Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aber -- es bewilligt anstandslos sämmtliche auf der Tagesordnung stehende
Budget-Positionen." --

Die allgemeine Volkszählung am verflossenen 1. Dezember ist hier
in der größten Ruhe und Ordnung verlaufen. Die zahlreichen Fragen auf
den kleinen Zetteln haben zwar manches ungelehrte elsässische Bäuerlein in
nicht geringe Verlegenheit gebracht. Doch haben die Schulmeister und sonstige
Beamte der Verwaltung allerorts wacker aus solchen Verlegenheiten geholfen.
Für diejenigen Familien, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind,
waren besondere französische Formulare angefertigt. Anfangs argwöhnte man
zwar auch hier, daß hinter dieser Volkszählung noch ganz andere Dinge ver¬
steckt seien. Man sprach von Steuerschrauben, polizeilicher Spionage u. s. w.
Doch hat es sich die Regierung sorgsam angelegen sein lassen, diese Mißver¬
ständnisse zu klären. In einem der zu diesem Zwecke gedruckten und in die
einzelnen Gemeinden versandten Cirkulare ist darauf hingewiesen, daß solche
Volkszählungen ja gar nichts Neues, sondern schon zu alten Zeiten vorge¬
kommen seien. So habe beispielsweise, wie bekannt, der Kaiser Augustus zur
Zeit Christi Geburt eine allgemeine Volkszählung veranstaltet. Damals hätten
die Bürger des römischen Reichs ausruhen müssen von aller knechtlichen Arbeit,
wie an einem Sonntage. Das sei aber jetzt nicht mehr der Fall und Jeder
könne an dem Zählungstage ruhig seinem Tagewerk nachgehen. Der Casus
klingt allerdings etwas naiv und drollig. Ebenso nach Vieler Ansicht die
offizielle Frage auf dem Zettel, zu welcher "Religion" (soll heißen "Confession")
man sich eigentlich bekenne. Diese wenig salonmäßige Frage hat denn auch
hier, wie allerwärts, die sonderbarsten Resultate zu Tage gefördert. So meinte
eine gutmüthige Bäuerin aus dem Münsterthal dem amtlichen Zähler gegen¬
über: "Nun, man wird doch wohl katholisch sein!" Auf den französischen
Zetteln findet man vielfach diese Rubrik mit einem bedeutungsvollen . (point)
ausgefüllt. So wenig will man hier zu Lande von confessioneller Verschieden¬
heit wissen.*) -- Was die absolute Einwohnerzahl in den einzelnen elsässischen
Ortschaften anbelangt, so sind die Resultate darüber heute noch nicht bekannt
gegeben. Bezüglich Straß burgs hat man sich einigermaßen in den Vor¬
aussetzungen enttäuscht gefunden. Man glaubte anfänglich bestimmt, die
Seelenzahl werde dort die Ziffer 100,000 erreicht haben. Man hat aber nur
94.257 Seelen, einschließlich der ziemlich zahlreichen Garnison, constatirt.
Man sieht also, die offizielle Mache in dieser Hinsicht kann auch keine
Wunder thun.

Da ich gerade die Stastitik berühre, so will ich nicht verschweigen, daß
man in jüngster Zeit im Elsaß, wie fast allerwärts in Deutschland, über



') Od D. Red. er so coquettirt man in französ. Weise mit seiner Glaubenslosigkeit.

aber — es bewilligt anstandslos sämmtliche auf der Tagesordnung stehende
Budget-Positionen." —

Die allgemeine Volkszählung am verflossenen 1. Dezember ist hier
in der größten Ruhe und Ordnung verlaufen. Die zahlreichen Fragen auf
den kleinen Zetteln haben zwar manches ungelehrte elsässische Bäuerlein in
nicht geringe Verlegenheit gebracht. Doch haben die Schulmeister und sonstige
Beamte der Verwaltung allerorts wacker aus solchen Verlegenheiten geholfen.
Für diejenigen Familien, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind,
waren besondere französische Formulare angefertigt. Anfangs argwöhnte man
zwar auch hier, daß hinter dieser Volkszählung noch ganz andere Dinge ver¬
steckt seien. Man sprach von Steuerschrauben, polizeilicher Spionage u. s. w.
Doch hat es sich die Regierung sorgsam angelegen sein lassen, diese Mißver¬
ständnisse zu klären. In einem der zu diesem Zwecke gedruckten und in die
einzelnen Gemeinden versandten Cirkulare ist darauf hingewiesen, daß solche
Volkszählungen ja gar nichts Neues, sondern schon zu alten Zeiten vorge¬
kommen seien. So habe beispielsweise, wie bekannt, der Kaiser Augustus zur
Zeit Christi Geburt eine allgemeine Volkszählung veranstaltet. Damals hätten
die Bürger des römischen Reichs ausruhen müssen von aller knechtlichen Arbeit,
wie an einem Sonntage. Das sei aber jetzt nicht mehr der Fall und Jeder
könne an dem Zählungstage ruhig seinem Tagewerk nachgehen. Der Casus
klingt allerdings etwas naiv und drollig. Ebenso nach Vieler Ansicht die
offizielle Frage auf dem Zettel, zu welcher „Religion" (soll heißen „Confession")
man sich eigentlich bekenne. Diese wenig salonmäßige Frage hat denn auch
hier, wie allerwärts, die sonderbarsten Resultate zu Tage gefördert. So meinte
eine gutmüthige Bäuerin aus dem Münsterthal dem amtlichen Zähler gegen¬
über: „Nun, man wird doch wohl katholisch sein!" Auf den französischen
Zetteln findet man vielfach diese Rubrik mit einem bedeutungsvollen . (point)
ausgefüllt. So wenig will man hier zu Lande von confessioneller Verschieden¬
heit wissen.*) — Was die absolute Einwohnerzahl in den einzelnen elsässischen
Ortschaften anbelangt, so sind die Resultate darüber heute noch nicht bekannt
gegeben. Bezüglich Straß burgs hat man sich einigermaßen in den Vor¬
aussetzungen enttäuscht gefunden. Man glaubte anfänglich bestimmt, die
Seelenzahl werde dort die Ziffer 100,000 erreicht haben. Man hat aber nur
94.257 Seelen, einschließlich der ziemlich zahlreichen Garnison, constatirt.
Man sieht also, die offizielle Mache in dieser Hinsicht kann auch keine
Wunder thun.

Da ich gerade die Stastitik berühre, so will ich nicht verschweigen, daß
man in jüngster Zeit im Elsaß, wie fast allerwärts in Deutschland, über



') Od D. Red. er so coquettirt man in französ. Weise mit seiner Glaubenslosigkeit.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134869"/>
          <p xml:id="ID_1584" prev="#ID_1583"> aber &#x2014; es bewilligt anstandslos sämmtliche auf der Tagesordnung stehende<lb/>
Budget-Positionen." &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1585"> Die allgemeine Volkszählung am verflossenen 1. Dezember ist hier<lb/>
in der größten Ruhe und Ordnung verlaufen. Die zahlreichen Fragen auf<lb/>
den kleinen Zetteln haben zwar manches ungelehrte elsässische Bäuerlein in<lb/>
nicht geringe Verlegenheit gebracht. Doch haben die Schulmeister und sonstige<lb/>
Beamte der Verwaltung allerorts wacker aus solchen Verlegenheiten geholfen.<lb/>
Für diejenigen Familien, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind,<lb/>
waren besondere französische Formulare angefertigt. Anfangs argwöhnte man<lb/>
zwar auch hier, daß hinter dieser Volkszählung noch ganz andere Dinge ver¬<lb/>
steckt seien. Man sprach von Steuerschrauben, polizeilicher Spionage u. s. w.<lb/>
Doch hat es sich die Regierung sorgsam angelegen sein lassen, diese Mißver¬<lb/>
ständnisse zu klären. In einem der zu diesem Zwecke gedruckten und in die<lb/>
einzelnen Gemeinden versandten Cirkulare ist darauf hingewiesen, daß solche<lb/>
Volkszählungen ja gar nichts Neues, sondern schon zu alten Zeiten vorge¬<lb/>
kommen seien. So habe beispielsweise, wie bekannt, der Kaiser Augustus zur<lb/>
Zeit Christi Geburt eine allgemeine Volkszählung veranstaltet. Damals hätten<lb/>
die Bürger des römischen Reichs ausruhen müssen von aller knechtlichen Arbeit,<lb/>
wie an einem Sonntage. Das sei aber jetzt nicht mehr der Fall und Jeder<lb/>
könne an dem Zählungstage ruhig seinem Tagewerk nachgehen. Der Casus<lb/>
klingt allerdings etwas naiv und drollig. Ebenso nach Vieler Ansicht die<lb/>
offizielle Frage auf dem Zettel, zu welcher &#x201E;Religion" (soll heißen &#x201E;Confession")<lb/>
man sich eigentlich bekenne. Diese wenig salonmäßige Frage hat denn auch<lb/>
hier, wie allerwärts, die sonderbarsten Resultate zu Tage gefördert. So meinte<lb/>
eine gutmüthige Bäuerin aus dem Münsterthal dem amtlichen Zähler gegen¬<lb/>
über: &#x201E;Nun, man wird doch wohl katholisch sein!" Auf den französischen<lb/>
Zetteln findet man vielfach diese Rubrik mit einem bedeutungsvollen . (point)<lb/>
ausgefüllt. So wenig will man hier zu Lande von confessioneller Verschieden¬<lb/>
heit wissen.*) &#x2014; Was die absolute Einwohnerzahl in den einzelnen elsässischen<lb/>
Ortschaften anbelangt, so sind die Resultate darüber heute noch nicht bekannt<lb/>
gegeben. Bezüglich Straß burgs hat man sich einigermaßen in den Vor¬<lb/>
aussetzungen enttäuscht gefunden. Man glaubte anfänglich bestimmt, die<lb/>
Seelenzahl werde dort die Ziffer 100,000 erreicht haben. Man hat aber nur<lb/>
94.257 Seelen, einschließlich der ziemlich zahlreichen Garnison, constatirt.<lb/>
Man sieht also, die offizielle Mache in dieser Hinsicht kann auch keine<lb/>
Wunder thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Da ich gerade die Stastitik berühre, so will ich nicht verschweigen, daß<lb/>
man in jüngster Zeit im Elsaß, wie fast allerwärts in Deutschland, über</p><lb/>
          <note xml:id="FID_137" place="foot"> ') Od<note type="byline"> D. Red.</note> er so coquettirt man in französ. Weise mit seiner Glaubenslosigkeit.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0523] aber — es bewilligt anstandslos sämmtliche auf der Tagesordnung stehende Budget-Positionen." — Die allgemeine Volkszählung am verflossenen 1. Dezember ist hier in der größten Ruhe und Ordnung verlaufen. Die zahlreichen Fragen auf den kleinen Zetteln haben zwar manches ungelehrte elsässische Bäuerlein in nicht geringe Verlegenheit gebracht. Doch haben die Schulmeister und sonstige Beamte der Verwaltung allerorts wacker aus solchen Verlegenheiten geholfen. Für diejenigen Familien, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, waren besondere französische Formulare angefertigt. Anfangs argwöhnte man zwar auch hier, daß hinter dieser Volkszählung noch ganz andere Dinge ver¬ steckt seien. Man sprach von Steuerschrauben, polizeilicher Spionage u. s. w. Doch hat es sich die Regierung sorgsam angelegen sein lassen, diese Mißver¬ ständnisse zu klären. In einem der zu diesem Zwecke gedruckten und in die einzelnen Gemeinden versandten Cirkulare ist darauf hingewiesen, daß solche Volkszählungen ja gar nichts Neues, sondern schon zu alten Zeiten vorge¬ kommen seien. So habe beispielsweise, wie bekannt, der Kaiser Augustus zur Zeit Christi Geburt eine allgemeine Volkszählung veranstaltet. Damals hätten die Bürger des römischen Reichs ausruhen müssen von aller knechtlichen Arbeit, wie an einem Sonntage. Das sei aber jetzt nicht mehr der Fall und Jeder könne an dem Zählungstage ruhig seinem Tagewerk nachgehen. Der Casus klingt allerdings etwas naiv und drollig. Ebenso nach Vieler Ansicht die offizielle Frage auf dem Zettel, zu welcher „Religion" (soll heißen „Confession") man sich eigentlich bekenne. Diese wenig salonmäßige Frage hat denn auch hier, wie allerwärts, die sonderbarsten Resultate zu Tage gefördert. So meinte eine gutmüthige Bäuerin aus dem Münsterthal dem amtlichen Zähler gegen¬ über: „Nun, man wird doch wohl katholisch sein!" Auf den französischen Zetteln findet man vielfach diese Rubrik mit einem bedeutungsvollen . (point) ausgefüllt. So wenig will man hier zu Lande von confessioneller Verschieden¬ heit wissen.*) — Was die absolute Einwohnerzahl in den einzelnen elsässischen Ortschaften anbelangt, so sind die Resultate darüber heute noch nicht bekannt gegeben. Bezüglich Straß burgs hat man sich einigermaßen in den Vor¬ aussetzungen enttäuscht gefunden. Man glaubte anfänglich bestimmt, die Seelenzahl werde dort die Ziffer 100,000 erreicht haben. Man hat aber nur 94.257 Seelen, einschließlich der ziemlich zahlreichen Garnison, constatirt. Man sieht also, die offizielle Mache in dieser Hinsicht kann auch keine Wunder thun. Da ich gerade die Stastitik berühre, so will ich nicht verschweigen, daß man in jüngster Zeit im Elsaß, wie fast allerwärts in Deutschland, über ') Od D. Red. er so coquettirt man in französ. Weise mit seiner Glaubenslosigkeit.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/523
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/523>, abgerufen am 02.10.2024.