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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Aufgabe jener ernsten Zeit hielt. Die bayerischen Bauern hatten auch kein
Verlangen darnach, coburgisch zu werden; es wäre dies in ihren Augen eine
eaMis clöminutio gewesen: "den Schimpf wird man uns doch nicht anthun,
daß man uns herzoglich macht!" rief in stolzem Selbstgefühl ein "könig¬
licher Unterthan."

Ueber die Schenkung des Schmalkaldener Waldes ist viel Mi߬
liebiges gesprochen und geschrieben worden, den eigentlichen Sachverhalt aber
kennen die Wenigsten. Es handelt sich nicht ganz ausschließlich um eine
Liberalität zu Gunsten des Herzogs, sondern zum Theil auch um eine Ent¬
schädigung seiner beiden Länder und ihrer Bewohner für die
Opfer und Lasten des Kriegs. Stadt und Land Gotha hatten
namentlich infolge der Begebenheiten bei Langensalza von Durchmärschen und
Einquartierungen stark gelitten, Coburg aber war längere Zeit von den
Bayern besetzt, die es an Contributionserhebungen nicht hatten fehlen lassen.
Den beiderseitigen Landesangehörigen hätte auf Kosten der Besiegten
volle Schadloshaltung gebührt, allein Preußen nahm bei den Friedensschlüssen
die Kriegsentschädigungsgelder für sich allein in Anspruch, wodurch ihm die
Verpflichtung entstand, seinem treuen Bundesgenossen selbst gerecht zu werden.
Die Erfüllung dieser Obliegenheit hängt eng mit dem Schmalkaldener Wald¬
geschäfte zusammen; denn der Herzog erhielt und übernahm dabei
ausdrücklich die Verbindlichkeit, seinen Staatsangehörigen
die geh adler Kriegskosten zu ersetzen. Immerhin war die Dotation
eine sehr werthvolle: der Wald soll, wenn er auch vorerst noch nicht die ent¬
sprechende Rente liefert, doch nahezu ein Kapital von einer Million Thaler
repräsentiren, während die Entschädigungsgelder Alles in Allem nur auf rund
55.000 Thaler berechnet worden sind. Für einen Ntmrod, wie Herzog Ernst
ist, hat außerdem noch der bedeutende Zuwachs an schönem Jagdgebiete einen
unnennbaren Affectionswerth.

Die Annahme eines solchen Geschenks wurde dem Herzog in seiner
Stellung als souveräner Fürst dadurch etwas erleichtert, daß man ihm den
Wald nach einer ausdrücklichen Bestimmung des Abtretungsvertrags als
integrirenden Bestandtheil des Domänenguts übergab, welches
letztere in beiden Ländern unbestritten die Eigenschaft eines fideieommisfarischen
Privateigenthums des herzoglichen Gesammthauses hat, jedoch mit der
Beschränkung, daß die Hälfte des Reinertrags, so lange das
herzoglicheHausregiert, indieStaatskasse fließt. Der Herzog
hat also an seinen Agnaten und in gewissem Sinne an den von ihm
regierten beiden Fürstenthümern Mitempfänger der Dotation. In
der That wurde sofort durch ein Gesetz angeordnet, daß die Revenuen des
Schmalkaldener Waldes, so lange das herzogliche Haus an der


Aufgabe jener ernsten Zeit hielt. Die bayerischen Bauern hatten auch kein
Verlangen darnach, coburgisch zu werden; es wäre dies in ihren Augen eine
eaMis clöminutio gewesen: „den Schimpf wird man uns doch nicht anthun,
daß man uns herzoglich macht!" rief in stolzem Selbstgefühl ein „könig¬
licher Unterthan."

Ueber die Schenkung des Schmalkaldener Waldes ist viel Mi߬
liebiges gesprochen und geschrieben worden, den eigentlichen Sachverhalt aber
kennen die Wenigsten. Es handelt sich nicht ganz ausschließlich um eine
Liberalität zu Gunsten des Herzogs, sondern zum Theil auch um eine Ent¬
schädigung seiner beiden Länder und ihrer Bewohner für die
Opfer und Lasten des Kriegs. Stadt und Land Gotha hatten
namentlich infolge der Begebenheiten bei Langensalza von Durchmärschen und
Einquartierungen stark gelitten, Coburg aber war längere Zeit von den
Bayern besetzt, die es an Contributionserhebungen nicht hatten fehlen lassen.
Den beiderseitigen Landesangehörigen hätte auf Kosten der Besiegten
volle Schadloshaltung gebührt, allein Preußen nahm bei den Friedensschlüssen
die Kriegsentschädigungsgelder für sich allein in Anspruch, wodurch ihm die
Verpflichtung entstand, seinem treuen Bundesgenossen selbst gerecht zu werden.
Die Erfüllung dieser Obliegenheit hängt eng mit dem Schmalkaldener Wald¬
geschäfte zusammen; denn der Herzog erhielt und übernahm dabei
ausdrücklich die Verbindlichkeit, seinen Staatsangehörigen
die geh adler Kriegskosten zu ersetzen. Immerhin war die Dotation
eine sehr werthvolle: der Wald soll, wenn er auch vorerst noch nicht die ent¬
sprechende Rente liefert, doch nahezu ein Kapital von einer Million Thaler
repräsentiren, während die Entschädigungsgelder Alles in Allem nur auf rund
55.000 Thaler berechnet worden sind. Für einen Ntmrod, wie Herzog Ernst
ist, hat außerdem noch der bedeutende Zuwachs an schönem Jagdgebiete einen
unnennbaren Affectionswerth.

Die Annahme eines solchen Geschenks wurde dem Herzog in seiner
Stellung als souveräner Fürst dadurch etwas erleichtert, daß man ihm den
Wald nach einer ausdrücklichen Bestimmung des Abtretungsvertrags als
integrirenden Bestandtheil des Domänenguts übergab, welches
letztere in beiden Ländern unbestritten die Eigenschaft eines fideieommisfarischen
Privateigenthums des herzoglichen Gesammthauses hat, jedoch mit der
Beschränkung, daß die Hälfte des Reinertrags, so lange das
herzoglicheHausregiert, indieStaatskasse fließt. Der Herzog
hat also an seinen Agnaten und in gewissem Sinne an den von ihm
regierten beiden Fürstenthümern Mitempfänger der Dotation. In
der That wurde sofort durch ein Gesetz angeordnet, daß die Revenuen des
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/118>, abgerufen am 28.09.2024.