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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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In diesem und schlimmeren Styl geht es noch eine Weile fort, und es
wird dem Beanus, während in dem Zwiegespräch zwischen Reiniger und
Gehülfen bald Mitleid, bald Ekel und Entrüstung über seinen rohen und
verwahrlosten Zustand die Oberhand gewinnen, aus das Gröbste und Gründ¬
lichste die Ueberzeugung beigebracht, daß er "ein Schatten des Nichts", daß
er der "Richtigste der nichtsnutze" ist. Endlich fragt der Reiniger den Ge¬
Hülsen: "Was sollen wir nun mit ihm anfangen?"

Der Gehülfe: "Vielerlei ist erforderlich. Denn ich merke wohl, er
kam mit der Absicht zu uns, von jener Mißgestalt befreit und dann in die
löbliche Zunft der Studenten aufgenommen zu werden. Ich glaube, das
Nächste, was wir zu thun haben, ist, daß wir einen Arzt holen. . . . Aber
da bist Du ja, berühmt und hochgelahrt in der Heilkunst, Du verstehst Dich
ja ganz trefflich darauf, wie man Strolchen und Verrückten die Hörner stutzt
und ihnen dann die Zähne ausreißt. Die Ohren kippen wir ihm, wie her¬
kömmlich, mit Messern. Später vertreiben wir ihm die Entzündung der Augen.
Mühe aber wird es kosten, ihm den langen fürchterlichen Bart zu scheeren.
Wenn Du daher eine recht scharfe Pflugschaar hast, aus Eichenholz gemacht,
so.wirst Du ihn sauber herausputzen. Alsdann bekenne er seine Sünden.
Endlich werde er von den verehrungswürdigen Magistern seines Mißgeruchs
entledigt und unsrer Gemeinschaft einverleibt."

Damit ist das Programm des Weiteren gegeben. Der Reiniger geht,
um seine Instrumente und Arzeneien zu holen. Sein GeHülse tröstet mittler¬
weile den Kandidaten, und zwar unter Anderm auch damit, daß man ihn,
falls ihn während der ihm bevorstehenden Operation eine Ohnmacht befallen
sollte, mit Pillen aus Nießwurz und Album Grannen zu stärken wissen werde.
Der Reiniger kommt mit einer aus ekelhaften Stoffen -- "Fett aus Bocks¬
bohnen, Fimo Virgineo und Blumen, die in der Mitternacht wachsen, wenn
die Bauern den Tag über tüchtig Meth gezecht haben" -- zubereiteten Salbe,
mit einer Säge, einer Zange zum Zahnausreißen, einer hölzernen Pflugschaar
und einem Priesterkragen wieder und geht nun mit seinem Gehülfen an die
Umwandlung des Candidaten aus einem abschreckenden Scheusal in einen
ordentlichen und wohlgesitteten Menschen. Zuerst sägt er ihm Ivie Hörner
ab, dann werden ihm mit der Zange die Eberhauer aufgedreht, worauf der
Gehülfe sagt: "Diese Zähne werde ich mir aufheben und bisweilen als Sehens¬
würdigkeiten ausstelle. Ich lasse mir dann von den Zuschauern Geld dafür
zahlen, wie die, welche Meerungeheuer zeigen." Darauf reibt man dem Bea¬
nus Kinn und Wangen mit Wasser ein, in welches Kräuter gethan sind, die
der Gehülfe "aus dem Garten, wo der Abtritt ausläuft," geholt haben will,
und das Barbieren mit der eichnen Pflugschaar beginnt. Nach Beendigung
dieser ebenfalls nicht behaglichen Procedur sagt der Reiniger zu dem so Gemiß-


In diesem und schlimmeren Styl geht es noch eine Weile fort, und es
wird dem Beanus, während in dem Zwiegespräch zwischen Reiniger und
Gehülfen bald Mitleid, bald Ekel und Entrüstung über seinen rohen und
verwahrlosten Zustand die Oberhand gewinnen, aus das Gröbste und Gründ¬
lichste die Ueberzeugung beigebracht, daß er „ein Schatten des Nichts", daß
er der „Richtigste der nichtsnutze" ist. Endlich fragt der Reiniger den Ge¬
Hülsen: „Was sollen wir nun mit ihm anfangen?"

Der Gehülfe: „Vielerlei ist erforderlich. Denn ich merke wohl, er
kam mit der Absicht zu uns, von jener Mißgestalt befreit und dann in die
löbliche Zunft der Studenten aufgenommen zu werden. Ich glaube, das
Nächste, was wir zu thun haben, ist, daß wir einen Arzt holen. . . . Aber
da bist Du ja, berühmt und hochgelahrt in der Heilkunst, Du verstehst Dich
ja ganz trefflich darauf, wie man Strolchen und Verrückten die Hörner stutzt
und ihnen dann die Zähne ausreißt. Die Ohren kippen wir ihm, wie her¬
kömmlich, mit Messern. Später vertreiben wir ihm die Entzündung der Augen.
Mühe aber wird es kosten, ihm den langen fürchterlichen Bart zu scheeren.
Wenn Du daher eine recht scharfe Pflugschaar hast, aus Eichenholz gemacht,
so.wirst Du ihn sauber herausputzen. Alsdann bekenne er seine Sünden.
Endlich werde er von den verehrungswürdigen Magistern seines Mißgeruchs
entledigt und unsrer Gemeinschaft einverleibt."

Damit ist das Programm des Weiteren gegeben. Der Reiniger geht,
um seine Instrumente und Arzeneien zu holen. Sein GeHülse tröstet mittler¬
weile den Kandidaten, und zwar unter Anderm auch damit, daß man ihn,
falls ihn während der ihm bevorstehenden Operation eine Ohnmacht befallen
sollte, mit Pillen aus Nießwurz und Album Grannen zu stärken wissen werde.
Der Reiniger kommt mit einer aus ekelhaften Stoffen — „Fett aus Bocks¬
bohnen, Fimo Virgineo und Blumen, die in der Mitternacht wachsen, wenn
die Bauern den Tag über tüchtig Meth gezecht haben" — zubereiteten Salbe,
mit einer Säge, einer Zange zum Zahnausreißen, einer hölzernen Pflugschaar
und einem Priesterkragen wieder und geht nun mit seinem Gehülfen an die
Umwandlung des Candidaten aus einem abschreckenden Scheusal in einen
ordentlichen und wohlgesitteten Menschen. Zuerst sägt er ihm Ivie Hörner
ab, dann werden ihm mit der Zange die Eberhauer aufgedreht, worauf der
Gehülfe sagt: „Diese Zähne werde ich mir aufheben und bisweilen als Sehens¬
würdigkeiten ausstelle. Ich lasse mir dann von den Zuschauern Geld dafür
zahlen, wie die, welche Meerungeheuer zeigen." Darauf reibt man dem Bea¬
nus Kinn und Wangen mit Wasser ein, in welches Kräuter gethan sind, die
der Gehülfe „aus dem Garten, wo der Abtritt ausläuft," geholt haben will,
und das Barbieren mit der eichnen Pflugschaar beginnt. Nach Beendigung
dieser ebenfalls nicht behaglichen Procedur sagt der Reiniger zu dem so Gemiß-


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[0103] In diesem und schlimmeren Styl geht es noch eine Weile fort, und es wird dem Beanus, während in dem Zwiegespräch zwischen Reiniger und Gehülfen bald Mitleid, bald Ekel und Entrüstung über seinen rohen und verwahrlosten Zustand die Oberhand gewinnen, aus das Gröbste und Gründ¬ lichste die Ueberzeugung beigebracht, daß er „ein Schatten des Nichts", daß er der „Richtigste der nichtsnutze" ist. Endlich fragt der Reiniger den Ge¬ Hülsen: „Was sollen wir nun mit ihm anfangen?" Der Gehülfe: „Vielerlei ist erforderlich. Denn ich merke wohl, er kam mit der Absicht zu uns, von jener Mißgestalt befreit und dann in die löbliche Zunft der Studenten aufgenommen zu werden. Ich glaube, das Nächste, was wir zu thun haben, ist, daß wir einen Arzt holen. . . . Aber da bist Du ja, berühmt und hochgelahrt in der Heilkunst, Du verstehst Dich ja ganz trefflich darauf, wie man Strolchen und Verrückten die Hörner stutzt und ihnen dann die Zähne ausreißt. Die Ohren kippen wir ihm, wie her¬ kömmlich, mit Messern. Später vertreiben wir ihm die Entzündung der Augen. Mühe aber wird es kosten, ihm den langen fürchterlichen Bart zu scheeren. Wenn Du daher eine recht scharfe Pflugschaar hast, aus Eichenholz gemacht, so.wirst Du ihn sauber herausputzen. Alsdann bekenne er seine Sünden. Endlich werde er von den verehrungswürdigen Magistern seines Mißgeruchs entledigt und unsrer Gemeinschaft einverleibt." Damit ist das Programm des Weiteren gegeben. Der Reiniger geht, um seine Instrumente und Arzeneien zu holen. Sein GeHülse tröstet mittler¬ weile den Kandidaten, und zwar unter Anderm auch damit, daß man ihn, falls ihn während der ihm bevorstehenden Operation eine Ohnmacht befallen sollte, mit Pillen aus Nießwurz und Album Grannen zu stärken wissen werde. Der Reiniger kommt mit einer aus ekelhaften Stoffen — „Fett aus Bocks¬ bohnen, Fimo Virgineo und Blumen, die in der Mitternacht wachsen, wenn die Bauern den Tag über tüchtig Meth gezecht haben" — zubereiteten Salbe, mit einer Säge, einer Zange zum Zahnausreißen, einer hölzernen Pflugschaar und einem Priesterkragen wieder und geht nun mit seinem Gehülfen an die Umwandlung des Candidaten aus einem abschreckenden Scheusal in einen ordentlichen und wohlgesitteten Menschen. Zuerst sägt er ihm Ivie Hörner ab, dann werden ihm mit der Zange die Eberhauer aufgedreht, worauf der Gehülfe sagt: „Diese Zähne werde ich mir aufheben und bisweilen als Sehens¬ würdigkeiten ausstelle. Ich lasse mir dann von den Zuschauern Geld dafür zahlen, wie die, welche Meerungeheuer zeigen." Darauf reibt man dem Bea¬ nus Kinn und Wangen mit Wasser ein, in welches Kräuter gethan sind, die der Gehülfe „aus dem Garten, wo der Abtritt ausläuft," geholt haben will, und das Barbieren mit der eichnen Pflugschaar beginnt. Nach Beendigung dieser ebenfalls nicht behaglichen Procedur sagt der Reiniger zu dem so Gemiß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/103>, abgerufen am 26.06.2024.