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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Regierung bleibt, nach zwei gleichen Hälften zwischen der Schatulle
des Fürsten und den beiden Landeskassen zur Vertheilung kommen
sollen. Dabei beruht es auf des Herzogs freier Entschließung, daß die Länder
sich in ihre Revenuenhälfte ebenfalls gleichheitlich zu theilen haben, nicht
nach dem Verhältniß von 3 zu 7, welches staatsgrundgesetzlich für die gemein¬
samen Einnahmen und Ausgaben maßgebend ist. In Gotha sprach man
deshalb eine Zeit lang nicht ohne Grund von einer Begünstigung Coburgs;
der Herzog aber ließ im Landtage erklären, die Gleichmäßigkeit der Vertheilung
des Geschenks sei eine Folge seiner gleichen landesväterlichen Gesinnung und
-- die Verstimmung zog sich vor dieser geschickten Redewendung loyal zurück.

Die ganze Angelegenheit zeigte indessen noch eine andere interessante
Seite. Zur Bestreitung der Kriegskostenentschädigung mußte ein, aus den
Erträgnissen des neuerworbenen Waldgebietes zu verzinsendes und zu tilgen¬
des Dar lehr aufgenommen werden. Der Landtag, welcher in die Ver¬
pfändung des Waldes bis zur Höhe von 110,000 Thlr. willigen sollte,
wünschte einen Nachweis über die mit dieser Summe zu leistenden Ausgaben.
NicIt ohne Zögern wurde darauf der Commission die Eröffnung gemacht,
daß zur Vergütung der Kriegsschäden allerdings nur ungefähr die Hälfte
des erwähnten Kapitalbetrags erforderlich, die andere Hälfte aber -- für
den Herzog bestimmt sei, dessen Revenuenantheil ja thatsächlich auch die
Hälfte des Verzinsungs- und Tilgungsaufwandes tragen müsse! Das Stau¬
nen und die Mißstimmung der Abgeordneten war groß, dennoch willigte der
Landtag schließlich ein. Er hatte sich auf den, wie uns scheint, irrigen
Standpunkt drängen lassen, daß die Ueberlassung des halben Reinertrags an
die beiderseitigen Staatskassen ein mit Dank zu acceptirendes Geschenk des
Herzogs sei, während die Theilung der Revenuen zwischen Fürst und Land
aus der Thatsache, daß die Krone Preußen den Wald als integrirenden
Bestandtheil des Domänenfiscus abgetreten hatte, nach dem be¬
stehenden Verfassungsrechte von selbst folgte. Nicht bei sein Herzog Ernst,
sondern bei dem König Wilhelm hatte sich der Landtag für die Zu¬
wendung zu bedanken; das onus aber, mit welchem nach dem Wille" Preußens
der Wald in das Domänenvermögen übergehen sollte, bestand nur in der
Höhe der Kriegsschäden, nicht auch noch in einer gleich großen Zahlung
an des Herzogs Privatkasse.

Der ganze Sachverhalt gewährt einen Einblick in die Gewandtheit, mit
welcher Herzog Ernst und seine Finanzmänner zu rechnen wissen, läßt
aber auch einiger Maßen die Comp licirtheit unserer staatsrecht¬
lichen Verhältnisse ahnen. Am 1. December 1874 wurde in Gotha das
2S jährige Amtsjubiläum des Staatsministers von Seebach gefeiert und
dem Jubilar reiche Anerkennung für vielfache Verdienste um Fürst und Land


Regierung bleibt, nach zwei gleichen Hälften zwischen der Schatulle
des Fürsten und den beiden Landeskassen zur Vertheilung kommen
sollen. Dabei beruht es auf des Herzogs freier Entschließung, daß die Länder
sich in ihre Revenuenhälfte ebenfalls gleichheitlich zu theilen haben, nicht
nach dem Verhältniß von 3 zu 7, welches staatsgrundgesetzlich für die gemein¬
samen Einnahmen und Ausgaben maßgebend ist. In Gotha sprach man
deshalb eine Zeit lang nicht ohne Grund von einer Begünstigung Coburgs;
der Herzog aber ließ im Landtage erklären, die Gleichmäßigkeit der Vertheilung
des Geschenks sei eine Folge seiner gleichen landesväterlichen Gesinnung und
— die Verstimmung zog sich vor dieser geschickten Redewendung loyal zurück.

Die ganze Angelegenheit zeigte indessen noch eine andere interessante
Seite. Zur Bestreitung der Kriegskostenentschädigung mußte ein, aus den
Erträgnissen des neuerworbenen Waldgebietes zu verzinsendes und zu tilgen¬
des Dar lehr aufgenommen werden. Der Landtag, welcher in die Ver¬
pfändung des Waldes bis zur Höhe von 110,000 Thlr. willigen sollte,
wünschte einen Nachweis über die mit dieser Summe zu leistenden Ausgaben.
NicIt ohne Zögern wurde darauf der Commission die Eröffnung gemacht,
daß zur Vergütung der Kriegsschäden allerdings nur ungefähr die Hälfte
des erwähnten Kapitalbetrags erforderlich, die andere Hälfte aber — für
den Herzog bestimmt sei, dessen Revenuenantheil ja thatsächlich auch die
Hälfte des Verzinsungs- und Tilgungsaufwandes tragen müsse! Das Stau¬
nen und die Mißstimmung der Abgeordneten war groß, dennoch willigte der
Landtag schließlich ein. Er hatte sich auf den, wie uns scheint, irrigen
Standpunkt drängen lassen, daß die Ueberlassung des halben Reinertrags an
die beiderseitigen Staatskassen ein mit Dank zu acceptirendes Geschenk des
Herzogs sei, während die Theilung der Revenuen zwischen Fürst und Land
aus der Thatsache, daß die Krone Preußen den Wald als integrirenden
Bestandtheil des Domänenfiscus abgetreten hatte, nach dem be¬
stehenden Verfassungsrechte von selbst folgte. Nicht bei sein Herzog Ernst,
sondern bei dem König Wilhelm hatte sich der Landtag für die Zu¬
wendung zu bedanken; das onus aber, mit welchem nach dem Wille« Preußens
der Wald in das Domänenvermögen übergehen sollte, bestand nur in der
Höhe der Kriegsschäden, nicht auch noch in einer gleich großen Zahlung
an des Herzogs Privatkasse.

Der ganze Sachverhalt gewährt einen Einblick in die Gewandtheit, mit
welcher Herzog Ernst und seine Finanzmänner zu rechnen wissen, läßt
aber auch einiger Maßen die Comp licirtheit unserer staatsrecht¬
lichen Verhältnisse ahnen. Am 1. December 1874 wurde in Gotha das
2S jährige Amtsjubiläum des Staatsministers von Seebach gefeiert und
dem Jubilar reiche Anerkennung für vielfache Verdienste um Fürst und Land


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/119>, abgerufen am 28.09.2024.