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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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in köstlicher Weise düpiren lassen. Paul Lindau, der Schalk, lebte vorigen
Sommer einige Monate in dem bekannten Badeorte Schautau in der sächsischen
Schweiz. Von dort aus mag er wohl, offenbar um sich einen Scherz zu
machen, den Herrn Superintendenten durch seinen Beitrag erfreut und sich
dabei als "Schriftsteller und Redakteur, zu Schautau" vorgestellt haben. Und
richtig, so steht's im Lexikon! Paul Lindau also -- anders kann man die
Notiz nicht verstehen -- ist zum Redacteur des Schandauer Wochenblättchens
avancirt! -- Zahlreiche andere aber sind seit Jahren todt und waren, wie
sich beweisen läßt(!), schon längst nicht mehr am Leben, als der Druck des
"Schriftstellerlerikons" begann: wir nennen z. B. Klotz, Tischendorf, Philipp
Wagner, Palm, den Mineralogen Naumann, Gersdorf u. a. Ja selbst
von hervorragenden Männern unter seinen eignen Amtsgenossen hat der
Herausgeber nicht gewußt, daß sie schon seit Jahren nicht mehr unter den
Lebenden sind, z. B. von Liebner und Langbein in Dresden! Und so weit
geht die Nachlässigkeit des Herausgebers, daß er S. 216 und S. 297 Erinne¬
rungsschriften an den verstorbenen Oberhofprediger Liebner aus dem Jahre 1871
aufführt und denselben Liebner S. 199 als lebend verzeichnet, daß er S. 172
eine Grabrede am Grabe des Hofpredigers Langbein erwähnt und 19 Seiten
später denselben Langbein unter die Lebenden zählt! Es liegt auf der Hand,
daß der Herausgeber in allen Fällen, wo seine zweite Aufforderung unbe¬
rücksichtigt geblieben ist, eben einfach die ersten Zusendungen unverändert be¬
nutzt hat. Daher auch die UnVollständigkeit sehr vieler Bücherverzeichnisse.
Was seit 1870 von den Verfassern neu geschrieben worden ist, das fehlt in
vielen Fällen. Bücherlexika scheint es für den Herausgeber nicht zu geben.

Wenn denn nun aber der Herr Superintendent in allen diesen Stücken
seine Schuldigkeit nicht gethan hat -- nun, was hat er denn dann um das
ganze Buch für Verdienste? Was hat er außer Titelblatt und Vorrede noch
bei dieser Publikation geleistet? Eines doch noch: er hat wieder für das nöthige
Quantum von Druckfehlern gesorgt. Man sage nicht, daß es grausam
sei, bei einem so heikligen Druck wie dem von Büchertiteln dem Herausgeber
hieraus einen Vorwurf zu machen. Es ist Grundsatz, und zwar mit Recht
Grundsatz, daß an keinerlei Arbeiten so strenge Anforderungen rücksichtlich
der Correcthett des Druckes gestellt werden, als an bibliographische. In allen
Kreisen, die mit bibliographischen Werken zu thun haben, bei Bibliothekaren,
Buchhändlern, Literarhistorikern, wird streng an diesem Grundsatze festgehalten.
Ein Druckfehler, der in einem bibliographischen Werke steht, wird nie dem
Setzer, Ms dem Herausgeber zur Last gelegt. Wem das nicht gefällt, wer
nicht im Stande ist, mit so peinlicher Gewissenhaftigkeit zu arbeiten, daß er
diesen Ansprüchen genügen kann, dem muß man immer wieder den Rath er¬
theilen, daß er bibliographische Arbeiten unterwegs lassen möge. Fehler, wie


in köstlicher Weise düpiren lassen. Paul Lindau, der Schalk, lebte vorigen
Sommer einige Monate in dem bekannten Badeorte Schautau in der sächsischen
Schweiz. Von dort aus mag er wohl, offenbar um sich einen Scherz zu
machen, den Herrn Superintendenten durch seinen Beitrag erfreut und sich
dabei als „Schriftsteller und Redakteur, zu Schautau" vorgestellt haben. Und
richtig, so steht's im Lexikon! Paul Lindau also — anders kann man die
Notiz nicht verstehen — ist zum Redacteur des Schandauer Wochenblättchens
avancirt! — Zahlreiche andere aber sind seit Jahren todt und waren, wie
sich beweisen läßt(!), schon längst nicht mehr am Leben, als der Druck des
„Schriftstellerlerikons" begann: wir nennen z. B. Klotz, Tischendorf, Philipp
Wagner, Palm, den Mineralogen Naumann, Gersdorf u. a. Ja selbst
von hervorragenden Männern unter seinen eignen Amtsgenossen hat der
Herausgeber nicht gewußt, daß sie schon seit Jahren nicht mehr unter den
Lebenden sind, z. B. von Liebner und Langbein in Dresden! Und so weit
geht die Nachlässigkeit des Herausgebers, daß er S. 216 und S. 297 Erinne¬
rungsschriften an den verstorbenen Oberhofprediger Liebner aus dem Jahre 1871
aufführt und denselben Liebner S. 199 als lebend verzeichnet, daß er S. 172
eine Grabrede am Grabe des Hofpredigers Langbein erwähnt und 19 Seiten
später denselben Langbein unter die Lebenden zählt! Es liegt auf der Hand,
daß der Herausgeber in allen Fällen, wo seine zweite Aufforderung unbe¬
rücksichtigt geblieben ist, eben einfach die ersten Zusendungen unverändert be¬
nutzt hat. Daher auch die UnVollständigkeit sehr vieler Bücherverzeichnisse.
Was seit 1870 von den Verfassern neu geschrieben worden ist, das fehlt in
vielen Fällen. Bücherlexika scheint es für den Herausgeber nicht zu geben.

Wenn denn nun aber der Herr Superintendent in allen diesen Stücken
seine Schuldigkeit nicht gethan hat — nun, was hat er denn dann um das
ganze Buch für Verdienste? Was hat er außer Titelblatt und Vorrede noch
bei dieser Publikation geleistet? Eines doch noch: er hat wieder für das nöthige
Quantum von Druckfehlern gesorgt. Man sage nicht, daß es grausam
sei, bei einem so heikligen Druck wie dem von Büchertiteln dem Herausgeber
hieraus einen Vorwurf zu machen. Es ist Grundsatz, und zwar mit Recht
Grundsatz, daß an keinerlei Arbeiten so strenge Anforderungen rücksichtlich
der Correcthett des Druckes gestellt werden, als an bibliographische. In allen
Kreisen, die mit bibliographischen Werken zu thun haben, bei Bibliothekaren,
Buchhändlern, Literarhistorikern, wird streng an diesem Grundsatze festgehalten.
Ein Druckfehler, der in einem bibliographischen Werke steht, wird nie dem
Setzer, Ms dem Herausgeber zur Last gelegt. Wem das nicht gefällt, wer
nicht im Stande ist, mit so peinlicher Gewissenhaftigkeit zu arbeiten, daß er
diesen Ansprüchen genügen kann, dem muß man immer wieder den Rath er¬
theilen, daß er bibliographische Arbeiten unterwegs lassen möge. Fehler, wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/141>, abgerufen am 29.06.2024.