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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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chenland's Freiheit. Als auch Athen sich dem Sieger schmachvoll gebeugt hatte,
wurden die geflüchteten Redner der patriotischen Partei, darunter Demosthenes
und Hypereides, von den makedonischer Häschern überall hin verfolgt, und
den letzteren traf der Tod von der Hand des Henkers, dem der erstere nur
durch Gift entging. Bedeutsam ist, daß trotz dieses den Patriotismus des
Staatsmanns besiegelnden Ausgangs dem Hypereides keineswegs, gleichwie
dem Demosthenes und LrMrgos, nachmals Ehren zuerkannt wurden. Vielleicht
trug man ihm sein Verhalten gegen Demosthenes nach, vielleicht fand man
seine thatsächlichen Verdienste nicht bedeutend genug; gleichwie er auch bei
Lebzeiten, soviel wir wissen, niemals Kränze und sonstige Ehren empfangen
hatte; jedenfalls aber schadete ihm im Leben und nach dem Tode in der öffent¬
lichen Achtung sein Privatleben, welches zu Demosthenes' und Lykurgos' Ernst
und Nüchternheit den geraden Gegensatz zeigte. Denn wiewohl er von seinem
ererbten und erworbenen Vermögen auch dem Staate wiederholt und freigebig
spendete, so verwandte er doch viel mehr noch für seine eignen Lüste, wes¬
wegen er auch dem Spotte der Komiker, als Feinschmecker und die Möwen
weit hinter sich lassender Fischvertilger, wiederholt anheimfiel. Noch größere
Summen kosteten ihm die Hetären, deren er gleichzeitig mehrere auf seinen
verschiedenen Gütern unterhalten haben soll. Wenn nun auch die Athener
jener Zeit, nach den Schilderungen des Jsokrates und Theopompos, allge¬
mein recht leichtlebig und ausschweifend waren, so kannten und ehrten sie
doch wenigstens das Bessere, während sie das Schlechtere sich und Andern nur
eben nachsähen und verziehen.

Von den andern Sprechern und Staatsmännern der patriotischen Partei
kennen wir aus eignen Werken nur den Hegesippos, von dem eine phi¬
lippische Rede unter Demosthenes' Namen sich erhalten hat. Er war ein frei¬
müthiger und derber Sprecher gegen Philipp und ein gewandter Redner,
ohne jedoch das Geringste von Demosthenes' Gewalt und Größe zu haben.
Angeführt wird er meistens mit seinem Spitznamen Krobhlos, der wie es
scheint von seiner wohlgepflegten Haartour herkam; ernstlichere Vorwürfe wider
ihn anzubringen ist Aischines, der ihn mit seinem Bruder Hegesandros erwähnt
und den letzteren gründlich verlästert, augenscheinlich nicht im Stande. Auch
Polyeuktos aus dem Gau Sphettos, zu Philipp's Zeit Gesandter im Pe-
loponnes mit Demosthenes, Lykurgos, Hegesippos und Andern, später unter
denen, deren Auslieferung Alexander forderte, hat politische Reden hinterlassen,
doch sind uns nur wenige Fragmente übrig. Demosthenes erwähnt ihn ein¬
mal mit dem Beisatz: jener vortreffliche, ein Lob, welches in seinem Munde
und nach der Gewohnheit der attischen Redner, welche mit Lob ebenso äußerst
sparsam wie die römischen verschwenderisch sind, außerordentlich viel besagt.
Seine Wohlbeleibtheit, die ihm das Reden zum Volke mitunter recht sauer


chenland's Freiheit. Als auch Athen sich dem Sieger schmachvoll gebeugt hatte,
wurden die geflüchteten Redner der patriotischen Partei, darunter Demosthenes
und Hypereides, von den makedonischer Häschern überall hin verfolgt, und
den letzteren traf der Tod von der Hand des Henkers, dem der erstere nur
durch Gift entging. Bedeutsam ist, daß trotz dieses den Patriotismus des
Staatsmanns besiegelnden Ausgangs dem Hypereides keineswegs, gleichwie
dem Demosthenes und LrMrgos, nachmals Ehren zuerkannt wurden. Vielleicht
trug man ihm sein Verhalten gegen Demosthenes nach, vielleicht fand man
seine thatsächlichen Verdienste nicht bedeutend genug; gleichwie er auch bei
Lebzeiten, soviel wir wissen, niemals Kränze und sonstige Ehren empfangen
hatte; jedenfalls aber schadete ihm im Leben und nach dem Tode in der öffent¬
lichen Achtung sein Privatleben, welches zu Demosthenes' und Lykurgos' Ernst
und Nüchternheit den geraden Gegensatz zeigte. Denn wiewohl er von seinem
ererbten und erworbenen Vermögen auch dem Staate wiederholt und freigebig
spendete, so verwandte er doch viel mehr noch für seine eignen Lüste, wes¬
wegen er auch dem Spotte der Komiker, als Feinschmecker und die Möwen
weit hinter sich lassender Fischvertilger, wiederholt anheimfiel. Noch größere
Summen kosteten ihm die Hetären, deren er gleichzeitig mehrere auf seinen
verschiedenen Gütern unterhalten haben soll. Wenn nun auch die Athener
jener Zeit, nach den Schilderungen des Jsokrates und Theopompos, allge¬
mein recht leichtlebig und ausschweifend waren, so kannten und ehrten sie
doch wenigstens das Bessere, während sie das Schlechtere sich und Andern nur
eben nachsähen und verziehen.

Von den andern Sprechern und Staatsmännern der patriotischen Partei
kennen wir aus eignen Werken nur den Hegesippos, von dem eine phi¬
lippische Rede unter Demosthenes' Namen sich erhalten hat. Er war ein frei¬
müthiger und derber Sprecher gegen Philipp und ein gewandter Redner,
ohne jedoch das Geringste von Demosthenes' Gewalt und Größe zu haben.
Angeführt wird er meistens mit seinem Spitznamen Krobhlos, der wie es
scheint von seiner wohlgepflegten Haartour herkam; ernstlichere Vorwürfe wider
ihn anzubringen ist Aischines, der ihn mit seinem Bruder Hegesandros erwähnt
und den letzteren gründlich verlästert, augenscheinlich nicht im Stande. Auch
Polyeuktos aus dem Gau Sphettos, zu Philipp's Zeit Gesandter im Pe-
loponnes mit Demosthenes, Lykurgos, Hegesippos und Andern, später unter
denen, deren Auslieferung Alexander forderte, hat politische Reden hinterlassen,
doch sind uns nur wenige Fragmente übrig. Demosthenes erwähnt ihn ein¬
mal mit dem Beisatz: jener vortreffliche, ein Lob, welches in seinem Munde
und nach der Gewohnheit der attischen Redner, welche mit Lob ebenso äußerst
sparsam wie die römischen verschwenderisch sind, außerordentlich viel besagt.
Seine Wohlbeleibtheit, die ihm das Reden zum Volke mitunter recht sauer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/19>, abgerufen am 28.09.2024.