Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Verfolgen der Liberalen, und die Prozesse gegen die Verschwörer von 1820
und namentlich gegen die Carbonari wurden ins Endlose ausgesponnen
Oesterreich selbst legte sich endlich ins Mittel, verlangte ein milderes und
vernünftigeres Verfahren und setzte es auch durch, daß Canosa entlassen und
ein neues Ministerium gebildet wurde. Doch dauerte die Gährung noch bis
zum Tode des Königs Ferdinand, der 1826 erfolgte, fort, und die unab¬
lässige Verfolgung der Carbonari und ein strenges Gesetz gegen die geheimen.
Gesellschaften überhaupt, konnten nicht hindern, daß jene sich erhielten, immer
neue Geheimbünde entstanden und die Gefängnisse stets sich mit Verschworenen
füllten.

Die Carbonari im Kirchenstaate erstrebten den Sturz der päpstlichen
Macht und wählten den Augenblick, wo man den Tod des Papstes erwartete,
zur Ausführung ihres Planes. Sie hatten bereits starke Massen bei Mace-
rata, wo sie ihre Wasservorräthe liegen hatten, gesammelt, als der Papst
sich wieder erholte und ihr Unternehmen dadurch vereitelt wurde. Die
Führer geriethen durch Verrath in die Hände der Negierung, und mehrere
derselben wurden zum Tode, andere zu immerwährendem Gefängnisse ver¬
urtheilt.

Auch in Norditalien hatten die Carbonari ihre Logen, und ihr Ziel war
hier die Vertreibung der Oesterreicher. Aber auch hier erreichte man dasselbe
nicht. Vielmehr wanderten eine große Anzahl von Mitgliedern des Bundes,
unter andern Silvio Pelileo. Gonfeloniert, Torelli und Maroncelli, nachdem
man sie vorher an den Pranger gestellt, auf Jahre in die Gefängnisse des
Spielbergs und anderer Festungen der Tedeschi.

Die italienische Carbonari" lag nun eine Weile darnieder, bis sie um
das Jahr 1823 wieder regsamer wurde. In den dreißiger Jahren aber ver¬
schmolz sie mit dem Jungen Italien Mazzini's, dessen Tendenzen wesentlich
auf dasselbe hinausliefen wie die der Carbonari. Einer der letzten Erfolge
des in Italien fortan nicht mehr genannten Bundes war 1831 die Verjagung
der Herzogin von Parma Marie Luise. Einer ihrer Räthe, dem sie am
meisten vertraute, der aber Carbonaro war, begleitete sie bei bei ihrer Flucht
bis an den Wagenschlag und wünschte ihr glückliche Reise. "Was für ein
Judas!" sagte die Fürstin zu ihrer Hofdame. Allein auch diesmal dauerte
der Triumph der Carbonari nicht lange. Nach vier Wochen kam die Herzogin
wieder, nachdem die Oesterreicher die Erhebung gegen sie niedergeschlagen
hatten.

Auch nach Frankreich verbreitete sich der Bund, und zwar soll dieß durch
Vermittelung der politischen Flüchtlinge Joubert und Dugier geschehen sein,
die, nachdem sie eine Zeit lang in Italien gelebt und hier den Carbonari
beigetreten, bei ihrer Heimkehr die Grundsätze und das Ritual der Carbonari


Verfolgen der Liberalen, und die Prozesse gegen die Verschwörer von 1820
und namentlich gegen die Carbonari wurden ins Endlose ausgesponnen
Oesterreich selbst legte sich endlich ins Mittel, verlangte ein milderes und
vernünftigeres Verfahren und setzte es auch durch, daß Canosa entlassen und
ein neues Ministerium gebildet wurde. Doch dauerte die Gährung noch bis
zum Tode des Königs Ferdinand, der 1826 erfolgte, fort, und die unab¬
lässige Verfolgung der Carbonari und ein strenges Gesetz gegen die geheimen.
Gesellschaften überhaupt, konnten nicht hindern, daß jene sich erhielten, immer
neue Geheimbünde entstanden und die Gefängnisse stets sich mit Verschworenen
füllten.

Die Carbonari im Kirchenstaate erstrebten den Sturz der päpstlichen
Macht und wählten den Augenblick, wo man den Tod des Papstes erwartete,
zur Ausführung ihres Planes. Sie hatten bereits starke Massen bei Mace-
rata, wo sie ihre Wasservorräthe liegen hatten, gesammelt, als der Papst
sich wieder erholte und ihr Unternehmen dadurch vereitelt wurde. Die
Führer geriethen durch Verrath in die Hände der Negierung, und mehrere
derselben wurden zum Tode, andere zu immerwährendem Gefängnisse ver¬
urtheilt.

Auch in Norditalien hatten die Carbonari ihre Logen, und ihr Ziel war
hier die Vertreibung der Oesterreicher. Aber auch hier erreichte man dasselbe
nicht. Vielmehr wanderten eine große Anzahl von Mitgliedern des Bundes,
unter andern Silvio Pelileo. Gonfeloniert, Torelli und Maroncelli, nachdem
man sie vorher an den Pranger gestellt, auf Jahre in die Gefängnisse des
Spielbergs und anderer Festungen der Tedeschi.

Die italienische Carbonari« lag nun eine Weile darnieder, bis sie um
das Jahr 1823 wieder regsamer wurde. In den dreißiger Jahren aber ver¬
schmolz sie mit dem Jungen Italien Mazzini's, dessen Tendenzen wesentlich
auf dasselbe hinausliefen wie die der Carbonari. Einer der letzten Erfolge
des in Italien fortan nicht mehr genannten Bundes war 1831 die Verjagung
der Herzogin von Parma Marie Luise. Einer ihrer Räthe, dem sie am
meisten vertraute, der aber Carbonaro war, begleitete sie bei bei ihrer Flucht
bis an den Wagenschlag und wünschte ihr glückliche Reise. „Was für ein
Judas!" sagte die Fürstin zu ihrer Hofdame. Allein auch diesmal dauerte
der Triumph der Carbonari nicht lange. Nach vier Wochen kam die Herzogin
wieder, nachdem die Oesterreicher die Erhebung gegen sie niedergeschlagen
hatten.

Auch nach Frankreich verbreitete sich der Bund, und zwar soll dieß durch
Vermittelung der politischen Flüchtlinge Joubert und Dugier geschehen sein,
die, nachdem sie eine Zeit lang in Italien gelebt und hier den Carbonari
beigetreten, bei ihrer Heimkehr die Grundsätze und das Ritual der Carbonari


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134844"/>
          <p xml:id="ID_1521" prev="#ID_1520"> Verfolgen der Liberalen, und die Prozesse gegen die Verschwörer von 1820<lb/>
und namentlich gegen die Carbonari wurden ins Endlose ausgesponnen<lb/>
Oesterreich selbst legte sich endlich ins Mittel, verlangte ein milderes und<lb/>
vernünftigeres Verfahren und setzte es auch durch, daß Canosa entlassen und<lb/>
ein neues Ministerium gebildet wurde. Doch dauerte die Gährung noch bis<lb/>
zum Tode des Königs Ferdinand, der 1826 erfolgte, fort, und die unab¬<lb/>
lässige Verfolgung der Carbonari und ein strenges Gesetz gegen die geheimen.<lb/>
Gesellschaften überhaupt, konnten nicht hindern, daß jene sich erhielten, immer<lb/>
neue Geheimbünde entstanden und die Gefängnisse stets sich mit Verschworenen<lb/>
füllten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1522"> Die Carbonari im Kirchenstaate erstrebten den Sturz der päpstlichen<lb/>
Macht und wählten den Augenblick, wo man den Tod des Papstes erwartete,<lb/>
zur Ausführung ihres Planes. Sie hatten bereits starke Massen bei Mace-<lb/>
rata, wo sie ihre Wasservorräthe liegen hatten, gesammelt, als der Papst<lb/>
sich wieder erholte und ihr Unternehmen dadurch vereitelt wurde. Die<lb/>
Führer geriethen durch Verrath in die Hände der Negierung, und mehrere<lb/>
derselben wurden zum Tode, andere zu immerwährendem Gefängnisse ver¬<lb/>
urtheilt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1523"> Auch in Norditalien hatten die Carbonari ihre Logen, und ihr Ziel war<lb/>
hier die Vertreibung der Oesterreicher. Aber auch hier erreichte man dasselbe<lb/>
nicht. Vielmehr wanderten eine große Anzahl von Mitgliedern des Bundes,<lb/>
unter andern Silvio Pelileo. Gonfeloniert, Torelli und Maroncelli, nachdem<lb/>
man sie vorher an den Pranger gestellt, auf Jahre in die Gefängnisse des<lb/>
Spielbergs und anderer Festungen der Tedeschi.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1524"> Die italienische Carbonari« lag nun eine Weile darnieder, bis sie um<lb/>
das Jahr 1823 wieder regsamer wurde. In den dreißiger Jahren aber ver¬<lb/>
schmolz sie mit dem Jungen Italien Mazzini's, dessen Tendenzen wesentlich<lb/>
auf dasselbe hinausliefen wie die der Carbonari. Einer der letzten Erfolge<lb/>
des in Italien fortan nicht mehr genannten Bundes war 1831 die Verjagung<lb/>
der Herzogin von Parma Marie Luise. Einer ihrer Räthe, dem sie am<lb/>
meisten vertraute, der aber Carbonaro war, begleitete sie bei bei ihrer Flucht<lb/>
bis an den Wagenschlag und wünschte ihr glückliche Reise. &#x201E;Was für ein<lb/>
Judas!" sagte die Fürstin zu ihrer Hofdame. Allein auch diesmal dauerte<lb/>
der Triumph der Carbonari nicht lange. Nach vier Wochen kam die Herzogin<lb/>
wieder, nachdem die Oesterreicher die Erhebung gegen sie niedergeschlagen<lb/>
hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1525" next="#ID_1526"> Auch nach Frankreich verbreitete sich der Bund, und zwar soll dieß durch<lb/>
Vermittelung der politischen Flüchtlinge Joubert und Dugier geschehen sein,<lb/>
die, nachdem sie eine Zeit lang in Italien gelebt und hier den Carbonari<lb/>
beigetreten, bei ihrer Heimkehr die Grundsätze und das Ritual der Carbonari</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0498] Verfolgen der Liberalen, und die Prozesse gegen die Verschwörer von 1820 und namentlich gegen die Carbonari wurden ins Endlose ausgesponnen Oesterreich selbst legte sich endlich ins Mittel, verlangte ein milderes und vernünftigeres Verfahren und setzte es auch durch, daß Canosa entlassen und ein neues Ministerium gebildet wurde. Doch dauerte die Gährung noch bis zum Tode des Königs Ferdinand, der 1826 erfolgte, fort, und die unab¬ lässige Verfolgung der Carbonari und ein strenges Gesetz gegen die geheimen. Gesellschaften überhaupt, konnten nicht hindern, daß jene sich erhielten, immer neue Geheimbünde entstanden und die Gefängnisse stets sich mit Verschworenen füllten. Die Carbonari im Kirchenstaate erstrebten den Sturz der päpstlichen Macht und wählten den Augenblick, wo man den Tod des Papstes erwartete, zur Ausführung ihres Planes. Sie hatten bereits starke Massen bei Mace- rata, wo sie ihre Wasservorräthe liegen hatten, gesammelt, als der Papst sich wieder erholte und ihr Unternehmen dadurch vereitelt wurde. Die Führer geriethen durch Verrath in die Hände der Negierung, und mehrere derselben wurden zum Tode, andere zu immerwährendem Gefängnisse ver¬ urtheilt. Auch in Norditalien hatten die Carbonari ihre Logen, und ihr Ziel war hier die Vertreibung der Oesterreicher. Aber auch hier erreichte man dasselbe nicht. Vielmehr wanderten eine große Anzahl von Mitgliedern des Bundes, unter andern Silvio Pelileo. Gonfeloniert, Torelli und Maroncelli, nachdem man sie vorher an den Pranger gestellt, auf Jahre in die Gefängnisse des Spielbergs und anderer Festungen der Tedeschi. Die italienische Carbonari« lag nun eine Weile darnieder, bis sie um das Jahr 1823 wieder regsamer wurde. In den dreißiger Jahren aber ver¬ schmolz sie mit dem Jungen Italien Mazzini's, dessen Tendenzen wesentlich auf dasselbe hinausliefen wie die der Carbonari. Einer der letzten Erfolge des in Italien fortan nicht mehr genannten Bundes war 1831 die Verjagung der Herzogin von Parma Marie Luise. Einer ihrer Räthe, dem sie am meisten vertraute, der aber Carbonaro war, begleitete sie bei bei ihrer Flucht bis an den Wagenschlag und wünschte ihr glückliche Reise. „Was für ein Judas!" sagte die Fürstin zu ihrer Hofdame. Allein auch diesmal dauerte der Triumph der Carbonari nicht lange. Nach vier Wochen kam die Herzogin wieder, nachdem die Oesterreicher die Erhebung gegen sie niedergeschlagen hatten. Auch nach Frankreich verbreitete sich der Bund, und zwar soll dieß durch Vermittelung der politischen Flüchtlinge Joubert und Dugier geschehen sein, die, nachdem sie eine Zeit lang in Italien gelebt und hier den Carbonari beigetreten, bei ihrer Heimkehr die Grundsätze und das Ritual der Carbonari

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/498
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/498>, abgerufen am 22.07.2024.