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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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dieser konnte den dortigen Negerstämmen doch nur durch arabische Vermitt¬
lung zugekommen sein. Den mittleren Theil des Sudan kannten die Araber
viel weniger als die Negerreiche am mittleren Laufe des Niger und die großen
Negerstaaten in den Räumen zwischen dem Niger und dem Senegal, wohin
sie nach Uebersteigung des Atlas gelangten. Die geschichtlich wichtigste Reise
in diesen Gegenden ist jene welche Ihe-Batutah in den Jahren 1362 und
1353 ausführte. Von Fez aus durchstreifte er in südlicher Richtung die
westliche Sahara, besuchte Takaddah, Kaukan, Timbuktu und das weit¬
berühmte Melli im Lande der Mandingo's und kehrte auf einem anderen
Wege wieder durch die Sahara zurück. An den atlantischen Küsten erstreckte
sich zu Ihe Haugal's Zeit die arabische Schifffahrt bis nach Safi und als
Edrisi schrieb (11L0 n. Ch.) etwas weiter, aber gewiß nicht weiter als bis
zum Vorgebirge Nun. Die kartographischen Weltbilder der Araber zeigen
hinsichtlich Afrika's kaum einen nennenswerthen Fortschritt im Vergleiche zu jenen
"der Alten. Es verdient indessen bemerkt zu werden, daß aus den Kartenwerken kein
absolut sicherer Schluß auf die jeweilige geographische Wissenshöhe zu ziehen
ist, denn die Kartographie ist eine Spätfrucht der Wissenschaft, deren Reife
schon eine Fülle von früher erworbenen Kenntnissen voraussetzt.

namhafte Fortschritte machte die Erforschung Afrika's, so weit es sich
wenigstens um die äußeren Umrisse dieses Welttheiles handelt, durch die
Entdeckungsfahrten der Portugiesen im Mittelalter, Die Seele dieser Unter¬
nehmungen war der Infant Heinrich, genannt der Seefahrer, der die damals
noch ungeübte Nation zur Schifffahrt heranbildete. Es bedürfte sogar eines
Seesturmes, damit unbeabsichtigt und unter großer Beängstigung portu¬
giesische Schiffer die Waldinsel Madeira der italienischen Karten wieder auf¬
fanden. Seit 1415 schickte der Infant alljährlich Fahrzeuge aus, die über
das Cap Bojador sich hinauswagen sollten, und fast zwanzig Jahre kehrten
sie alle vor dem Vorgebirge wieder um, weil sie dort auf ein Riff stießen,
das sich brandend sechs Meilen in die See erstreckte, bis es im Jahre 1434
dem Gil Cannes gelang, dies drohende Hinderniß zu bewältigen. So oft
portugiesische Seefahrer über das Cap Bojador hinausliefen, befahl ihnen
der Infant einige der Einwohner am atlantischen Rande der Sahara auf¬
zugreifen, was ihnen jedoch erst 1441 glückte. Man unterrichtete diese Leute
im Portugiesischen, theils um von ihnen Erkundigungen über das Land ein¬
zuziehen, theils um sie als Dolmetscher zu benutzen. So konnte Prinz
Heinrich den Entdeckern, die 1445 ausliefen, voraussagen, sie würden an
der Küste zwanzig Meilen südlich von der Stelle, wo die ersten Palmen sich
wieder zeigen, die Mündung des Senegals finden. Uebrigens war schon
kurz vorher Nuno Tristao, ohne jedoch den Senegal zu sehen, bis zum
grünen Vorgebirge gesegelt, also weit über die Sahara hinaus an Küsten


dieser konnte den dortigen Negerstämmen doch nur durch arabische Vermitt¬
lung zugekommen sein. Den mittleren Theil des Sudan kannten die Araber
viel weniger als die Negerreiche am mittleren Laufe des Niger und die großen
Negerstaaten in den Räumen zwischen dem Niger und dem Senegal, wohin
sie nach Uebersteigung des Atlas gelangten. Die geschichtlich wichtigste Reise
in diesen Gegenden ist jene welche Ihe-Batutah in den Jahren 1362 und
1353 ausführte. Von Fez aus durchstreifte er in südlicher Richtung die
westliche Sahara, besuchte Takaddah, Kaukan, Timbuktu und das weit¬
berühmte Melli im Lande der Mandingo's und kehrte auf einem anderen
Wege wieder durch die Sahara zurück. An den atlantischen Küsten erstreckte
sich zu Ihe Haugal's Zeit die arabische Schifffahrt bis nach Safi und als
Edrisi schrieb (11L0 n. Ch.) etwas weiter, aber gewiß nicht weiter als bis
zum Vorgebirge Nun. Die kartographischen Weltbilder der Araber zeigen
hinsichtlich Afrika's kaum einen nennenswerthen Fortschritt im Vergleiche zu jenen
«der Alten. Es verdient indessen bemerkt zu werden, daß aus den Kartenwerken kein
absolut sicherer Schluß auf die jeweilige geographische Wissenshöhe zu ziehen
ist, denn die Kartographie ist eine Spätfrucht der Wissenschaft, deren Reife
schon eine Fülle von früher erworbenen Kenntnissen voraussetzt.

namhafte Fortschritte machte die Erforschung Afrika's, so weit es sich
wenigstens um die äußeren Umrisse dieses Welttheiles handelt, durch die
Entdeckungsfahrten der Portugiesen im Mittelalter, Die Seele dieser Unter¬
nehmungen war der Infant Heinrich, genannt der Seefahrer, der die damals
noch ungeübte Nation zur Schifffahrt heranbildete. Es bedürfte sogar eines
Seesturmes, damit unbeabsichtigt und unter großer Beängstigung portu¬
giesische Schiffer die Waldinsel Madeira der italienischen Karten wieder auf¬
fanden. Seit 1415 schickte der Infant alljährlich Fahrzeuge aus, die über
das Cap Bojador sich hinauswagen sollten, und fast zwanzig Jahre kehrten
sie alle vor dem Vorgebirge wieder um, weil sie dort auf ein Riff stießen,
das sich brandend sechs Meilen in die See erstreckte, bis es im Jahre 1434
dem Gil Cannes gelang, dies drohende Hinderniß zu bewältigen. So oft
portugiesische Seefahrer über das Cap Bojador hinausliefen, befahl ihnen
der Infant einige der Einwohner am atlantischen Rande der Sahara auf¬
zugreifen, was ihnen jedoch erst 1441 glückte. Man unterrichtete diese Leute
im Portugiesischen, theils um von ihnen Erkundigungen über das Land ein¬
zuziehen, theils um sie als Dolmetscher zu benutzen. So konnte Prinz
Heinrich den Entdeckern, die 1445 ausliefen, voraussagen, sie würden an
der Küste zwanzig Meilen südlich von der Stelle, wo die ersten Palmen sich
wieder zeigen, die Mündung des Senegals finden. Uebrigens war schon
kurz vorher Nuno Tristao, ohne jedoch den Senegal zu sehen, bis zum
grünen Vorgebirge gesegelt, also weit über die Sahara hinaus an Küsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/179>, abgerufen am 29.06.2024.