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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Eurypides statt Euripides, mögen hingehen. Für manche Leute ist nun ein¬
mal ein y ein nothwendiges Erforderniß zu einem griechischen Worte. Wenn
aber auf S- 61 in einem griechischen Buchtitel drei Fehler stehen, S. 124
Bach statt Bahre, S. 131 Richter des eisernen Kreuzes statt Ritter, S. 231
Hesodios statt Hesiodos, S. 245 Das Lied an die Glocke statt von der Glocke
gedruckt steht u. a. in., so sind das unverzeihliche Nachlässigkeiten.

Doch genug und übergenug von diesem armseligen Opus ozMÄtum. Ich
habe zu Anfange gesagt, daß ein "Schriftstellerlexikon" überhaupt keinen Werth
und Nutzen habe. Ich will nicht ungerecht sein: einiges habe ich doch daraus
gelernt. Ich habe z. B. gesehen, wie viel doch unter unsern guten Pfarrern
und Volksschullehrern poetische Gemüther stecken, denn außer seinen Predigten
und Elementarbüchern hat gar mancher von ihnen auch sein Bändchen Ge¬
dichte veröffentlicht; ich habe gesehen, wie sehr unter der jüngeren Generation
unserer Lehrer an den höheren Lehranstalten die schriftstellerische Thätigkeit im
Abnehmen begriffen ist, denn während z. B. Männer, die dreißig, vierzig Jahre
an der Schule wirken, meist auch auf eine reiche schriftstellerische Vergangenheit
zurückblicken können, haben die, welche seit acht oder zehn Jahren im Amte sind,
in der Regel weiter nichts auszuweisen, als ihre Doctordissertation und, wenn's
hoch kommt, ein Schulprogramm. Es ist dies eine Erscheinung, die viel zu
denken giebt und die nach meiner Meinung zusammenhängt einerseits mit der
Art und Weise, wie die jungen Herren überhaupt vielfach heute studiren, nämlich
nicht um etwas zu lernen, sondern eben um möglichst bald eine Doctordisser¬
tation zu brauen, andrerseits mit dem hetzjagdartigen, immer höher hinauf¬
geschraubten Treiben, welches jetzt in unsern überfüllten Gymnasial- und
Realschulcasernen herrscht und den Lehrer frühzeitig abstumpft, zum Tagelöhner
macht und die Lust zu freier wissenschaftlicher Bethätigung in ihm ertödtet.
Ich habe endlich auch im Einzelnen manche interessante Entdeckung gemacht,
z. B. von manchem längst bekannten Autor erst hier etwas über seine Lebens¬
stellung erfahren, wie es mich denn z. B, höchlichst interesstrt hat zu sehen, daß die
Lehrer des Vitzthum'schen Gymnasiums in Dresden die Ehre haben, den Ver¬
fasser vom "Onkel Hopsasa", von "Herrn und Madame Gernegroß" und
andern geistreichen Scherzen zu ihren Collegen zu zählen; auch habe ich zu
manchem längstbekannten, aber entweder Pseudonym oder anonym erschienenen
Buche den Autor gefunden, der sich nachträglich dazu bekannt hat, und auch
dies hat mir in einigen Fällen große Freude gemacht.

Dieselbe Freude möchte ich nun auch, und das soll mein letztes Wort
sein, aus Dankbarkeit dem Herrn Superintendenten Dr. Haar bereiten. Auch
ich bin ein "sächsischer Schriftsteller"; auch mein Name steht im "Sächsischen
Schriftstellerlexikon". Leider ist das Verzeichnis^ meiner "sämmtlichen Werke"
darin schon wieder sehr unvollständig. Ich lege aber hiermit dem Herausgeber


Eurypides statt Euripides, mögen hingehen. Für manche Leute ist nun ein¬
mal ein y ein nothwendiges Erforderniß zu einem griechischen Worte. Wenn
aber auf S- 61 in einem griechischen Buchtitel drei Fehler stehen, S. 124
Bach statt Bahre, S. 131 Richter des eisernen Kreuzes statt Ritter, S. 231
Hesodios statt Hesiodos, S. 245 Das Lied an die Glocke statt von der Glocke
gedruckt steht u. a. in., so sind das unverzeihliche Nachlässigkeiten.

Doch genug und übergenug von diesem armseligen Opus ozMÄtum. Ich
habe zu Anfange gesagt, daß ein „Schriftstellerlexikon" überhaupt keinen Werth
und Nutzen habe. Ich will nicht ungerecht sein: einiges habe ich doch daraus
gelernt. Ich habe z. B. gesehen, wie viel doch unter unsern guten Pfarrern
und Volksschullehrern poetische Gemüther stecken, denn außer seinen Predigten
und Elementarbüchern hat gar mancher von ihnen auch sein Bändchen Ge¬
dichte veröffentlicht; ich habe gesehen, wie sehr unter der jüngeren Generation
unserer Lehrer an den höheren Lehranstalten die schriftstellerische Thätigkeit im
Abnehmen begriffen ist, denn während z. B. Männer, die dreißig, vierzig Jahre
an der Schule wirken, meist auch auf eine reiche schriftstellerische Vergangenheit
zurückblicken können, haben die, welche seit acht oder zehn Jahren im Amte sind,
in der Regel weiter nichts auszuweisen, als ihre Doctordissertation und, wenn's
hoch kommt, ein Schulprogramm. Es ist dies eine Erscheinung, die viel zu
denken giebt und die nach meiner Meinung zusammenhängt einerseits mit der
Art und Weise, wie die jungen Herren überhaupt vielfach heute studiren, nämlich
nicht um etwas zu lernen, sondern eben um möglichst bald eine Doctordisser¬
tation zu brauen, andrerseits mit dem hetzjagdartigen, immer höher hinauf¬
geschraubten Treiben, welches jetzt in unsern überfüllten Gymnasial- und
Realschulcasernen herrscht und den Lehrer frühzeitig abstumpft, zum Tagelöhner
macht und die Lust zu freier wissenschaftlicher Bethätigung in ihm ertödtet.
Ich habe endlich auch im Einzelnen manche interessante Entdeckung gemacht,
z. B. von manchem längst bekannten Autor erst hier etwas über seine Lebens¬
stellung erfahren, wie es mich denn z. B, höchlichst interesstrt hat zu sehen, daß die
Lehrer des Vitzthum'schen Gymnasiums in Dresden die Ehre haben, den Ver¬
fasser vom „Onkel Hopsasa", von „Herrn und Madame Gernegroß" und
andern geistreichen Scherzen zu ihren Collegen zu zählen; auch habe ich zu
manchem längstbekannten, aber entweder Pseudonym oder anonym erschienenen
Buche den Autor gefunden, der sich nachträglich dazu bekannt hat, und auch
dies hat mir in einigen Fällen große Freude gemacht.

Dieselbe Freude möchte ich nun auch, und das soll mein letztes Wort
sein, aus Dankbarkeit dem Herrn Superintendenten Dr. Haar bereiten. Auch
ich bin ein „sächsischer Schriftsteller"; auch mein Name steht im „Sächsischen
Schriftstellerlexikon". Leider ist das Verzeichnis^ meiner „sämmtlichen Werke"
darin schon wieder sehr unvollständig. Ich lege aber hiermit dem Herausgeber


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[0142] Eurypides statt Euripides, mögen hingehen. Für manche Leute ist nun ein¬ mal ein y ein nothwendiges Erforderniß zu einem griechischen Worte. Wenn aber auf S- 61 in einem griechischen Buchtitel drei Fehler stehen, S. 124 Bach statt Bahre, S. 131 Richter des eisernen Kreuzes statt Ritter, S. 231 Hesodios statt Hesiodos, S. 245 Das Lied an die Glocke statt von der Glocke gedruckt steht u. a. in., so sind das unverzeihliche Nachlässigkeiten. Doch genug und übergenug von diesem armseligen Opus ozMÄtum. Ich habe zu Anfange gesagt, daß ein „Schriftstellerlexikon" überhaupt keinen Werth und Nutzen habe. Ich will nicht ungerecht sein: einiges habe ich doch daraus gelernt. Ich habe z. B. gesehen, wie viel doch unter unsern guten Pfarrern und Volksschullehrern poetische Gemüther stecken, denn außer seinen Predigten und Elementarbüchern hat gar mancher von ihnen auch sein Bändchen Ge¬ dichte veröffentlicht; ich habe gesehen, wie sehr unter der jüngeren Generation unserer Lehrer an den höheren Lehranstalten die schriftstellerische Thätigkeit im Abnehmen begriffen ist, denn während z. B. Männer, die dreißig, vierzig Jahre an der Schule wirken, meist auch auf eine reiche schriftstellerische Vergangenheit zurückblicken können, haben die, welche seit acht oder zehn Jahren im Amte sind, in der Regel weiter nichts auszuweisen, als ihre Doctordissertation und, wenn's hoch kommt, ein Schulprogramm. Es ist dies eine Erscheinung, die viel zu denken giebt und die nach meiner Meinung zusammenhängt einerseits mit der Art und Weise, wie die jungen Herren überhaupt vielfach heute studiren, nämlich nicht um etwas zu lernen, sondern eben um möglichst bald eine Doctordisser¬ tation zu brauen, andrerseits mit dem hetzjagdartigen, immer höher hinauf¬ geschraubten Treiben, welches jetzt in unsern überfüllten Gymnasial- und Realschulcasernen herrscht und den Lehrer frühzeitig abstumpft, zum Tagelöhner macht und die Lust zu freier wissenschaftlicher Bethätigung in ihm ertödtet. Ich habe endlich auch im Einzelnen manche interessante Entdeckung gemacht, z. B. von manchem längst bekannten Autor erst hier etwas über seine Lebens¬ stellung erfahren, wie es mich denn z. B, höchlichst interesstrt hat zu sehen, daß die Lehrer des Vitzthum'schen Gymnasiums in Dresden die Ehre haben, den Ver¬ fasser vom „Onkel Hopsasa", von „Herrn und Madame Gernegroß" und andern geistreichen Scherzen zu ihren Collegen zu zählen; auch habe ich zu manchem längstbekannten, aber entweder Pseudonym oder anonym erschienenen Buche den Autor gefunden, der sich nachträglich dazu bekannt hat, und auch dies hat mir in einigen Fällen große Freude gemacht. Dieselbe Freude möchte ich nun auch, und das soll mein letztes Wort sein, aus Dankbarkeit dem Herrn Superintendenten Dr. Haar bereiten. Auch ich bin ein „sächsischer Schriftsteller"; auch mein Name steht im „Sächsischen Schriftstellerlexikon". Leider ist das Verzeichnis^ meiner „sämmtlichen Werke" darin schon wieder sehr unvollständig. Ich lege aber hiermit dem Herausgeber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/142>, abgerufen am 28.06.2024.