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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Verpflichtung, diesem als Mannen Dienstpflicht zu leisten, zu Lehen nahmen.
Damit hatte der freie Papst auch einen vom Kaiser unabhängigen militärisch¬
politischen Rückhalt gewonnen. Wie man namentlich den Beschluß über die
Papstwahl in Deutschland als einen Schlag empfand, beweist, daß sich Erz-
bischof Hanno von Köln mit mehreren Bischöfen in einem Schreiben dawider
erklärte und der Papst mit Mühe eine Kirchen-Versammlung zu Worms
hinderte. Es wäre schlimmer für den Papst geworden, wenn die Kaiserin
an den mit ihr unzufriedenen Großen (es war 1061, ein Jahr vor dem Raube
Heinrich's IV. zu Kaiserswerth) einen Rückhalt gehabt hätte. Nach Nikolaus II.
Tode, als die kaiserliche Partei in Rom eine drohende Haltung annahm, hielt
es dann Hildebrand für klug, sich gleich der kaiserlichen Partei vom kaiserlichen
Hof einen neuen Papst zu erbitten. Da die Kaiserin zauderte, ein Konzil
von deutschen und italienischen Bischöfen nach Basel berief, hier die lom¬
bardischen Bischöfe sich auch gegen die Lateranensischen Beschlüsse erklärten,
ließ zwar Hildebrand einen Papst seiner Sorte in der Person Alexander's II.
wählen und mit den Waffen in der Hand den Lateran beziehen, allein das
Konzil erklärte diese Wahl für ungültig und stellte ebenfalls einen Papst auf,
Honorius II.

So waren die Dinge schon haarscharf zugespitzt, als die Katastrophe von
1,062 eintrat und nun Hildebrand freie Hand erhielt, namentlich seitdem selbst
Hanno von Köln, der nach Adalbert's Sturz wieder das Reichssteuer führte,
sich für Alexander II. erklärte und der Kampf mit den Sachsen in helle
Flammen ausbrach. Nun ließ sich mitten in demselben Hildebrand zum Papste
wählen und nahm den Namen Gregor VII. an.

Seine Mittel zur Durchführung der Clugny'schen Pläne waren: 1) Be¬
seitigung der Simonie; indem er deren Begriff erweiterte, 2) Beseitigung auch
der Investitur (mit Ring und Stab, also aufgefaßt als Verleihung des geist¬
lichen Amtes durch eine weltliche Macht, wo es sich doch nur um Verleihung
der mit dem geistlichen Amte verbundenen Reichs"Lehngüter und Lehnsrechte
handelte) und Unabhängigkeit des vom Papste abhängig zu machenden Bischofs
von der Gewalt des Kaisers, 3) mönchische Organisation der ganzen Kirche
und des ganzen Klerus, damit Beseitigung der Ehe des Klerus oder Ein¬
führung des ehelosen Lebens (Cölibats) aller Kleriker sowie gelübdemäßige
Verpflichtung derselben zu unbedingtem Gehorsam der Orden gegen die Obern.
Auf Synoden von 1074 und 1075 ließ Gregor die dahin zielenden Be¬
schlüsse fassen. Nachdem noch 1074 Gregor (Ep. 2. 3,) in einem Schreiben
an Heinrich diesem während des vom Papste zu unternehmenden Kreuzzuges
die Beschützung der römischen Kirche während des Papstes Abwesenheit em¬
pfohlen, nachdem sich Gregor noch später hin und her besonnen, weil er des
Erzbischofs von Mailand gar nicht sicher war, nahm er sich eingehender des


Verpflichtung, diesem als Mannen Dienstpflicht zu leisten, zu Lehen nahmen.
Damit hatte der freie Papst auch einen vom Kaiser unabhängigen militärisch¬
politischen Rückhalt gewonnen. Wie man namentlich den Beschluß über die
Papstwahl in Deutschland als einen Schlag empfand, beweist, daß sich Erz-
bischof Hanno von Köln mit mehreren Bischöfen in einem Schreiben dawider
erklärte und der Papst mit Mühe eine Kirchen-Versammlung zu Worms
hinderte. Es wäre schlimmer für den Papst geworden, wenn die Kaiserin
an den mit ihr unzufriedenen Großen (es war 1061, ein Jahr vor dem Raube
Heinrich's IV. zu Kaiserswerth) einen Rückhalt gehabt hätte. Nach Nikolaus II.
Tode, als die kaiserliche Partei in Rom eine drohende Haltung annahm, hielt
es dann Hildebrand für klug, sich gleich der kaiserlichen Partei vom kaiserlichen
Hof einen neuen Papst zu erbitten. Da die Kaiserin zauderte, ein Konzil
von deutschen und italienischen Bischöfen nach Basel berief, hier die lom¬
bardischen Bischöfe sich auch gegen die Lateranensischen Beschlüsse erklärten,
ließ zwar Hildebrand einen Papst seiner Sorte in der Person Alexander's II.
wählen und mit den Waffen in der Hand den Lateran beziehen, allein das
Konzil erklärte diese Wahl für ungültig und stellte ebenfalls einen Papst auf,
Honorius II.

So waren die Dinge schon haarscharf zugespitzt, als die Katastrophe von
1,062 eintrat und nun Hildebrand freie Hand erhielt, namentlich seitdem selbst
Hanno von Köln, der nach Adalbert's Sturz wieder das Reichssteuer führte,
sich für Alexander II. erklärte und der Kampf mit den Sachsen in helle
Flammen ausbrach. Nun ließ sich mitten in demselben Hildebrand zum Papste
wählen und nahm den Namen Gregor VII. an.

Seine Mittel zur Durchführung der Clugny'schen Pläne waren: 1) Be¬
seitigung der Simonie; indem er deren Begriff erweiterte, 2) Beseitigung auch
der Investitur (mit Ring und Stab, also aufgefaßt als Verleihung des geist¬
lichen Amtes durch eine weltliche Macht, wo es sich doch nur um Verleihung
der mit dem geistlichen Amte verbundenen Reichs»Lehngüter und Lehnsrechte
handelte) und Unabhängigkeit des vom Papste abhängig zu machenden Bischofs
von der Gewalt des Kaisers, 3) mönchische Organisation der ganzen Kirche
und des ganzen Klerus, damit Beseitigung der Ehe des Klerus oder Ein¬
führung des ehelosen Lebens (Cölibats) aller Kleriker sowie gelübdemäßige
Verpflichtung derselben zu unbedingtem Gehorsam der Orden gegen die Obern.
Auf Synoden von 1074 und 1075 ließ Gregor die dahin zielenden Be¬
schlüsse fassen. Nachdem noch 1074 Gregor (Ep. 2. 3,) in einem Schreiben
an Heinrich diesem während des vom Papste zu unternehmenden Kreuzzuges
die Beschützung der römischen Kirche während des Papstes Abwesenheit em¬
pfohlen, nachdem sich Gregor noch später hin und her besonnen, weil er des
Erzbischofs von Mailand gar nicht sicher war, nahm er sich eingehender des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/152>, abgerufen am 29.06.2024.