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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Was aber die engern Landsleute der reichsländischen Deputirten von diesem
Thun und Treiben ihrer Vertreter in Berlin halten -- davon habe ich
Ihnen in meinem letzten Briefe Einiges mitgetheilt. Die dort niedergelegten
Ansichten finden sich denn auch in mehrern neuerlichen Leitartikeln des Organs
der "elsässischen Elsässer", in dem Eis. Journ. bestätigt. Noch kürzlich meinte
das Blatt bei Besprechung der Reichstags-Verhandlungen über den Landes¬
haushalts - Etat von Elsaß-Lothringen: "Männer, die geborene Feinde der
Freiheit sind, sprechen da von Freiheit, vom "Recht der Eltern", worunter
sie jedoch etwas ganz Anderes verstehen, als wir. Man wird begreifen, daß
wir uns nicht in eine Debatte einlassen wollen, die auf solchem Boden sich
erhebt." Daß die eigentlichen "Protestler", die auch in dieser Periode wieder
hübsch daheim geblieben sind, dabei viel cousequenter handeln, als ihre
deklamirenden Collegen in Berlin, wird man dem Blatte wohl einräumen
müssen.

Die Deutschen im Elsaß fragen natürlich erst recht nichts nach jenen
geistlichen Salbadereien in Form von Parlamentsreden, die durchschnittlich
auf sie gemünzt sind, unbekümmert ob wahr oder falsch. Sehr treffend
drückt sich darüber die "Neue Mülhauser Zeitung" aus: "Unsere elsässischen
Reichstagsmänner haben nicht versäumt, als tapfere Rufer im Streit auf¬
zutreten und vor aller Welt die Posaunentöne ihrer Beredsamkeit erschallen
zu lassen. Natürlich waren es nur Anklage- und Strafreden, welche die
Herren zum Besten gaben . . . Sie greifen kecklich Alles an; sie tadeln Alles,
was die deutsche Regierung angeordnet hat . . . Daß der Abg. für den
weinreichen Wahlbezirk Rappoltsweiler, Herr Abbe Simonis, auf den
Wein eine Lobrede hielt und ihn als la xrömiöi-e inzeessM bezeichnete, wollen
wir durchaus nicht tadeln; auch die Aufhebung der Weinsteuer wäre uns
schon recht, wenn nur nicht der Bundeskvmmissar so überzeugend nachgewiesen
hätte, daß die Steuer eben nothwendig und durch die Verhältnisse gerecht¬
fertigt sei. -- Der Abg. für Altkirch-Themm, Herr Pfarrer Winterer, be¬
faßte sich zunächst mit dem Etat des Ober-Präsidiums und hielt dabei eine
lange Philippika gegen den § 10 des Geh. v. 30. Sept. 1873 ......er
will durchaus die vielen Beamten los werden, die ihn in seinen Bestrebungen
geniren. Namentlich auf die Kreisdirektoren ist der geistliche Herr gar übel
zu sprechen: höchstens Feldwebelsdienste will er ihnen übertragen, Haupt¬
manns - Befugnisse aber versagt wissen. Und nxnn dann die Herren Abbe's
gar als Generale das Ober-Kommando führten: wie herrlich würde Alles
besorgt sein! Einstweilen freilich sind es eitel Predigten vor Zöllnern und
Sündern und tief verstockten Ungläubigen, die der begeisterte Streiter Gottes
im Reichstage vorträgt: das Haus hört ihm erstaunt zu und bleibt zuletzt
Völlig stumm aus alle die entsetzlichen Anklagen, die es zu hören bekommt,


Was aber die engern Landsleute der reichsländischen Deputirten von diesem
Thun und Treiben ihrer Vertreter in Berlin halten — davon habe ich
Ihnen in meinem letzten Briefe Einiges mitgetheilt. Die dort niedergelegten
Ansichten finden sich denn auch in mehrern neuerlichen Leitartikeln des Organs
der „elsässischen Elsässer", in dem Eis. Journ. bestätigt. Noch kürzlich meinte
das Blatt bei Besprechung der Reichstags-Verhandlungen über den Landes¬
haushalts - Etat von Elsaß-Lothringen: „Männer, die geborene Feinde der
Freiheit sind, sprechen da von Freiheit, vom „Recht der Eltern", worunter
sie jedoch etwas ganz Anderes verstehen, als wir. Man wird begreifen, daß
wir uns nicht in eine Debatte einlassen wollen, die auf solchem Boden sich
erhebt." Daß die eigentlichen „Protestler", die auch in dieser Periode wieder
hübsch daheim geblieben sind, dabei viel cousequenter handeln, als ihre
deklamirenden Collegen in Berlin, wird man dem Blatte wohl einräumen
müssen.

Die Deutschen im Elsaß fragen natürlich erst recht nichts nach jenen
geistlichen Salbadereien in Form von Parlamentsreden, die durchschnittlich
auf sie gemünzt sind, unbekümmert ob wahr oder falsch. Sehr treffend
drückt sich darüber die „Neue Mülhauser Zeitung" aus: „Unsere elsässischen
Reichstagsmänner haben nicht versäumt, als tapfere Rufer im Streit auf¬
zutreten und vor aller Welt die Posaunentöne ihrer Beredsamkeit erschallen
zu lassen. Natürlich waren es nur Anklage- und Strafreden, welche die
Herren zum Besten gaben . . . Sie greifen kecklich Alles an; sie tadeln Alles,
was die deutsche Regierung angeordnet hat . . . Daß der Abg. für den
weinreichen Wahlbezirk Rappoltsweiler, Herr Abbe Simonis, auf den
Wein eine Lobrede hielt und ihn als la xrömiöi-e inzeessM bezeichnete, wollen
wir durchaus nicht tadeln; auch die Aufhebung der Weinsteuer wäre uns
schon recht, wenn nur nicht der Bundeskvmmissar so überzeugend nachgewiesen
hätte, daß die Steuer eben nothwendig und durch die Verhältnisse gerecht¬
fertigt sei. — Der Abg. für Altkirch-Themm, Herr Pfarrer Winterer, be¬
faßte sich zunächst mit dem Etat des Ober-Präsidiums und hielt dabei eine
lange Philippika gegen den § 10 des Geh. v. 30. Sept. 1873 ......er
will durchaus die vielen Beamten los werden, die ihn in seinen Bestrebungen
geniren. Namentlich auf die Kreisdirektoren ist der geistliche Herr gar übel
zu sprechen: höchstens Feldwebelsdienste will er ihnen übertragen, Haupt¬
manns - Befugnisse aber versagt wissen. Und nxnn dann die Herren Abbe's
gar als Generale das Ober-Kommando führten: wie herrlich würde Alles
besorgt sein! Einstweilen freilich sind es eitel Predigten vor Zöllnern und
Sündern und tief verstockten Ungläubigen, die der begeisterte Streiter Gottes
im Reichstage vorträgt: das Haus hört ihm erstaunt zu und bleibt zuletzt
Völlig stumm aus alle die entsetzlichen Anklagen, die es zu hören bekommt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/522>, abgerufen am 22.07.2024.