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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Reichsgebiet zwischen Elbe und Weser. "Heinrich II. war", sagt Sybel (Die
deutsche Nation u. f. w.) "nicht im Stande, den drohenden Aufschwung des
dänischen Reichs und die Unterjochung des befreundeten England durch König
Kanut zu hindern; er mußte dem polnischen Kriegsfürsten Boleslaw (und hier
rühren wir wieder an eine andere Gegend) nach langen Kämpfen Mähren und
die Lausitz und den herrschenden Einfluß im Slavenlande abtreten und einen
Frieden schließen (1018), nicht wie er sich ziemte, sondern wie er zu haben
war." In Italien behauptete sich 14 Jahre lang ein Gegenkönig; als er
den wiederholten Anstrengungen Heinrich's endlich erlag, nahm der Kaiser
den Versuch der Ottonen wieder auf, mußte aber nach solchen Verlusten, daß
er von 60,000 Mann nur ein kleines Gefolge zurückbrachte, auf Apulien und
Calabrien verzichten.

Dabei ist noch ganz besonders demüthigend für unser deutsches Reichs¬
wesen, daß die Mißerfolge Heinrich's Polen gegenüber gerade wieder ein vor¬
ausberechneter Gewinn der Papstkirche waren. Es ist früher bereits ange¬
merkt worden, daß Ungarn, welches zeitweise dem Reiche Unterthan geworden,
im Jahr 1000 nicht vom Kaiser, sondern vom Papste die Königskrone
erhielt, und wie Höfler*) auseinandersetzt, mit dem Eintreten dieses neuen
Königreichs in die Reihe der christlichen Reiche die Reihe eines päpst¬
lichen Staatensystems eröffnet wurde, welchem im 11. Jahrhundert
auch Polen als Königreich hinzutrat. Es ist kein Wunder, wenn der Kirche
nichts daran lag, daß der vielgerühmte und geliebte Bruder Kaiser dem päpst¬
lichen König in Polen nicht nur nichts abzuringen vermochte sondern sogar
an ihn verlor. Als die Kirche Heinrich viel nöthiger in Italien gebrauchte
als auf einem Kriegszuge gegen Polen, wurde schon 1013 Hals über Kopf
mit Polen Frieden gemacht, damit Heinrich dem die Reform anstrebenden
Papste Benedikt VIII. (es waren 2 Gegenpäpste, wie schon angedeutet ward
da: Gregor aus der Partei der Crescentier und Benedikt VIII., ein Graf
von Tusculum) behülflich sein konnte; es war eben der Zeitpunkt, zu
dem auch Odilo von Clugny 1014 auf dem Römerzuge Heinrich's sich diesem
zugesellte.



*) Höfler, die avignonesischen Päpste, ihre Machtfülle und Untergang. Wien, K. Hof-
und Staatsbuchdruckcrei 1871. Aus der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften S. 8. Pole"
folgten dann noch viele andere: Croatien schon 1076, Halitsch, Serbien, Bulgarien, Sicilien,
Portugal, Schottland, Norwegen u. s. w. Was dies zu bedeuten, daß der Papst keinen andern
als dem deutschen Reich widrigen Zweck bei der Gründung solcher päpstlichen Kronen hatte,
ergiebt sich z. B. aus der Thatsache daß als I29et König Rudolf (v. Habsburg) feinem Sohne
Ungarn als Lehen gab, Papst Nikolaus IV., der den König anfangs selbst aufgefordert hatte,
sich des zerrütteten Landes anzunehmen, jetzt auch von Lehensherrlichkeit sprach, weil Ungarn
vormals durch den päpstlichen Stuhl zum christlichen Glauben gebracht worden sei.

andern Seite schädigten unter Heinrich II. erfolgreiche Einfälle der Dänen das
Reichsgebiet zwischen Elbe und Weser. „Heinrich II. war", sagt Sybel (Die
deutsche Nation u. f. w.) „nicht im Stande, den drohenden Aufschwung des
dänischen Reichs und die Unterjochung des befreundeten England durch König
Kanut zu hindern; er mußte dem polnischen Kriegsfürsten Boleslaw (und hier
rühren wir wieder an eine andere Gegend) nach langen Kämpfen Mähren und
die Lausitz und den herrschenden Einfluß im Slavenlande abtreten und einen
Frieden schließen (1018), nicht wie er sich ziemte, sondern wie er zu haben
war." In Italien behauptete sich 14 Jahre lang ein Gegenkönig; als er
den wiederholten Anstrengungen Heinrich's endlich erlag, nahm der Kaiser
den Versuch der Ottonen wieder auf, mußte aber nach solchen Verlusten, daß
er von 60,000 Mann nur ein kleines Gefolge zurückbrachte, auf Apulien und
Calabrien verzichten.

Dabei ist noch ganz besonders demüthigend für unser deutsches Reichs¬
wesen, daß die Mißerfolge Heinrich's Polen gegenüber gerade wieder ein vor¬
ausberechneter Gewinn der Papstkirche waren. Es ist früher bereits ange¬
merkt worden, daß Ungarn, welches zeitweise dem Reiche Unterthan geworden,
im Jahr 1000 nicht vom Kaiser, sondern vom Papste die Königskrone
erhielt, und wie Höfler*) auseinandersetzt, mit dem Eintreten dieses neuen
Königreichs in die Reihe der christlichen Reiche die Reihe eines päpst¬
lichen Staatensystems eröffnet wurde, welchem im 11. Jahrhundert
auch Polen als Königreich hinzutrat. Es ist kein Wunder, wenn der Kirche
nichts daran lag, daß der vielgerühmte und geliebte Bruder Kaiser dem päpst¬
lichen König in Polen nicht nur nichts abzuringen vermochte sondern sogar
an ihn verlor. Als die Kirche Heinrich viel nöthiger in Italien gebrauchte
als auf einem Kriegszuge gegen Polen, wurde schon 1013 Hals über Kopf
mit Polen Frieden gemacht, damit Heinrich dem die Reform anstrebenden
Papste Benedikt VIII. (es waren 2 Gegenpäpste, wie schon angedeutet ward
da: Gregor aus der Partei der Crescentier und Benedikt VIII., ein Graf
von Tusculum) behülflich sein konnte; es war eben der Zeitpunkt, zu
dem auch Odilo von Clugny 1014 auf dem Römerzuge Heinrich's sich diesem
zugesellte.



*) Höfler, die avignonesischen Päpste, ihre Machtfülle und Untergang. Wien, K. Hof-
und Staatsbuchdruckcrei 1871. Aus der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften S. 8. Pole»
folgten dann noch viele andere: Croatien schon 1076, Halitsch, Serbien, Bulgarien, Sicilien,
Portugal, Schottland, Norwegen u. s. w. Was dies zu bedeuten, daß der Papst keinen andern
als dem deutschen Reich widrigen Zweck bei der Gründung solcher päpstlichen Kronen hatte,
ergiebt sich z. B. aus der Thatsache daß als I29et König Rudolf (v. Habsburg) feinem Sohne
Ungarn als Lehen gab, Papst Nikolaus IV., der den König anfangs selbst aufgefordert hatte,
sich des zerrütteten Landes anzunehmen, jetzt auch von Lehensherrlichkeit sprach, weil Ungarn
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[0112] andern Seite schädigten unter Heinrich II. erfolgreiche Einfälle der Dänen das Reichsgebiet zwischen Elbe und Weser. „Heinrich II. war", sagt Sybel (Die deutsche Nation u. f. w.) „nicht im Stande, den drohenden Aufschwung des dänischen Reichs und die Unterjochung des befreundeten England durch König Kanut zu hindern; er mußte dem polnischen Kriegsfürsten Boleslaw (und hier rühren wir wieder an eine andere Gegend) nach langen Kämpfen Mähren und die Lausitz und den herrschenden Einfluß im Slavenlande abtreten und einen Frieden schließen (1018), nicht wie er sich ziemte, sondern wie er zu haben war." In Italien behauptete sich 14 Jahre lang ein Gegenkönig; als er den wiederholten Anstrengungen Heinrich's endlich erlag, nahm der Kaiser den Versuch der Ottonen wieder auf, mußte aber nach solchen Verlusten, daß er von 60,000 Mann nur ein kleines Gefolge zurückbrachte, auf Apulien und Calabrien verzichten. Dabei ist noch ganz besonders demüthigend für unser deutsches Reichs¬ wesen, daß die Mißerfolge Heinrich's Polen gegenüber gerade wieder ein vor¬ ausberechneter Gewinn der Papstkirche waren. Es ist früher bereits ange¬ merkt worden, daß Ungarn, welches zeitweise dem Reiche Unterthan geworden, im Jahr 1000 nicht vom Kaiser, sondern vom Papste die Königskrone erhielt, und wie Höfler*) auseinandersetzt, mit dem Eintreten dieses neuen Königreichs in die Reihe der christlichen Reiche die Reihe eines päpst¬ lichen Staatensystems eröffnet wurde, welchem im 11. Jahrhundert auch Polen als Königreich hinzutrat. Es ist kein Wunder, wenn der Kirche nichts daran lag, daß der vielgerühmte und geliebte Bruder Kaiser dem päpst¬ lichen König in Polen nicht nur nichts abzuringen vermochte sondern sogar an ihn verlor. Als die Kirche Heinrich viel nöthiger in Italien gebrauchte als auf einem Kriegszuge gegen Polen, wurde schon 1013 Hals über Kopf mit Polen Frieden gemacht, damit Heinrich dem die Reform anstrebenden Papste Benedikt VIII. (es waren 2 Gegenpäpste, wie schon angedeutet ward da: Gregor aus der Partei der Crescentier und Benedikt VIII., ein Graf von Tusculum) behülflich sein konnte; es war eben der Zeitpunkt, zu dem auch Odilo von Clugny 1014 auf dem Römerzuge Heinrich's sich diesem zugesellte. *) Höfler, die avignonesischen Päpste, ihre Machtfülle und Untergang. Wien, K. Hof- und Staatsbuchdruckcrei 1871. Aus der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften S. 8. Pole» folgten dann noch viele andere: Croatien schon 1076, Halitsch, Serbien, Bulgarien, Sicilien, Portugal, Schottland, Norwegen u. s. w. Was dies zu bedeuten, daß der Papst keinen andern als dem deutschen Reich widrigen Zweck bei der Gründung solcher päpstlichen Kronen hatte, ergiebt sich z. B. aus der Thatsache daß als I29et König Rudolf (v. Habsburg) feinem Sohne Ungarn als Lehen gab, Papst Nikolaus IV., der den König anfangs selbst aufgefordert hatte, sich des zerrütteten Landes anzunehmen, jetzt auch von Lehensherrlichkeit sprach, weil Ungarn vormals durch den päpstlichen Stuhl zum christlichen Glauben gebracht worden sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/112>, abgerufen am 29.06.2024.