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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Lin Kleinstaatiiches Literaturbild.

Es giebt Bücher, die von Rechtswegen nicht "schwarz auf weiß", sondern
in den Landesfarben desjenigen Territoriums gedruckt sein sollten, in welchem
sie das Licht der Welt erblickt haben. Im vorliegenden Falle würde ich dann
die Geschichte eines "grünweißen" Buches zu erzählen haben. Mit diesem
Buche hat es folgende Bewandniß.

Bor ungefähr fünf Jahren versandte ein sächsischer Provinzialgeistlicher,
der Superintendent und Oberpfarrer zu Leisnig Dr. Wilhelm Haar, an alles,
was in königlich sächsischen Landen Gelehrter, Schriftsteller oder Künstler heißt,
und an alles, was allda in Amt und Würden ist, ein Circular und einen
Ausfüllebogen mit dem Ersuchen, daß jeder Adressat ihm möglichst bald ein
vollständiges, bibliographisch genaues Verzeichniß seiner sämmtlichen im Druck
erschienenen Schriften und einige biographische Notizen über seine werthe
Person zuschicken möge, da er die Absicht habe, ein -- "sächsisches Schrift¬
stellerlexikon" herauszugeben! Gleichzeitig wurde der Adressat zur geneigten
Subscription auf dieses Werk der Zukunft eingeladen.

Es läßt sich denken, daß das Circular des Herrn Superintendenten nicht
überall die gleiche Aufnahme gefunden haben wird. Hunderte werden -- so
viel ist gewiß -- nichts Eiligeres zu thun gehabt haben, als sich hinzusetzen
und den übersandten Bogen mit aller Gewissenhaftigkeit auszufüllen und aus
ein Exemplar des Lexikons zu subscribiren. Schon die bloße Vorstellung, seine
eigene Biographie und ein Berzeichniß seiner sämmtlichen Werke in einem
dicken Buche mitten unter lauter ähnlichen Biographieen und Katalogen fein
säuberlich abgedruckt zu sehen, hat für jeden edlen Menschen etwas Erhebendes,
ja man möchte sagen Hinreißendes. Kühlere Naturen werden freilich über
die Idee des Herrn Oberpfarrers anfangs gelächelt und seine Sendung g.ä uetu
gelegt haben; später ist sie ihnen dann gelegentlich doch wieder in die Hände
gefallen, und sie haben gedacht: "Warum soll ich dem guten Manne seinen
Spaß verderben?" und so haben denn auch sie den Bogen nachträglich gefüllt
und zurückgeschickt, wenn es auch vielleicht mit der Subscription bei ihnen


Grcnzl'öden III. 1875. 16
Lin Kleinstaatiiches Literaturbild.

Es giebt Bücher, die von Rechtswegen nicht „schwarz auf weiß", sondern
in den Landesfarben desjenigen Territoriums gedruckt sein sollten, in welchem
sie das Licht der Welt erblickt haben. Im vorliegenden Falle würde ich dann
die Geschichte eines „grünweißen" Buches zu erzählen haben. Mit diesem
Buche hat es folgende Bewandniß.

Bor ungefähr fünf Jahren versandte ein sächsischer Provinzialgeistlicher,
der Superintendent und Oberpfarrer zu Leisnig Dr. Wilhelm Haar, an alles,
was in königlich sächsischen Landen Gelehrter, Schriftsteller oder Künstler heißt,
und an alles, was allda in Amt und Würden ist, ein Circular und einen
Ausfüllebogen mit dem Ersuchen, daß jeder Adressat ihm möglichst bald ein
vollständiges, bibliographisch genaues Verzeichniß seiner sämmtlichen im Druck
erschienenen Schriften und einige biographische Notizen über seine werthe
Person zuschicken möge, da er die Absicht habe, ein — „sächsisches Schrift¬
stellerlexikon" herauszugeben! Gleichzeitig wurde der Adressat zur geneigten
Subscription auf dieses Werk der Zukunft eingeladen.

Es läßt sich denken, daß das Circular des Herrn Superintendenten nicht
überall die gleiche Aufnahme gefunden haben wird. Hunderte werden — so
viel ist gewiß — nichts Eiligeres zu thun gehabt haben, als sich hinzusetzen
und den übersandten Bogen mit aller Gewissenhaftigkeit auszufüllen und aus
ein Exemplar des Lexikons zu subscribiren. Schon die bloße Vorstellung, seine
eigene Biographie und ein Berzeichniß seiner sämmtlichen Werke in einem
dicken Buche mitten unter lauter ähnlichen Biographieen und Katalogen fein
säuberlich abgedruckt zu sehen, hat für jeden edlen Menschen etwas Erhebendes,
ja man möchte sagen Hinreißendes. Kühlere Naturen werden freilich über
die Idee des Herrn Oberpfarrers anfangs gelächelt und seine Sendung g.ä uetu
gelegt haben; später ist sie ihnen dann gelegentlich doch wieder in die Hände
gefallen, und sie haben gedacht: „Warum soll ich dem guten Manne seinen
Spaß verderben?" und so haben denn auch sie den Bogen nachträglich gefüllt
und zurückgeschickt, wenn es auch vielleicht mit der Subscription bei ihnen


Grcnzl'öden III. 1875. 16
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[0129] Lin Kleinstaatiiches Literaturbild. Es giebt Bücher, die von Rechtswegen nicht „schwarz auf weiß", sondern in den Landesfarben desjenigen Territoriums gedruckt sein sollten, in welchem sie das Licht der Welt erblickt haben. Im vorliegenden Falle würde ich dann die Geschichte eines „grünweißen" Buches zu erzählen haben. Mit diesem Buche hat es folgende Bewandniß. Bor ungefähr fünf Jahren versandte ein sächsischer Provinzialgeistlicher, der Superintendent und Oberpfarrer zu Leisnig Dr. Wilhelm Haar, an alles, was in königlich sächsischen Landen Gelehrter, Schriftsteller oder Künstler heißt, und an alles, was allda in Amt und Würden ist, ein Circular und einen Ausfüllebogen mit dem Ersuchen, daß jeder Adressat ihm möglichst bald ein vollständiges, bibliographisch genaues Verzeichniß seiner sämmtlichen im Druck erschienenen Schriften und einige biographische Notizen über seine werthe Person zuschicken möge, da er die Absicht habe, ein — „sächsisches Schrift¬ stellerlexikon" herauszugeben! Gleichzeitig wurde der Adressat zur geneigten Subscription auf dieses Werk der Zukunft eingeladen. Es läßt sich denken, daß das Circular des Herrn Superintendenten nicht überall die gleiche Aufnahme gefunden haben wird. Hunderte werden — so viel ist gewiß — nichts Eiligeres zu thun gehabt haben, als sich hinzusetzen und den übersandten Bogen mit aller Gewissenhaftigkeit auszufüllen und aus ein Exemplar des Lexikons zu subscribiren. Schon die bloße Vorstellung, seine eigene Biographie und ein Berzeichniß seiner sämmtlichen Werke in einem dicken Buche mitten unter lauter ähnlichen Biographieen und Katalogen fein säuberlich abgedruckt zu sehen, hat für jeden edlen Menschen etwas Erhebendes, ja man möchte sagen Hinreißendes. Kühlere Naturen werden freilich über die Idee des Herrn Oberpfarrers anfangs gelächelt und seine Sendung g.ä uetu gelegt haben; später ist sie ihnen dann gelegentlich doch wieder in die Hände gefallen, und sie haben gedacht: „Warum soll ich dem guten Manne seinen Spaß verderben?" und so haben denn auch sie den Bogen nachträglich gefüllt und zurückgeschickt, wenn es auch vielleicht mit der Subscription bei ihnen Grcnzl'öden III. 1875. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/129>, abgerufen am 28.06.2024.