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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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tete. Die in diesen Bund Eintretenden mußten folgenden Eid leisten: "Ich
N. N. verspreche und schwöre bei der Dreifaltigkeit. auf dieses Kreuz und
diesen Stahl, das Rachewerkzeug, das die Meineidigen straft, zu leben und
zu sterben im römisch-katholisch-apostolischen Glauben und mit meinem Blute
diese Religion und die Gesellschaft treuer Freunde, die sich die Calderari
nennt, zu vertheidigen. Ich schwöre die Kinder der treuen Freundschaft nie
zu beleidigen oder an ihrer Ehre, ihrem Leben und ihrer Habe zu beschädigen.
Ich schwöre ewigen Haß aller Freimaurerei und ihren abscheulichen Gönnern
und Beschützern, desgleichen allen Jcmsenisten, Materialisten. Molinisten
und Illuminaten. Ich schwöre, daß ich. falls ich durch Gottlosigkeit oder
Leichtsinn meineidig werden sollte, mein Leben verloren haben und mich ver¬
brennen lassen will" u. s. w. Der König aber wollte, als er von dem Ver¬
suche, den Teufel durch einen andern Teufel auszutreiben hörte, nichts davon
wissen, Canosa fiel in Ungnade und wurde verbannt, und so blieben seine
Bemühungen ohne Erfolg.

Im Jahre 1819 erfolgte die Erhebung zu Cadix, wodurch Ferdinand
der Siebente genöthigt wurde. den Spaniern eine Verfassung zu geben. Dieses
Ereigniß regte die Carbonari an, ihre alten Pläne wieder mit einiger Energie
vorzunehmen. Aber es fehlte ihnen an Einigkeit und Entschlossenheit, und
die entstehenden Ränke führten zu Verräthereien, die Vielen von ihnen Ein¬
sparung und Verhaftung brachten. Ein im nächsten Jahre unternommener
Versuch, eine Verfassung zu erlangen, an dessen Spitze der Avbate Menichini
stand, gelang besser. Der Einfluß der Carbonari wuchs, allenthalben ent¬
standen neue Hütten, und selbst die Frauenwelt trat in Verbindung mit der
Seete. Es wurden Damenlogen gegründet, deren Mitglieder "SiarÄmierö".
Gärtnerinnen, genannt wurden und die Namen von Blumen annahmen. Die
Geheimnisse des Carbonarismus wurden zum Theil veröffentlicht, seine Zeichen.
Embleme und Symbole vor aller Welt getragen und in den Kirchen gesegnet.
Aber der Triumph des Bundes währte nicht lange. Oesterreichischer Einfluß,
die Wortbrüchigkeit des Königs und der unter den Carbonari selbst schleichende
Verrath führten schon nach wenigen Monaten die Wiederherstellung des Abso¬
lutismus herbei. Ein österreichisches Heer unter General Frimont jagte die
Neapolitaner mühelos aus einander und hielt dann das Land jahrelang
besetzt. Der König widerrief alle neuen Einrichtungen. Die leidenschaftlichsten
Anhänger des Alten, namentlich Canosa. übten jetzt den leitenden Einfluß,
die geistliche und weltliche Reaction war jetzt ungeduldiger und gewaltthätiger
als je vorher. Die Umgestaltung des Unterrichtswesens im ultramontanen
Sinne, die Bereicherung der Jesuiten, die Erweiterung der Macht der Geist¬
lichen. Missionen und Mirakel zeigten das Uebergewicht, das die clerikale
Partei erlangt hatte. Endlich war die Polizei unermüdlich im Aufspüren und


tete. Die in diesen Bund Eintretenden mußten folgenden Eid leisten: „Ich
N. N. verspreche und schwöre bei der Dreifaltigkeit. auf dieses Kreuz und
diesen Stahl, das Rachewerkzeug, das die Meineidigen straft, zu leben und
zu sterben im römisch-katholisch-apostolischen Glauben und mit meinem Blute
diese Religion und die Gesellschaft treuer Freunde, die sich die Calderari
nennt, zu vertheidigen. Ich schwöre die Kinder der treuen Freundschaft nie
zu beleidigen oder an ihrer Ehre, ihrem Leben und ihrer Habe zu beschädigen.
Ich schwöre ewigen Haß aller Freimaurerei und ihren abscheulichen Gönnern
und Beschützern, desgleichen allen Jcmsenisten, Materialisten. Molinisten
und Illuminaten. Ich schwöre, daß ich. falls ich durch Gottlosigkeit oder
Leichtsinn meineidig werden sollte, mein Leben verloren haben und mich ver¬
brennen lassen will" u. s. w. Der König aber wollte, als er von dem Ver¬
suche, den Teufel durch einen andern Teufel auszutreiben hörte, nichts davon
wissen, Canosa fiel in Ungnade und wurde verbannt, und so blieben seine
Bemühungen ohne Erfolg.

Im Jahre 1819 erfolgte die Erhebung zu Cadix, wodurch Ferdinand
der Siebente genöthigt wurde. den Spaniern eine Verfassung zu geben. Dieses
Ereigniß regte die Carbonari an, ihre alten Pläne wieder mit einiger Energie
vorzunehmen. Aber es fehlte ihnen an Einigkeit und Entschlossenheit, und
die entstehenden Ränke führten zu Verräthereien, die Vielen von ihnen Ein¬
sparung und Verhaftung brachten. Ein im nächsten Jahre unternommener
Versuch, eine Verfassung zu erlangen, an dessen Spitze der Avbate Menichini
stand, gelang besser. Der Einfluß der Carbonari wuchs, allenthalben ent¬
standen neue Hütten, und selbst die Frauenwelt trat in Verbindung mit der
Seete. Es wurden Damenlogen gegründet, deren Mitglieder «SiarÄmierö».
Gärtnerinnen, genannt wurden und die Namen von Blumen annahmen. Die
Geheimnisse des Carbonarismus wurden zum Theil veröffentlicht, seine Zeichen.
Embleme und Symbole vor aller Welt getragen und in den Kirchen gesegnet.
Aber der Triumph des Bundes währte nicht lange. Oesterreichischer Einfluß,
die Wortbrüchigkeit des Königs und der unter den Carbonari selbst schleichende
Verrath führten schon nach wenigen Monaten die Wiederherstellung des Abso¬
lutismus herbei. Ein österreichisches Heer unter General Frimont jagte die
Neapolitaner mühelos aus einander und hielt dann das Land jahrelang
besetzt. Der König widerrief alle neuen Einrichtungen. Die leidenschaftlichsten
Anhänger des Alten, namentlich Canosa. übten jetzt den leitenden Einfluß,
die geistliche und weltliche Reaction war jetzt ungeduldiger und gewaltthätiger
als je vorher. Die Umgestaltung des Unterrichtswesens im ultramontanen
Sinne, die Bereicherung der Jesuiten, die Erweiterung der Macht der Geist¬
lichen. Missionen und Mirakel zeigten das Uebergewicht, das die clerikale
Partei erlangt hatte. Endlich war die Polizei unermüdlich im Aufspüren und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/497>, abgerufen am 22.07.2024.