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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Staatsräthe, Ministerialräthe, Geheime Regier"ngsräthe, Negierungsräthe.
Finanz- und Nechnungsräthe, nicht zu gedenken des Oberkirchenraths, des
Oberforstraths, des Medizinalraths, der Consistorialräthe, Forsträthe, Forst¬
rechnungsräthe, Bauräthe, Archivräthe!c. Für einen großen Theil der Privat¬
ärzte besteht gleichfalls der Titel Medizinalrath oder Sanitätsrath. Die
Kreisrichter sind Kreisgerichtsräthe, Justizamtmänner und Advokaten heißen
Justizräthe, die Kassen- und Rechnungsbeamten im Staats- und im Hofdienst
Kassenräthe, Finanzräthe und Geheime Finanzräthe. Auch Kaufleute gibt es
mit dem Titel Finanzrath, eine etwas vornehmere Stufe als der übliche
Commerzienrath, der übrigens noch lange kein Millionär zu sein braucht.
Apotheker werden, wenn sie den Medizinal-Assessor überstiegen haben, Räthe
schlechtweg; Haushofmeister, Hofintendanten, Hofseeretäre, Theaterregisseure:c.
erhalten ebenfalls nach und nach diese Auszeichnung. "Buchhändler ist ein
schöner Titel", meinte Friedrich der Große, aber der Titel "Commissionsrath"
scheint bei uns noch schöner zu sein. Die Privatcorrespondenz des Herzogs
führen ein Geheimer Cabinetsrath, ein Legationsrath, ein Rath und ein
Cabinetssecretär.*)

Wohl wissen wir, daß auch in anderen Staaten, namentlich in Preußen,
das leidige Titelwesen übermäßig entwickelt ist und daß eigentlich nur Bayern
in diesem Punkte eine rühmliche Ausnahme macht; aber die besondere Komik
liegt bei uns darin, daß sich eine außerordentlich große Menge von
"Räthen" aller Art auf einem außerordentlich engen Raum
zusammendrängt und daß überdies noch die großen Titel arg con-
trastiren mit den kleinen Stellungen und Gehalten. Wird man sich
etwa unter einem Geheimen Finanzrath einen Mann denken, dessen eigene
Finanzen in 1000 bis 1200 Thlr. Gehalt bestehen? Durch Uebertreibung kann
selbst eine wohlverdiente Auszeichnung zur Carricatur werden.

Bekannt ist, daß Herzog Ernst auch über die Grenzen seiner Länder
hinaus mit Titulaturen, besonders aber mit Orden eine seltene Freigebigkeit
an den Tag legt; irgendwo sind wir sogar einmal einem "Hofzauberkünstler
Seiner Hoheit" begegnet. Je "liberaler" aber der Herzog in solchen Dingen
ist, desto unverfrorener wird auch an diesen Liberalismus appellirt; namentlich
sind es Künstler und Literaten aller Art, beschnittene und unbeschnittene,
Männlein und Weiblein, welche die Gnadensonne, die da scheint über Gute
und Böse, zudringlich umschwärmen. Der Anhang, den der Herr sich groß
gezogen hat, mag ihm oft unbequem genug werden; immerhin muß es aber
einen besonders süßen, schmeichelnden Reiz gewähren, sich als vielumworbenen
Gönner und Gnadenspender zu fühlen; sonst wäre es kaum zu erklären, wie



') Der Letztere ist vor Abgang dieses Aufsatzes zum "Cabinetsrath" befördert worden.

Staatsräthe, Ministerialräthe, Geheime Regier»ngsräthe, Negierungsräthe.
Finanz- und Nechnungsräthe, nicht zu gedenken des Oberkirchenraths, des
Oberforstraths, des Medizinalraths, der Consistorialräthe, Forsträthe, Forst¬
rechnungsräthe, Bauräthe, Archivräthe!c. Für einen großen Theil der Privat¬
ärzte besteht gleichfalls der Titel Medizinalrath oder Sanitätsrath. Die
Kreisrichter sind Kreisgerichtsräthe, Justizamtmänner und Advokaten heißen
Justizräthe, die Kassen- und Rechnungsbeamten im Staats- und im Hofdienst
Kassenräthe, Finanzräthe und Geheime Finanzräthe. Auch Kaufleute gibt es
mit dem Titel Finanzrath, eine etwas vornehmere Stufe als der übliche
Commerzienrath, der übrigens noch lange kein Millionär zu sein braucht.
Apotheker werden, wenn sie den Medizinal-Assessor überstiegen haben, Räthe
schlechtweg; Haushofmeister, Hofintendanten, Hofseeretäre, Theaterregisseure:c.
erhalten ebenfalls nach und nach diese Auszeichnung. „Buchhändler ist ein
schöner Titel", meinte Friedrich der Große, aber der Titel „Commissionsrath"
scheint bei uns noch schöner zu sein. Die Privatcorrespondenz des Herzogs
führen ein Geheimer Cabinetsrath, ein Legationsrath, ein Rath und ein
Cabinetssecretär.*)

Wohl wissen wir, daß auch in anderen Staaten, namentlich in Preußen,
das leidige Titelwesen übermäßig entwickelt ist und daß eigentlich nur Bayern
in diesem Punkte eine rühmliche Ausnahme macht; aber die besondere Komik
liegt bei uns darin, daß sich eine außerordentlich große Menge von
„Räthen" aller Art auf einem außerordentlich engen Raum
zusammendrängt und daß überdies noch die großen Titel arg con-
trastiren mit den kleinen Stellungen und Gehalten. Wird man sich
etwa unter einem Geheimen Finanzrath einen Mann denken, dessen eigene
Finanzen in 1000 bis 1200 Thlr. Gehalt bestehen? Durch Uebertreibung kann
selbst eine wohlverdiente Auszeichnung zur Carricatur werden.

Bekannt ist, daß Herzog Ernst auch über die Grenzen seiner Länder
hinaus mit Titulaturen, besonders aber mit Orden eine seltene Freigebigkeit
an den Tag legt; irgendwo sind wir sogar einmal einem „Hofzauberkünstler
Seiner Hoheit" begegnet. Je „liberaler" aber der Herzog in solchen Dingen
ist, desto unverfrorener wird auch an diesen Liberalismus appellirt; namentlich
sind es Künstler und Literaten aller Art, beschnittene und unbeschnittene,
Männlein und Weiblein, welche die Gnadensonne, die da scheint über Gute
und Böse, zudringlich umschwärmen. Der Anhang, den der Herr sich groß
gezogen hat, mag ihm oft unbequem genug werden; immerhin muß es aber
einen besonders süßen, schmeichelnden Reiz gewähren, sich als vielumworbenen
Gönner und Gnadenspender zu fühlen; sonst wäre es kaum zu erklären, wie



') Der Letztere ist vor Abgang dieses Aufsatzes zum „Cabinetsrath" befördert worden.
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[0188] Staatsräthe, Ministerialräthe, Geheime Regier»ngsräthe, Negierungsräthe. Finanz- und Nechnungsräthe, nicht zu gedenken des Oberkirchenraths, des Oberforstraths, des Medizinalraths, der Consistorialräthe, Forsträthe, Forst¬ rechnungsräthe, Bauräthe, Archivräthe!c. Für einen großen Theil der Privat¬ ärzte besteht gleichfalls der Titel Medizinalrath oder Sanitätsrath. Die Kreisrichter sind Kreisgerichtsräthe, Justizamtmänner und Advokaten heißen Justizräthe, die Kassen- und Rechnungsbeamten im Staats- und im Hofdienst Kassenräthe, Finanzräthe und Geheime Finanzräthe. Auch Kaufleute gibt es mit dem Titel Finanzrath, eine etwas vornehmere Stufe als der übliche Commerzienrath, der übrigens noch lange kein Millionär zu sein braucht. Apotheker werden, wenn sie den Medizinal-Assessor überstiegen haben, Räthe schlechtweg; Haushofmeister, Hofintendanten, Hofseeretäre, Theaterregisseure:c. erhalten ebenfalls nach und nach diese Auszeichnung. „Buchhändler ist ein schöner Titel", meinte Friedrich der Große, aber der Titel „Commissionsrath" scheint bei uns noch schöner zu sein. Die Privatcorrespondenz des Herzogs führen ein Geheimer Cabinetsrath, ein Legationsrath, ein Rath und ein Cabinetssecretär.*) Wohl wissen wir, daß auch in anderen Staaten, namentlich in Preußen, das leidige Titelwesen übermäßig entwickelt ist und daß eigentlich nur Bayern in diesem Punkte eine rühmliche Ausnahme macht; aber die besondere Komik liegt bei uns darin, daß sich eine außerordentlich große Menge von „Räthen" aller Art auf einem außerordentlich engen Raum zusammendrängt und daß überdies noch die großen Titel arg con- trastiren mit den kleinen Stellungen und Gehalten. Wird man sich etwa unter einem Geheimen Finanzrath einen Mann denken, dessen eigene Finanzen in 1000 bis 1200 Thlr. Gehalt bestehen? Durch Uebertreibung kann selbst eine wohlverdiente Auszeichnung zur Carricatur werden. Bekannt ist, daß Herzog Ernst auch über die Grenzen seiner Länder hinaus mit Titulaturen, besonders aber mit Orden eine seltene Freigebigkeit an den Tag legt; irgendwo sind wir sogar einmal einem „Hofzauberkünstler Seiner Hoheit" begegnet. Je „liberaler" aber der Herzog in solchen Dingen ist, desto unverfrorener wird auch an diesen Liberalismus appellirt; namentlich sind es Künstler und Literaten aller Art, beschnittene und unbeschnittene, Männlein und Weiblein, welche die Gnadensonne, die da scheint über Gute und Böse, zudringlich umschwärmen. Der Anhang, den der Herr sich groß gezogen hat, mag ihm oft unbequem genug werden; immerhin muß es aber einen besonders süßen, schmeichelnden Reiz gewähren, sich als vielumworbenen Gönner und Gnadenspender zu fühlen; sonst wäre es kaum zu erklären, wie ') Der Letztere ist vor Abgang dieses Aufsatzes zum „Cabinetsrath" befördert worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/188>, abgerufen am 29.06.2024.