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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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beträchtlichen Mittet für dieselben aufzubringen, und es ist zu erwarten, daß
gerade im Reichsland die gebotene Gelegenheit rasch ergriffen würde; es ist
einmal eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß wir Deutsche, wenn es sich
um öffentliche Angelegenheiten handelt, ein sehr sparsames Volk sind und in
dieser Beziehung von den Franzosen übertroffen werden; man darf annehmen,
daß unsere neuen reichsländischen Mitbürger in ihrem seitherigen Vaterland
sich gleichfalls etwas von dieser patriotischen Freigebigkeit und Opferwilligkeit
angeeignet haben; und wofern in den reichen elscissischen Handels- und In-
dustriebezirken nur der Wille vorhanden ist, Handelsschiedsgerichte auf eigene
Kosten zu errichten, so ist die Errichtung gesichert, denn an der Kraft ist
nicht zu zweifeln. -- Wir haben eben bemerkt, daß die aufzuwendenden
Kosten verhältnißmäßig nicht bedeutend wären; wenn freilich an jedem Landes¬
gerichtssitz auch ein Handelsschiedsgericht errichtet werden wollte, so wäre der
von der Kaufmannschaft zu machende Aufwand sehr beträchtlich; allein die
Handelsplätze, wo ein wirkliches Bedürfniß für Handelsgerichte besteht, werden
sehr bald aufgezählt sein, die Zahl wird in ganz Deutschland kaum ein
Dutzend übersteigen; und für die Kaufmannschaft von Hamburg, Berlin,
Köln u. s. w. kommen die Kosten von einigen tausend Mark nicht in
Betracht. Wollen die einzelnen Bundesregierungen der Kaufmannschaft auch an
kleineren Orten entgegenkommen, so würde nichts im Weg stehen, für die
Handelsschiedsgerichte eine dem §82 des Entwurfs des Ger.-Verf.-Gesetzes
entsprechende Bestimmung zu treffen und die einem Landgericht angehörigen
Richter zur Uebernahme des Vorsitzes in einem Handelsschiedsgericht zu er¬
mächtigen. Auch dadurch ließe sich in financieller Beziehung eine Erleichterung
schaffen, daß die kaufmännischen Innungen mehrerer Städte zur Bildung
eines Schiedsgerichtes sich vereinigen würden.

Was wir für die Errichtung oder Zulassung von Handelsschiedsgerichten
im Reichsland geltend gemacht haben, die Rücksicht auf Erhaltung und För¬
derung der Rechtseinheit, ist allerdings ein Moment, welches augenblicklich
wenig ins Gewicht zu fallen scheint, denn aus mehrere Jahre hinaus ist die
Herrschaft des französischen Rechts im Reichsland noch gesichert; darum scheint
uns aber doch diese Rücksicht der Beachtung werth; wollte man jetzt die vom
Entwurf vorgesehenen Handelsgerichte einführen, so würde dies im Reichs¬
land einer Aufhebung der bestehenden Handelsgerichte gleichgeachtet, und von
den neuen Gerichten wäre aus den oben entwickelten Gründen eine für die
Förderung deutscher Rechtsanschauung ersprießliche Thätigkeit nicht zu er¬
warten; die neue Gerichtsverfassung wird man aber doch so zu construiren
bemüht sein, daß man nicht in 6 -- 10 Jahren schon wieder tiefgreifende
Aenderungen vorzunehmen veranlaßt ist; die Handelsgerichtsfrage wird jetzt
auf lange Jahr,- hinaus zum Abschluß gebracht werden; es verlohnt sich


beträchtlichen Mittet für dieselben aufzubringen, und es ist zu erwarten, daß
gerade im Reichsland die gebotene Gelegenheit rasch ergriffen würde; es ist
einmal eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß wir Deutsche, wenn es sich
um öffentliche Angelegenheiten handelt, ein sehr sparsames Volk sind und in
dieser Beziehung von den Franzosen übertroffen werden; man darf annehmen,
daß unsere neuen reichsländischen Mitbürger in ihrem seitherigen Vaterland
sich gleichfalls etwas von dieser patriotischen Freigebigkeit und Opferwilligkeit
angeeignet haben; und wofern in den reichen elscissischen Handels- und In-
dustriebezirken nur der Wille vorhanden ist, Handelsschiedsgerichte auf eigene
Kosten zu errichten, so ist die Errichtung gesichert, denn an der Kraft ist
nicht zu zweifeln. — Wir haben eben bemerkt, daß die aufzuwendenden
Kosten verhältnißmäßig nicht bedeutend wären; wenn freilich an jedem Landes¬
gerichtssitz auch ein Handelsschiedsgericht errichtet werden wollte, so wäre der
von der Kaufmannschaft zu machende Aufwand sehr beträchtlich; allein die
Handelsplätze, wo ein wirkliches Bedürfniß für Handelsgerichte besteht, werden
sehr bald aufgezählt sein, die Zahl wird in ganz Deutschland kaum ein
Dutzend übersteigen; und für die Kaufmannschaft von Hamburg, Berlin,
Köln u. s. w. kommen die Kosten von einigen tausend Mark nicht in
Betracht. Wollen die einzelnen Bundesregierungen der Kaufmannschaft auch an
kleineren Orten entgegenkommen, so würde nichts im Weg stehen, für die
Handelsschiedsgerichte eine dem §82 des Entwurfs des Ger.-Verf.-Gesetzes
entsprechende Bestimmung zu treffen und die einem Landgericht angehörigen
Richter zur Uebernahme des Vorsitzes in einem Handelsschiedsgericht zu er¬
mächtigen. Auch dadurch ließe sich in financieller Beziehung eine Erleichterung
schaffen, daß die kaufmännischen Innungen mehrerer Städte zur Bildung
eines Schiedsgerichtes sich vereinigen würden.

Was wir für die Errichtung oder Zulassung von Handelsschiedsgerichten
im Reichsland geltend gemacht haben, die Rücksicht auf Erhaltung und För¬
derung der Rechtseinheit, ist allerdings ein Moment, welches augenblicklich
wenig ins Gewicht zu fallen scheint, denn aus mehrere Jahre hinaus ist die
Herrschaft des französischen Rechts im Reichsland noch gesichert; darum scheint
uns aber doch diese Rücksicht der Beachtung werth; wollte man jetzt die vom
Entwurf vorgesehenen Handelsgerichte einführen, so würde dies im Reichs¬
land einer Aufhebung der bestehenden Handelsgerichte gleichgeachtet, und von
den neuen Gerichten wäre aus den oben entwickelten Gründen eine für die
Förderung deutscher Rechtsanschauung ersprießliche Thätigkeit nicht zu er¬
warten; die neue Gerichtsverfassung wird man aber doch so zu construiren
bemüht sein, daß man nicht in 6 — 10 Jahren schon wieder tiefgreifende
Aenderungen vorzunehmen veranlaßt ist; die Handelsgerichtsfrage wird jetzt
auf lange Jahr,- hinaus zum Abschluß gebracht werden; es verlohnt sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/176>, abgerufen am 28.09.2024.