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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Es war also fast mitten in einem Aufruhr der Sachsen, daß Heinrich II.
starb und, da Heinrich kinderlos war, die Nothwendigkeit einer Neuwahl
unter allen Umständen an die deutschen Fürsten herantrat. Wie mußten sie
nun geneigt sein, ihr Wahlrecht geltend zu machen, da sie früher schon so er¬
picht darauf waren! Waren sie nahe daran gewesen, Otto III. vom Throne
zu stoßen, so hatten sie Heinrich II. vorher als ihres Gleichen gekannt. Weder
der Glanz höherer Geburt, durch welche die Ottonen doch von der Wiege an
den Verhältnissen der andern Fürsten entrückt gewesen waren, noch ein unbe-
zweifeltes Verdienst hatte Heinrich von vornherein ein entscheidendes Ueberge¬
wicht verheißen und am am allerwenigsten konnte ihn die ungewöhnliche, allem
Herkommen widersprechende Art, wie er die Krone gewonnen, empfehlen.

Daß nun der päpstliche Stuhl in Rom nicht sofort unmittelbar über den
erledigten Thron seines Heinrich's II. verfügen konnte, ist ein deutlicherer Be¬
weis als irgend ein anderer, daß weder er noch die Cluniacenser Kongregation
eben die Macht dazu besaß. Deshalb ist es nöthig, daß wir zuvörderst unser
Augenmerk auf die italischen Dinge richten.

In Rom war nach Benedict's VIII. Tode zunächst sein Bruder, eben noch
ein Laie, aber auch ein Graf von Tusculum gefolgt. Lange in der weltlichen
Verwaltung der Stadt unter dem Namen Romanus, "Herr aller Römer"
vermochte er, einzig daraus bedacht, sein Geschlecht in der gewonnenen Macht
zu schützen, durch reiche Geldspenden die Römer, ihn den Laien, auf den
päpstlichen Stuhl zu erheben und bestieg er dann denselben, nachdem er an
einem Tage durch alle geistlichen Würden hindurchgegangen zum Aergerniß
der Welt. Ein engherziger, beschränkter Mann, war er einer in Rom
erscheinenden Gesandtschaft von Konstantinopel gegenüber sogar bereit in
einem Bund mit den Griechen den Patriarchen von Konstantinopel als
seines Gleichen d. h. als allgemeinen Bischof der christlichen Kirche anzuer¬
kennen. Da war Alles, was mit Clugny zusammenhing namentlich, in der
äußersten Bewegung. Vorher zum ersten Römerzug des neugewählten Königs
Konrad II. 1026 erschien Abt Odilo von Clugny schweren Herzens bei Konrad,
da das Konzil zu Anse 1025, allen päpstlichen Privilegien zum Trotze, Clugny
wieder unter die Jurisdiction des Bischofs von MKcon gestellt hatte.

Bon einem solchen Papste, war also nichts für das Ziel der Dekretalen
zu erwarten.

Wer ward nun der neue König? Daß päpstliche Directive bei seiner
Wahl entschieden hätte, kann man nicht wohl annehmen. Thatsachen sind,
1) daß eine förmliche Wahl wie jemals, etwa zu Tribur, Forchheim, Fritzlar,
vorgenommen ward, diesmal wieder in der Nähe von Tribur, bei Oppenheim
am Rhein, genauer bei Camva. 2) Beständen zwei Wahlparteien, die sich
vielleicht eben wegen der Parteienscheidung auf Anverwandte des bisherigen


Grenzboten Hi. 187S. 14

Es war also fast mitten in einem Aufruhr der Sachsen, daß Heinrich II.
starb und, da Heinrich kinderlos war, die Nothwendigkeit einer Neuwahl
unter allen Umständen an die deutschen Fürsten herantrat. Wie mußten sie
nun geneigt sein, ihr Wahlrecht geltend zu machen, da sie früher schon so er¬
picht darauf waren! Waren sie nahe daran gewesen, Otto III. vom Throne
zu stoßen, so hatten sie Heinrich II. vorher als ihres Gleichen gekannt. Weder
der Glanz höherer Geburt, durch welche die Ottonen doch von der Wiege an
den Verhältnissen der andern Fürsten entrückt gewesen waren, noch ein unbe-
zweifeltes Verdienst hatte Heinrich von vornherein ein entscheidendes Ueberge¬
wicht verheißen und am am allerwenigsten konnte ihn die ungewöhnliche, allem
Herkommen widersprechende Art, wie er die Krone gewonnen, empfehlen.

Daß nun der päpstliche Stuhl in Rom nicht sofort unmittelbar über den
erledigten Thron seines Heinrich's II. verfügen konnte, ist ein deutlicherer Be¬
weis als irgend ein anderer, daß weder er noch die Cluniacenser Kongregation
eben die Macht dazu besaß. Deshalb ist es nöthig, daß wir zuvörderst unser
Augenmerk auf die italischen Dinge richten.

In Rom war nach Benedict's VIII. Tode zunächst sein Bruder, eben noch
ein Laie, aber auch ein Graf von Tusculum gefolgt. Lange in der weltlichen
Verwaltung der Stadt unter dem Namen Romanus, „Herr aller Römer"
vermochte er, einzig daraus bedacht, sein Geschlecht in der gewonnenen Macht
zu schützen, durch reiche Geldspenden die Römer, ihn den Laien, auf den
päpstlichen Stuhl zu erheben und bestieg er dann denselben, nachdem er an
einem Tage durch alle geistlichen Würden hindurchgegangen zum Aergerniß
der Welt. Ein engherziger, beschränkter Mann, war er einer in Rom
erscheinenden Gesandtschaft von Konstantinopel gegenüber sogar bereit in
einem Bund mit den Griechen den Patriarchen von Konstantinopel als
seines Gleichen d. h. als allgemeinen Bischof der christlichen Kirche anzuer¬
kennen. Da war Alles, was mit Clugny zusammenhing namentlich, in der
äußersten Bewegung. Vorher zum ersten Römerzug des neugewählten Königs
Konrad II. 1026 erschien Abt Odilo von Clugny schweren Herzens bei Konrad,
da das Konzil zu Anse 1025, allen päpstlichen Privilegien zum Trotze, Clugny
wieder unter die Jurisdiction des Bischofs von MKcon gestellt hatte.

Bon einem solchen Papste, war also nichts für das Ziel der Dekretalen
zu erwarten.

Wer ward nun der neue König? Daß päpstliche Directive bei seiner
Wahl entschieden hätte, kann man nicht wohl annehmen. Thatsachen sind,
1) daß eine förmliche Wahl wie jemals, etwa zu Tribur, Forchheim, Fritzlar,
vorgenommen ward, diesmal wieder in der Nähe von Tribur, bei Oppenheim
am Rhein, genauer bei Camva. 2) Beständen zwei Wahlparteien, die sich
vielleicht eben wegen der Parteienscheidung auf Anverwandte des bisherigen


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[0113] Es war also fast mitten in einem Aufruhr der Sachsen, daß Heinrich II. starb und, da Heinrich kinderlos war, die Nothwendigkeit einer Neuwahl unter allen Umständen an die deutschen Fürsten herantrat. Wie mußten sie nun geneigt sein, ihr Wahlrecht geltend zu machen, da sie früher schon so er¬ picht darauf waren! Waren sie nahe daran gewesen, Otto III. vom Throne zu stoßen, so hatten sie Heinrich II. vorher als ihres Gleichen gekannt. Weder der Glanz höherer Geburt, durch welche die Ottonen doch von der Wiege an den Verhältnissen der andern Fürsten entrückt gewesen waren, noch ein unbe- zweifeltes Verdienst hatte Heinrich von vornherein ein entscheidendes Ueberge¬ wicht verheißen und am am allerwenigsten konnte ihn die ungewöhnliche, allem Herkommen widersprechende Art, wie er die Krone gewonnen, empfehlen. Daß nun der päpstliche Stuhl in Rom nicht sofort unmittelbar über den erledigten Thron seines Heinrich's II. verfügen konnte, ist ein deutlicherer Be¬ weis als irgend ein anderer, daß weder er noch die Cluniacenser Kongregation eben die Macht dazu besaß. Deshalb ist es nöthig, daß wir zuvörderst unser Augenmerk auf die italischen Dinge richten. In Rom war nach Benedict's VIII. Tode zunächst sein Bruder, eben noch ein Laie, aber auch ein Graf von Tusculum gefolgt. Lange in der weltlichen Verwaltung der Stadt unter dem Namen Romanus, „Herr aller Römer" vermochte er, einzig daraus bedacht, sein Geschlecht in der gewonnenen Macht zu schützen, durch reiche Geldspenden die Römer, ihn den Laien, auf den päpstlichen Stuhl zu erheben und bestieg er dann denselben, nachdem er an einem Tage durch alle geistlichen Würden hindurchgegangen zum Aergerniß der Welt. Ein engherziger, beschränkter Mann, war er einer in Rom erscheinenden Gesandtschaft von Konstantinopel gegenüber sogar bereit in einem Bund mit den Griechen den Patriarchen von Konstantinopel als seines Gleichen d. h. als allgemeinen Bischof der christlichen Kirche anzuer¬ kennen. Da war Alles, was mit Clugny zusammenhing namentlich, in der äußersten Bewegung. Vorher zum ersten Römerzug des neugewählten Königs Konrad II. 1026 erschien Abt Odilo von Clugny schweren Herzens bei Konrad, da das Konzil zu Anse 1025, allen päpstlichen Privilegien zum Trotze, Clugny wieder unter die Jurisdiction des Bischofs von MKcon gestellt hatte. Bon einem solchen Papste, war also nichts für das Ziel der Dekretalen zu erwarten. Wer ward nun der neue König? Daß päpstliche Directive bei seiner Wahl entschieden hätte, kann man nicht wohl annehmen. Thatsachen sind, 1) daß eine förmliche Wahl wie jemals, etwa zu Tribur, Forchheim, Fritzlar, vorgenommen ward, diesmal wieder in der Nähe von Tribur, bei Oppenheim am Rhein, genauer bei Camva. 2) Beständen zwei Wahlparteien, die sich vielleicht eben wegen der Parteienscheidung auf Anverwandte des bisherigen Grenzboten Hi. 187S. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/113>, abgerufen am 29.06.2024.