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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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war, als hinter den Mauern des Klosters. Seine Rathgeber haben seine Ein¬
siedlerabsichten denn auch hintertrieben.

Unter so bewandten Umständen ist es auch erklärlich, wenn von diesem
Cleriker auf dem Throne nach seinem Ableben ein Geistlicher jener Zeit schreibt:
"Die Blüthe der Menschheit, der Preis der Könige, der Glanz des Kaiser-
thums, der Leiter der Kirche Gottes, der friedfertige Vorkämpfer der Christen¬
heit ist dahin, unser Kaiser Heinrich" -- und ein Bußgedicht jener Zeit sagte:
"Es weine Europa, denn es hat sein Haupt verloren. Rom weine, es ent¬
behrt seinen Schußvogt. Es beklage die ganze Welt den zweiten Heinrich, der
die Christenheit schützte, die Friedensstörer vernichtete und aller Willkür ent¬
gegentrat."




Die Kirche hat Heinrich II. ohnstreitig nach seinen Kräften hochgehalten ;
aber Alles konnte er doch auch nicht für sie leisten. Das zeigt schon der Zu¬
stand des deutschen Reiches zur Zeit des Todes Heinrich's.

Kurz vor diesem Ende war eine gewaltige Erhebung der weltlichen Fürsten
in" Sachsen gegen die durch Heinrich's Begünstigung immer mächtiger und
anspruchsvoller werdenden Bischöfe gewesen. Der Bischof von Münster lag
in Fehde mit dem Grafen von Werk, der Bischof von Bremen und der von
Paderborn (Jmmedinger) in Fehde gegen die Billunger (Herzöge). Es war
ein Zustand, von dem Thietmar von Merseburg sprach, es war, als gäbe es
gar keinen König und Kaiser im Lande. Verräther riefen stets aufs Neue
deshalb äußere Verwickelungen hervor, um den Kaiser an der Herstellung des Land¬
friedens zu hindern. Es war eben der Zustand, in welchem bei den heidnischen Wa-
griern, Abodriten, Liutizen, mit der Zustimmung des "Schützers der Christen¬
heit, des Kaisers Heinrich, des friedfertigen Vorkämpfers der Christenheit, des
Vaters der Kirche Gottes" das Christenthum geschädigt wurde, um der
Macht des christlichen Herzogs in Sachsen zu schaden. Waren schon unter
Otto III. die Bisthümer Brandenburg und Havelberg wieder an die Wenden ver¬
loren gegangen und der Krieg, den Otto 991 -- 996 gegen die Heiden an¬
strengte so erfolglos gewesen, daß erst 1134 Albrecht der Bär Brandenburg
?c zurückgewann, machten die Streitigkeiten zwischen Mainz und Hildesheim
um Gandersheim dann die Sache noch schlimmer, so kam mit der Ermordung
Eckart's von Meißen, welche Heinrich's Betheiligung damals schon zugeschrieben
ward, nicht blos hinzu, daß dieser tapfere Vorkämpfer deutschen Wesens
in jenen Marken des Ostens auch weiter südlich ausfiel, sondern auch noch
daß Heinrich den Liutizen das Heidenthum mit der Erlaubniß blutiger Opfer
ließ, damit sie ihm als. Feinde der Sachsen beistanden, ja Heinrich führte die
heidnischen Liutizen selbst wider den Bischof von Metz. Nordwärts auf der


war, als hinter den Mauern des Klosters. Seine Rathgeber haben seine Ein¬
siedlerabsichten denn auch hintertrieben.

Unter so bewandten Umständen ist es auch erklärlich, wenn von diesem
Cleriker auf dem Throne nach seinem Ableben ein Geistlicher jener Zeit schreibt:
„Die Blüthe der Menschheit, der Preis der Könige, der Glanz des Kaiser-
thums, der Leiter der Kirche Gottes, der friedfertige Vorkämpfer der Christen¬
heit ist dahin, unser Kaiser Heinrich" — und ein Bußgedicht jener Zeit sagte:
„Es weine Europa, denn es hat sein Haupt verloren. Rom weine, es ent¬
behrt seinen Schußvogt. Es beklage die ganze Welt den zweiten Heinrich, der
die Christenheit schützte, die Friedensstörer vernichtete und aller Willkür ent¬
gegentrat."




Die Kirche hat Heinrich II. ohnstreitig nach seinen Kräften hochgehalten ;
aber Alles konnte er doch auch nicht für sie leisten. Das zeigt schon der Zu¬
stand des deutschen Reiches zur Zeit des Todes Heinrich's.

Kurz vor diesem Ende war eine gewaltige Erhebung der weltlichen Fürsten
in» Sachsen gegen die durch Heinrich's Begünstigung immer mächtiger und
anspruchsvoller werdenden Bischöfe gewesen. Der Bischof von Münster lag
in Fehde mit dem Grafen von Werk, der Bischof von Bremen und der von
Paderborn (Jmmedinger) in Fehde gegen die Billunger (Herzöge). Es war
ein Zustand, von dem Thietmar von Merseburg sprach, es war, als gäbe es
gar keinen König und Kaiser im Lande. Verräther riefen stets aufs Neue
deshalb äußere Verwickelungen hervor, um den Kaiser an der Herstellung des Land¬
friedens zu hindern. Es war eben der Zustand, in welchem bei den heidnischen Wa-
griern, Abodriten, Liutizen, mit der Zustimmung des „Schützers der Christen¬
heit, des Kaisers Heinrich, des friedfertigen Vorkämpfers der Christenheit, des
Vaters der Kirche Gottes" das Christenthum geschädigt wurde, um der
Macht des christlichen Herzogs in Sachsen zu schaden. Waren schon unter
Otto III. die Bisthümer Brandenburg und Havelberg wieder an die Wenden ver¬
loren gegangen und der Krieg, den Otto 991 — 996 gegen die Heiden an¬
strengte so erfolglos gewesen, daß erst 1134 Albrecht der Bär Brandenburg
?c zurückgewann, machten die Streitigkeiten zwischen Mainz und Hildesheim
um Gandersheim dann die Sache noch schlimmer, so kam mit der Ermordung
Eckart's von Meißen, welche Heinrich's Betheiligung damals schon zugeschrieben
ward, nicht blos hinzu, daß dieser tapfere Vorkämpfer deutschen Wesens
in jenen Marken des Ostens auch weiter südlich ausfiel, sondern auch noch
daß Heinrich den Liutizen das Heidenthum mit der Erlaubniß blutiger Opfer
ließ, damit sie ihm als. Feinde der Sachsen beistanden, ja Heinrich führte die
heidnischen Liutizen selbst wider den Bischof von Metz. Nordwärts auf der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/111>, abgerufen am 29.06.2024.