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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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ziehung seiner Aufnahme von Selten der Studentenschaft zu bitten. Ein Be¬
kannter jenes Landsmannes diente bei der Feierlichkeit als Gehülfe. Die
Sprache war das Küchenlatein, welches damals auf den Hochschulen allgemein
nicht blos die Unterrichts-, sondern auch die Umgangssprache war. Der Fuchs
saß, wenn das Schauspiel beginnen wollte, abenteuerlich und ungeheuerlich
verlarvt und vermummt in einem Winkel.

Der Reiniger eröffnet den ersten Act damit, daß er sich über den fürchter¬
lichen Gestank beklagt, der in der Stube herrsche, und meint, es müsse "ein
faulender Leichnam^. hier sein oder "ein Bock, das unsauberste der Thiere." Er
will, da das nicht auszuhalten, sofort wieder weggehen. Sein Gehülfe aber
bittet ihn, zu warten und nachzusehen, was die Ursache dieser Beleidigung
seiner Geruchsnerven sein möge. Sie suchen umher und finden endlich den
Fuchs in seiner Ecke.

Der Reiniger: "Holla, was ist das für ein Ungethüm? .... Dieses
Vieh trägt Hörner, hat Ohren wie ein Ochs, aus beiden Kinnladen stehen ihm
Zähne heraus, mit denen es wie ein Wildschwein zu hauen droht. Die Nase,
krumm wie ein Entenschnabel, die rothen Triefaugen verrathen grimme Wuth.
Wehe dem, den es packt! . . . Drücken wir uns, daß es nicht einen Angriff
auf uns macht."

Der Gehülfe: "Aber besehen will ich mir es doch, wenn ich dabei
auch Gefahr laufe. Was meinst Du wohl dazu, ich glaube wahrhaftig,
's ist ein Beanus."

Nach einigen Zwischenreden spricht der Gehülfe den Candidaten an und
läßt sich von ihm die Hand reichen. Aber sogleich ruft er erschrocken aus:
"Ach Du Galgenstrick, kommst Du, mich mit Deinen Krallen zu kratzen?
Ich lasse Dich nicht heran, ich wäre denn vom Kopfe bis zu den Füßen ge¬
harnischt. . . . Was bleibst Du sitzen, Waldesel? Siehst Du denn nicht, daß
hier Magister zugegen sind, verehrungswürdige Männer, vor denen man aus¬
zustehen hat? O guter Gott, wie ein steifer Klotz steht er da und fürchtet
sich nicht, obwohl Aller Augen auf ihn gerichtet sind!"

Der Reiniger: "Wie kannst Du ihn nur so erschrecken? Ich leid'
es nicht länger, weil er mein Landsmann ist. (Zum Candidaten gewendet.)
Sei guten Muthes. Ich werde Dir beistehen und Dich vertheidigen. Nimm
dieses Glas und trinke. ... El Du dummer Teufel, scheust Du Dich nicht,
das Glas anzurühren? In diesen Becher, aus welchem so große Gelehrte
wie Deine Magister getrunken haben, willst Du Deinen Schnabel dünken, der
giftiger als der des Basilisken ist? Dir gebührt, Wasser zu saufen und zwar
schmutziges an den Bächen mit dem Vieh. Dorthinein stecke Du wie ein
Vierfuß Dein plumpes Maul, stille Deine Gier, und wie ein von langem
Laufe müde gewordener Gaul ziehe mit keuchenden Lefzen das Wasser ein."


ziehung seiner Aufnahme von Selten der Studentenschaft zu bitten. Ein Be¬
kannter jenes Landsmannes diente bei der Feierlichkeit als Gehülfe. Die
Sprache war das Küchenlatein, welches damals auf den Hochschulen allgemein
nicht blos die Unterrichts-, sondern auch die Umgangssprache war. Der Fuchs
saß, wenn das Schauspiel beginnen wollte, abenteuerlich und ungeheuerlich
verlarvt und vermummt in einem Winkel.

Der Reiniger eröffnet den ersten Act damit, daß er sich über den fürchter¬
lichen Gestank beklagt, der in der Stube herrsche, und meint, es müsse „ein
faulender Leichnam^. hier sein oder „ein Bock, das unsauberste der Thiere." Er
will, da das nicht auszuhalten, sofort wieder weggehen. Sein Gehülfe aber
bittet ihn, zu warten und nachzusehen, was die Ursache dieser Beleidigung
seiner Geruchsnerven sein möge. Sie suchen umher und finden endlich den
Fuchs in seiner Ecke.

Der Reiniger: „Holla, was ist das für ein Ungethüm? .... Dieses
Vieh trägt Hörner, hat Ohren wie ein Ochs, aus beiden Kinnladen stehen ihm
Zähne heraus, mit denen es wie ein Wildschwein zu hauen droht. Die Nase,
krumm wie ein Entenschnabel, die rothen Triefaugen verrathen grimme Wuth.
Wehe dem, den es packt! . . . Drücken wir uns, daß es nicht einen Angriff
auf uns macht."

Der Gehülfe: „Aber besehen will ich mir es doch, wenn ich dabei
auch Gefahr laufe. Was meinst Du wohl dazu, ich glaube wahrhaftig,
's ist ein Beanus."

Nach einigen Zwischenreden spricht der Gehülfe den Candidaten an und
läßt sich von ihm die Hand reichen. Aber sogleich ruft er erschrocken aus:
„Ach Du Galgenstrick, kommst Du, mich mit Deinen Krallen zu kratzen?
Ich lasse Dich nicht heran, ich wäre denn vom Kopfe bis zu den Füßen ge¬
harnischt. . . . Was bleibst Du sitzen, Waldesel? Siehst Du denn nicht, daß
hier Magister zugegen sind, verehrungswürdige Männer, vor denen man aus¬
zustehen hat? O guter Gott, wie ein steifer Klotz steht er da und fürchtet
sich nicht, obwohl Aller Augen auf ihn gerichtet sind!"

Der Reiniger: „Wie kannst Du ihn nur so erschrecken? Ich leid'
es nicht länger, weil er mein Landsmann ist. (Zum Candidaten gewendet.)
Sei guten Muthes. Ich werde Dir beistehen und Dich vertheidigen. Nimm
dieses Glas und trinke. ... El Du dummer Teufel, scheust Du Dich nicht,
das Glas anzurühren? In diesen Becher, aus welchem so große Gelehrte
wie Deine Magister getrunken haben, willst Du Deinen Schnabel dünken, der
giftiger als der des Basilisken ist? Dir gebührt, Wasser zu saufen und zwar
schmutziges an den Bächen mit dem Vieh. Dorthinein stecke Du wie ein
Vierfuß Dein plumpes Maul, stille Deine Gier, und wie ein von langem
Laufe müde gewordener Gaul ziehe mit keuchenden Lefzen das Wasser ein."


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[0102] ziehung seiner Aufnahme von Selten der Studentenschaft zu bitten. Ein Be¬ kannter jenes Landsmannes diente bei der Feierlichkeit als Gehülfe. Die Sprache war das Küchenlatein, welches damals auf den Hochschulen allgemein nicht blos die Unterrichts-, sondern auch die Umgangssprache war. Der Fuchs saß, wenn das Schauspiel beginnen wollte, abenteuerlich und ungeheuerlich verlarvt und vermummt in einem Winkel. Der Reiniger eröffnet den ersten Act damit, daß er sich über den fürchter¬ lichen Gestank beklagt, der in der Stube herrsche, und meint, es müsse „ein faulender Leichnam^. hier sein oder „ein Bock, das unsauberste der Thiere." Er will, da das nicht auszuhalten, sofort wieder weggehen. Sein Gehülfe aber bittet ihn, zu warten und nachzusehen, was die Ursache dieser Beleidigung seiner Geruchsnerven sein möge. Sie suchen umher und finden endlich den Fuchs in seiner Ecke. Der Reiniger: „Holla, was ist das für ein Ungethüm? .... Dieses Vieh trägt Hörner, hat Ohren wie ein Ochs, aus beiden Kinnladen stehen ihm Zähne heraus, mit denen es wie ein Wildschwein zu hauen droht. Die Nase, krumm wie ein Entenschnabel, die rothen Triefaugen verrathen grimme Wuth. Wehe dem, den es packt! . . . Drücken wir uns, daß es nicht einen Angriff auf uns macht." Der Gehülfe: „Aber besehen will ich mir es doch, wenn ich dabei auch Gefahr laufe. Was meinst Du wohl dazu, ich glaube wahrhaftig, 's ist ein Beanus." Nach einigen Zwischenreden spricht der Gehülfe den Candidaten an und läßt sich von ihm die Hand reichen. Aber sogleich ruft er erschrocken aus: „Ach Du Galgenstrick, kommst Du, mich mit Deinen Krallen zu kratzen? Ich lasse Dich nicht heran, ich wäre denn vom Kopfe bis zu den Füßen ge¬ harnischt. . . . Was bleibst Du sitzen, Waldesel? Siehst Du denn nicht, daß hier Magister zugegen sind, verehrungswürdige Männer, vor denen man aus¬ zustehen hat? O guter Gott, wie ein steifer Klotz steht er da und fürchtet sich nicht, obwohl Aller Augen auf ihn gerichtet sind!" Der Reiniger: „Wie kannst Du ihn nur so erschrecken? Ich leid' es nicht länger, weil er mein Landsmann ist. (Zum Candidaten gewendet.) Sei guten Muthes. Ich werde Dir beistehen und Dich vertheidigen. Nimm dieses Glas und trinke. ... El Du dummer Teufel, scheust Du Dich nicht, das Glas anzurühren? In diesen Becher, aus welchem so große Gelehrte wie Deine Magister getrunken haben, willst Du Deinen Schnabel dünken, der giftiger als der des Basilisken ist? Dir gebührt, Wasser zu saufen und zwar schmutziges an den Bächen mit dem Vieh. Dorthinein stecke Du wie ein Vierfuß Dein plumpes Maul, stille Deine Gier, und wie ein von langem Laufe müde gewordener Gaul ziehe mit keuchenden Lefzen das Wasser ein."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/102>, abgerufen am 28.09.2024.