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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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also wohl der Mühe, jetzt schon ins Auge zu fassen, welchen Einfluß die
so oder so organisirten Gerichte in zehn Jahren zu üben im Stande sein
werden.

Wir haben schließlich noch eine allgemeine Bemerkung zu machen. Gegen
unsern Vorschlag wird vielleicht von juristischer Seite eingewendet, derselbe
sei insofern ganz überflüssig, als es jetzt schon den Parteien in einem Handels¬
streit unbenommen sei, ein Schiedsgericht anzurufen, und ein solches genüge
auch in allen den Fällen, wo den Handelsgerichten etwa ein Vorzug vor den
bürgerlichen Gerichten einzuräumen sein möchte, also namentlich in den Fällen,
wo es daraus ankommt festzustellen, was die Meinung, die Intention der
Contrahenten beim Abschluß eines Vertrags gewesen sei. -- Wir geben zu,
daß hier ein gewöhnliches Schiedsgericht dieselben Dienste leisten würde, wie
das von uns vorgeschlagene Handelsschiedsgericht, und wollen auch nicht viel
Gewicht auf die Punkte legen, wodurch sich letzteres nach unserm Vorschlag
von ersteren unterscheiden würde: Möglichkeit von Urtheilen auf Eid, Anfecht¬
barkeit und Vollstreckbarkeit der Urtheile; wenn sich einmal die Parteien
einem Schiedsgericht unterworfen haben, werden sie regelmäßig auch seinem
Spruch nachkommen; allein erfahrungsgemäß hat eben gerade die Unter¬
werfung unter ein gewöhnliches Schiedsgericht seine großen Schwierigkeiten,
welche in der Frage gipfeln: wer soll Schiedsrichter sein? Hier geht es wie
bei der Wahl von Sachverständigen, wo solche, wie in Württemberg, zunächst
den Parteien anheimgegeben ist: jede Partei ist mißtrauisch gegen den Ver¬
trauensmann, welchen der Gegner vorschlägt; auf zwei oder vier Personen
einigt man sich zur Noth, aber an der Wahl des Dritten oder Fünften
scheitert die Verständigung, und ungerade muß die Zahl der Schiedsrichter,
wie die der Sachverständigen immer sein. -- Diese Schwierigkeit fällt bei den
von uns befürworteten Handelsschiedsgerichten weg, während darin das kauf¬
männische Element doch so stark vertreten ist, daß gerade in den Fällen der
oben berührten Art einer ersprießlichen Thätigkeit kein Hemmniß im Weg
stände;^ und insofern, glauben wir. dürften sich diese Handelsschiedsgerichte
allen denjenigen Kaufleuten empfehlen, welche ihre Streitigkeiten vor einem
Schiedsgericht zum Austrag zu bringen geneigt sind.


G. Pfizer.


Grenzliowl III. 1875.22

also wohl der Mühe, jetzt schon ins Auge zu fassen, welchen Einfluß die
so oder so organisirten Gerichte in zehn Jahren zu üben im Stande sein
werden.

Wir haben schließlich noch eine allgemeine Bemerkung zu machen. Gegen
unsern Vorschlag wird vielleicht von juristischer Seite eingewendet, derselbe
sei insofern ganz überflüssig, als es jetzt schon den Parteien in einem Handels¬
streit unbenommen sei, ein Schiedsgericht anzurufen, und ein solches genüge
auch in allen den Fällen, wo den Handelsgerichten etwa ein Vorzug vor den
bürgerlichen Gerichten einzuräumen sein möchte, also namentlich in den Fällen,
wo es daraus ankommt festzustellen, was die Meinung, die Intention der
Contrahenten beim Abschluß eines Vertrags gewesen sei. — Wir geben zu,
daß hier ein gewöhnliches Schiedsgericht dieselben Dienste leisten würde, wie
das von uns vorgeschlagene Handelsschiedsgericht, und wollen auch nicht viel
Gewicht auf die Punkte legen, wodurch sich letzteres nach unserm Vorschlag
von ersteren unterscheiden würde: Möglichkeit von Urtheilen auf Eid, Anfecht¬
barkeit und Vollstreckbarkeit der Urtheile; wenn sich einmal die Parteien
einem Schiedsgericht unterworfen haben, werden sie regelmäßig auch seinem
Spruch nachkommen; allein erfahrungsgemäß hat eben gerade die Unter¬
werfung unter ein gewöhnliches Schiedsgericht seine großen Schwierigkeiten,
welche in der Frage gipfeln: wer soll Schiedsrichter sein? Hier geht es wie
bei der Wahl von Sachverständigen, wo solche, wie in Württemberg, zunächst
den Parteien anheimgegeben ist: jede Partei ist mißtrauisch gegen den Ver¬
trauensmann, welchen der Gegner vorschlägt; auf zwei oder vier Personen
einigt man sich zur Noth, aber an der Wahl des Dritten oder Fünften
scheitert die Verständigung, und ungerade muß die Zahl der Schiedsrichter,
wie die der Sachverständigen immer sein. — Diese Schwierigkeit fällt bei den
von uns befürworteten Handelsschiedsgerichten weg, während darin das kauf¬
männische Element doch so stark vertreten ist, daß gerade in den Fällen der
oben berührten Art einer ersprießlichen Thätigkeit kein Hemmniß im Weg
stände;^ und insofern, glauben wir. dürften sich diese Handelsschiedsgerichte
allen denjenigen Kaufleuten empfehlen, welche ihre Streitigkeiten vor einem
Schiedsgericht zum Austrag zu bringen geneigt sind.


G. Pfizer.


Grenzliowl III. 1875.22
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[0177] also wohl der Mühe, jetzt schon ins Auge zu fassen, welchen Einfluß die so oder so organisirten Gerichte in zehn Jahren zu üben im Stande sein werden. Wir haben schließlich noch eine allgemeine Bemerkung zu machen. Gegen unsern Vorschlag wird vielleicht von juristischer Seite eingewendet, derselbe sei insofern ganz überflüssig, als es jetzt schon den Parteien in einem Handels¬ streit unbenommen sei, ein Schiedsgericht anzurufen, und ein solches genüge auch in allen den Fällen, wo den Handelsgerichten etwa ein Vorzug vor den bürgerlichen Gerichten einzuräumen sein möchte, also namentlich in den Fällen, wo es daraus ankommt festzustellen, was die Meinung, die Intention der Contrahenten beim Abschluß eines Vertrags gewesen sei. — Wir geben zu, daß hier ein gewöhnliches Schiedsgericht dieselben Dienste leisten würde, wie das von uns vorgeschlagene Handelsschiedsgericht, und wollen auch nicht viel Gewicht auf die Punkte legen, wodurch sich letzteres nach unserm Vorschlag von ersteren unterscheiden würde: Möglichkeit von Urtheilen auf Eid, Anfecht¬ barkeit und Vollstreckbarkeit der Urtheile; wenn sich einmal die Parteien einem Schiedsgericht unterworfen haben, werden sie regelmäßig auch seinem Spruch nachkommen; allein erfahrungsgemäß hat eben gerade die Unter¬ werfung unter ein gewöhnliches Schiedsgericht seine großen Schwierigkeiten, welche in der Frage gipfeln: wer soll Schiedsrichter sein? Hier geht es wie bei der Wahl von Sachverständigen, wo solche, wie in Württemberg, zunächst den Parteien anheimgegeben ist: jede Partei ist mißtrauisch gegen den Ver¬ trauensmann, welchen der Gegner vorschlägt; auf zwei oder vier Personen einigt man sich zur Noth, aber an der Wahl des Dritten oder Fünften scheitert die Verständigung, und ungerade muß die Zahl der Schiedsrichter, wie die der Sachverständigen immer sein. — Diese Schwierigkeit fällt bei den von uns befürworteten Handelsschiedsgerichten weg, während darin das kauf¬ männische Element doch so stark vertreten ist, daß gerade in den Fällen der oben berührten Art einer ersprießlichen Thätigkeit kein Hemmniß im Weg stände;^ und insofern, glauben wir. dürften sich diese Handelsschiedsgerichte allen denjenigen Kaufleuten empfehlen, welche ihre Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht zum Austrag zu bringen geneigt sind. G. Pfizer. Grenzliowl III. 1875.22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/177>, abgerufen am 28.09.2024.