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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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schon vorher eingeleiteten") Schiedsrichteramtes zwischen Sachsen und König
an, forderte den König 1076 zu Anfang des Jahres in strengem strafendem
Tone zur Buße auf und drohte mit Ercommunication und Absetzung. Als nun
Heinrich mit dem auf einer Synode zu Worms über Gregor ausgesprochenen
Absetzungsurtheil erwiederte, entsetzte der Papst den König der Regierung, ent¬
band alle Christen des ihm geleisteten Eides und belegte ihn mit dem Fluche
der Kirche. Trotz der Zweifel, die Manche hegten, ob dem Papste ein solches
Recht gegen Könige zustehe, wurde dieses Recht von der Mehrheit der deutschen
Fürsten und Bischöfe auf einer Versammlung wieder in Tribur im Jahr
107t; anerkannt, und Heinrich angedroht, daß, wenn er nicht binnen Jahres¬
frist den Bannfluch löse, er für abgesetzt erklärt sein solle.

Die Lage bestimmte Heinrich zu dem raschen Entschlüsse, die päpstliche
Absolution in eigner Person einzuholen und sie so dringend bei dem Papste
nachzusuchen, bis sie ihm durch die bekannte Szene zu Canossa gewährt
wurde.

Der damals erst 27 jährige junge König ging mit der überlegten Be¬
rechnung, daß es ihm durch eine kluge Nachgiebigkeit gegen den Papst gelinge,
seinen fürstlichen Widersachern den Rang abzulaufen, zum Papste, der sich in
Canossa unter dem Schutze der Markgräfin Mathilde von Tuscien aufhielt,
eben der Stief- und Schwiegertochter jenes Gottfried des Bärtigen von Loth¬
ringen, der an der Spitze der Opposition schon wider Heinrich's Vater und
dessen Erbmonarchie stand.

Die Lösung vom Banne ward Heinrich nach seiner äußerst demüthigenden
Bußübung in der orakelhaften Antwort, vom Banne wolle der Papst
lösen, aber über die Absicht der Fürsten habe er keine Verfügung, zu Theil
und auch nicht zu Theil. Ein neuerer Geschichtsschreiber. R. Battmcmn**) sagt:
"In der Zusammenkunft von Canossa benahm sich Gregor VII. unaufrichtig
und hinterlistig; bei der Wahl Rudolf's von Rheinfelden wirkte er hinter den
Kulissen mit." Die für unsere Betrachtung entscheidende Thatsache ist, daß
nach der Zusammenkunft von Canossa zu Forchheim unter der Assistenz von
Gesandten (legati) Gregor's die gegen Heinrich IV. sich auflehnende Fürsten¬
partei 1077 den Gegenkönig Rudolf wählten, Gregor VII. allen denen, welche
den von ihm aufgestellten Gegenkönig unterstützen würden, die unbedingte
Absolution von allen Sünden verhieß, in einem Briefe an die Fürsten***) noch
ausdrücklich aussprach: Sie sollten nicht aus irdischer Liebe zu einem Könige





Er hatte an verschiedene Fürsten 1073 geschrieben, er werde den jungen König ernähren,
seinen Rathschlägen in Handhabung der Gerechtigkeit Folge zu leisten; wo nicht, or!i.Jo<Il!:t,"!Z
Koino, qui xrodidot ki-ullum " SÄHguino suo. Ep. 1, ". 02. 2, 4".
") Die Politik der Papste von Gregor I. -- Gregor VII. Elbcrf. >8ii8/N!>. Fndcrichö.
Deutsche Geschichte v, Schmidt. II. 387.
Grenzboten III. 187 5. 19

schon vorher eingeleiteten") Schiedsrichteramtes zwischen Sachsen und König
an, forderte den König 1076 zu Anfang des Jahres in strengem strafendem
Tone zur Buße auf und drohte mit Ercommunication und Absetzung. Als nun
Heinrich mit dem auf einer Synode zu Worms über Gregor ausgesprochenen
Absetzungsurtheil erwiederte, entsetzte der Papst den König der Regierung, ent¬
band alle Christen des ihm geleisteten Eides und belegte ihn mit dem Fluche
der Kirche. Trotz der Zweifel, die Manche hegten, ob dem Papste ein solches
Recht gegen Könige zustehe, wurde dieses Recht von der Mehrheit der deutschen
Fürsten und Bischöfe auf einer Versammlung wieder in Tribur im Jahr
107t; anerkannt, und Heinrich angedroht, daß, wenn er nicht binnen Jahres¬
frist den Bannfluch löse, er für abgesetzt erklärt sein solle.

Die Lage bestimmte Heinrich zu dem raschen Entschlüsse, die päpstliche
Absolution in eigner Person einzuholen und sie so dringend bei dem Papste
nachzusuchen, bis sie ihm durch die bekannte Szene zu Canossa gewährt
wurde.

Der damals erst 27 jährige junge König ging mit der überlegten Be¬
rechnung, daß es ihm durch eine kluge Nachgiebigkeit gegen den Papst gelinge,
seinen fürstlichen Widersachern den Rang abzulaufen, zum Papste, der sich in
Canossa unter dem Schutze der Markgräfin Mathilde von Tuscien aufhielt,
eben der Stief- und Schwiegertochter jenes Gottfried des Bärtigen von Loth¬
ringen, der an der Spitze der Opposition schon wider Heinrich's Vater und
dessen Erbmonarchie stand.

Die Lösung vom Banne ward Heinrich nach seiner äußerst demüthigenden
Bußübung in der orakelhaften Antwort, vom Banne wolle der Papst
lösen, aber über die Absicht der Fürsten habe er keine Verfügung, zu Theil
und auch nicht zu Theil. Ein neuerer Geschichtsschreiber. R. Battmcmn**) sagt:
„In der Zusammenkunft von Canossa benahm sich Gregor VII. unaufrichtig
und hinterlistig; bei der Wahl Rudolf's von Rheinfelden wirkte er hinter den
Kulissen mit." Die für unsere Betrachtung entscheidende Thatsache ist, daß
nach der Zusammenkunft von Canossa zu Forchheim unter der Assistenz von
Gesandten (legati) Gregor's die gegen Heinrich IV. sich auflehnende Fürsten¬
partei 1077 den Gegenkönig Rudolf wählten, Gregor VII. allen denen, welche
den von ihm aufgestellten Gegenkönig unterstützen würden, die unbedingte
Absolution von allen Sünden verhieß, in einem Briefe an die Fürsten***) noch
ausdrücklich aussprach: Sie sollten nicht aus irdischer Liebe zu einem Könige





Er hatte an verschiedene Fürsten 1073 geschrieben, er werde den jungen König ernähren,
seinen Rathschlägen in Handhabung der Gerechtigkeit Folge zu leisten; wo nicht, or!i.Jo<Il!:t,»!Z
Koino, qui xrodidot ki-ullum » SÄHguino suo. Ep. 1, «. 02. 2, 4».
") Die Politik der Papste von Gregor I. — Gregor VII. Elbcrf. >8ii8/N!>. Fndcrichö.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/153>, abgerufen am 28.09.2024.