sich zu dem Glauben versucht
fühlt, daß von hier aus mindestens ein Königreich Thüringen regiert werde.
Muß man anerkennen, daß mit dem einstmaligen Beamtenheere diesseits und
jenseits der Berge bedeutend aufgeräumt worden ist, und zwar nicht erst,
seitdem der norddeutsche Bund etwas unsanft an den herkömmlichen Budgets
der Miniaturstaaten gerüttelt hat. Schon Anfangs der 1860 er Jahre und
theilweise noch früher wurden alle Mittelbehörden, die Justizcollegien, die
Regierungen, die Consistorien und die Kammern (Domänenkammern) auf¬
gehoben; 1868 fiel dann auch das gemeinsame Appellationsgericht in Gotha
infolge des Anschlusses an Eisenach. Die Zahl der Rentämter ist durch
Zusammenlegungen ebenfalls geringer geworden, doch ließe sich wohl im
Gothaischen auf diesem Gebiete, gleichwie bei den unteren Verwaltungs¬
behörden (Landrathsämtern) noch eine durchgreifendere Vereinigung ohne
erhebliche Unzuträglichkeiten ausführen. In Coburg versteht man sich besser
einzuschränken, das reichere Gotha gönnt sich immer noch einigen Luxus.


ein Mann von dem Verstände und der natürlichen Einfachheit des Herzogs
es über sich gewinnen konnte, einer der widerwärtigsten Spielarten menschlicher
Eitelkeit, der Titel- und Ordenssucht, so weit entgegen zu kommen.

Von dem Souveränetätsrechte, Bürgerliche in den Adels- oder
Freiherrnstand „zu erheben", macht der Herzog ebenfalls einen aus¬
giebigeren Gebrauch als die meisten anderen deutschen Regenten; doch kann
man nicht gerade behaupten, daß es ein Leichtes sei, von ihm einen Adels¬
brief zu erhalten. Der Bewerber muß dem Herzog nicht nur persönlich wohl
bekannt oder sonst vorzüglich gut empfohlen sein, sondern in der Regel wird
auch verlangt, daß derselbe im Inlands angesessen ist. Zu diesem Ende
werden Häuser, Villen, Ländereien (mitunter aus des Herzogs eigenen Händen)
angekauft und, sobald sie ihre Dienste geleistet haben, wieder veräußert. Für
das Diplom sind ansehnliche Sporteln zu bezahlen, welche mit dem Namen
.tHochmuthsgelder" bezeichnet werden; dieselben fließen nicht etwa in des
Herzogs Privatkasse, sondern finden durch das Ministerium ihre Verwendung
zu gemeinnützigen Zwecken. Die Moniteurs der beiden Herzogtümer
Pflegen den Landeskindern die offizielle Kunde von solchen Standeserhöhungen
vorzuenthalten; indessen sind einige derselben, z. B. die des Barons Reuter
in London und des Barons Tauchnitz in Leipzig allgemein bekannt geworden.
Für Eingeborene stehen die Adelsverleihungen glücklicher Weise weder
„Brief" noch „Geld".

Es wäre ein Irrthum, wenn man aus unseren Aeußerungen über den
reichen Vorrath an herzoglichen Räthen herauslesen wollte, daß die Zahl
der Beamten an und für sich viel zu groß sei. Wenn man von dem
Staatsministerium in Gotha absteht, in dessen weiten, dichtbevölkerten
Geschäftsräumen auf dem Friedenstein man sich zu dem Glauben versucht
fühlt, daß von hier aus mindestens ein Königreich Thüringen regiert werde.
Muß man anerkennen, daß mit dem einstmaligen Beamtenheere diesseits und
jenseits der Berge bedeutend aufgeräumt worden ist, und zwar nicht erst,
seitdem der norddeutsche Bund etwas unsanft an den herkömmlichen Budgets
der Miniaturstaaten gerüttelt hat. Schon Anfangs der 1860 er Jahre und
theilweise noch früher wurden alle Mittelbehörden, die Justizcollegien, die
Regierungen, die Consistorien und die Kammern (Domänenkammern) auf¬
gehoben; 1868 fiel dann auch das gemeinsame Appellationsgericht in Gotha
infolge des Anschlusses an Eisenach. Die Zahl der Rentämter ist durch
Zusammenlegungen ebenfalls geringer geworden, doch ließe sich wohl im
Gothaischen auf diesem Gebiete, gleichwie bei den unteren Verwaltungs¬
behörden (Landrathsämtern) noch eine durchgreifendere Vereinigung ohne
erhebliche Unzuträglichkeiten ausführen. In Coburg versteht man sich besser
einzuschränken, das reichere Gotha gönnt sich immer noch einigen Luxus.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/189>, abgerufen am 29.06.2024.