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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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unvollendet, obwohl die Regulirung und Trockenlegung dieser jetzt sumpfigen
fieberverpesteten Niederungen von der österreichischen Regierung in Angriff ge¬
nommen wird, um hierdurch dem Verkehr einen neuen Weg zu bahnen. In
Dalmatien lebt man von Hoffnungen und Wünschen; allzuwenig bietet die
Gegenwart und die Central-Regierung hatte nicht viel Muße, ihre Aufmerk¬
samkeit dem Lande zuzuwenden.

Nicht leicht ist die Frage zu lösen, was man für Dalmatien thun solle.
Man kann dem Boden des Landes nicht rasch eine gute Humusschichte geben,
man kann die Bedingungen einer einträglichen Industrie nicht hervorzaubern
und noch weniger vermag man dem Getriebe des Handels ein gebieterisches
Werde zuzurufen. Alles erheischt viel Vorbereitung und große Mittel. Die
Basis jedes Fortschrittes, der Volksunterricht, liegt noch im Argen und eine
Generation tüchtiger und strebsamer Leute muß erst herangezogen werden,
damit ein neuer, dem Einflüsse der herkömmlichen Indolenz entrückter Geist
sich geltend machen könne, damit man wenigstens erkennen lerne, was das
Land bietet. Weiter aber liegt Dalmatiens Wohl nur in seiner Erhebung
zu einem handelsstarken Lande und nur wenn es gelingt, allmälig dessen
Häfen für die große Schtfffahrt wichtig zu machen, kann dem Lande geholfen
werden. Es muß selbst verdienen, was es braucht, sonst bleibt jede von außen
gewährte Unterstützung künstliches Wesen und ohne Dauer. Aber gerade die
Bestrebungen, in diesem letzt angedeuteten Sinne wirklich zu helfen, sind
schwierig, weil sie zu einer Reihe politischer Probleme Anlaß geben und weil
jeder Versuch Oesterreichs in dieser Richtung gar lästige Dinge, die heute
noch gebunden sind, ins Rollen bringen kann.

Jedenfalls sind die erwähnten Verhältnisse darnach angethan, den Blick
der Dalmatiner über ihre eigenen Grenzen und über jene der Monarchie
hinaus zu lenken und wenn im Nachbarlande der Lärm des Krieges erschallt
und der Glauben sich geltend macht, es sei die Zeit einer Neubildung ge¬
kommen , dann ist es begreiflich, daß neben der Stammesverwandtschaft auch
die Hoffnung auf eine günstige Wendung der eigenen Situation lebendig wird
und daß man nicht nur, soweit es die Umstände erlauben, den Brüdern
manche werkthätige Unterstützung im Kampfe gegen den alten Feind und Be¬
dränger zuwendet, sondern auch den Blick auf die Eventualitäten richtet,
welche aus diesem Kampfe für Dalmatien selbst sich ergeben können.

Die Aufrichtung eines nur im Suzeränetätsverhältnisse zur Pforte stehen¬
den Staates in den beiden fraglichen Provinzen erscheint den Einen als die
natürlichste Art der Lösung, während die Andern der großserbischen Idee
zuneigen und die Dritten der österreichischen Monarchie die Aufgabe zusprechen,
das illyrische Dreieck der europäischen Cultur zu sichern. In jeglicher dieser
drei Arten würde das Hinterland für Dalmatien nutzbar gemacht werden können,


unvollendet, obwohl die Regulirung und Trockenlegung dieser jetzt sumpfigen
fieberverpesteten Niederungen von der österreichischen Regierung in Angriff ge¬
nommen wird, um hierdurch dem Verkehr einen neuen Weg zu bahnen. In
Dalmatien lebt man von Hoffnungen und Wünschen; allzuwenig bietet die
Gegenwart und die Central-Regierung hatte nicht viel Muße, ihre Aufmerk¬
samkeit dem Lande zuzuwenden.

Nicht leicht ist die Frage zu lösen, was man für Dalmatien thun solle.
Man kann dem Boden des Landes nicht rasch eine gute Humusschichte geben,
man kann die Bedingungen einer einträglichen Industrie nicht hervorzaubern
und noch weniger vermag man dem Getriebe des Handels ein gebieterisches
Werde zuzurufen. Alles erheischt viel Vorbereitung und große Mittel. Die
Basis jedes Fortschrittes, der Volksunterricht, liegt noch im Argen und eine
Generation tüchtiger und strebsamer Leute muß erst herangezogen werden,
damit ein neuer, dem Einflüsse der herkömmlichen Indolenz entrückter Geist
sich geltend machen könne, damit man wenigstens erkennen lerne, was das
Land bietet. Weiter aber liegt Dalmatiens Wohl nur in seiner Erhebung
zu einem handelsstarken Lande und nur wenn es gelingt, allmälig dessen
Häfen für die große Schtfffahrt wichtig zu machen, kann dem Lande geholfen
werden. Es muß selbst verdienen, was es braucht, sonst bleibt jede von außen
gewährte Unterstützung künstliches Wesen und ohne Dauer. Aber gerade die
Bestrebungen, in diesem letzt angedeuteten Sinne wirklich zu helfen, sind
schwierig, weil sie zu einer Reihe politischer Probleme Anlaß geben und weil
jeder Versuch Oesterreichs in dieser Richtung gar lästige Dinge, die heute
noch gebunden sind, ins Rollen bringen kann.

Jedenfalls sind die erwähnten Verhältnisse darnach angethan, den Blick
der Dalmatiner über ihre eigenen Grenzen und über jene der Monarchie
hinaus zu lenken und wenn im Nachbarlande der Lärm des Krieges erschallt
und der Glauben sich geltend macht, es sei die Zeit einer Neubildung ge¬
kommen , dann ist es begreiflich, daß neben der Stammesverwandtschaft auch
die Hoffnung auf eine günstige Wendung der eigenen Situation lebendig wird
und daß man nicht nur, soweit es die Umstände erlauben, den Brüdern
manche werkthätige Unterstützung im Kampfe gegen den alten Feind und Be¬
dränger zuwendet, sondern auch den Blick auf die Eventualitäten richtet,
welche aus diesem Kampfe für Dalmatien selbst sich ergeben können.

Die Aufrichtung eines nur im Suzeränetätsverhältnisse zur Pforte stehen¬
den Staates in den beiden fraglichen Provinzen erscheint den Einen als die
natürlichste Art der Lösung, während die Andern der großserbischen Idee
zuneigen und die Dritten der österreichischen Monarchie die Aufgabe zusprechen,
das illyrische Dreieck der europäischen Cultur zu sichern. In jeglicher dieser
drei Arten würde das Hinterland für Dalmatien nutzbar gemacht werden können,


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[0494] unvollendet, obwohl die Regulirung und Trockenlegung dieser jetzt sumpfigen fieberverpesteten Niederungen von der österreichischen Regierung in Angriff ge¬ nommen wird, um hierdurch dem Verkehr einen neuen Weg zu bahnen. In Dalmatien lebt man von Hoffnungen und Wünschen; allzuwenig bietet die Gegenwart und die Central-Regierung hatte nicht viel Muße, ihre Aufmerk¬ samkeit dem Lande zuzuwenden. Nicht leicht ist die Frage zu lösen, was man für Dalmatien thun solle. Man kann dem Boden des Landes nicht rasch eine gute Humusschichte geben, man kann die Bedingungen einer einträglichen Industrie nicht hervorzaubern und noch weniger vermag man dem Getriebe des Handels ein gebieterisches Werde zuzurufen. Alles erheischt viel Vorbereitung und große Mittel. Die Basis jedes Fortschrittes, der Volksunterricht, liegt noch im Argen und eine Generation tüchtiger und strebsamer Leute muß erst herangezogen werden, damit ein neuer, dem Einflüsse der herkömmlichen Indolenz entrückter Geist sich geltend machen könne, damit man wenigstens erkennen lerne, was das Land bietet. Weiter aber liegt Dalmatiens Wohl nur in seiner Erhebung zu einem handelsstarken Lande und nur wenn es gelingt, allmälig dessen Häfen für die große Schtfffahrt wichtig zu machen, kann dem Lande geholfen werden. Es muß selbst verdienen, was es braucht, sonst bleibt jede von außen gewährte Unterstützung künstliches Wesen und ohne Dauer. Aber gerade die Bestrebungen, in diesem letzt angedeuteten Sinne wirklich zu helfen, sind schwierig, weil sie zu einer Reihe politischer Probleme Anlaß geben und weil jeder Versuch Oesterreichs in dieser Richtung gar lästige Dinge, die heute noch gebunden sind, ins Rollen bringen kann. Jedenfalls sind die erwähnten Verhältnisse darnach angethan, den Blick der Dalmatiner über ihre eigenen Grenzen und über jene der Monarchie hinaus zu lenken und wenn im Nachbarlande der Lärm des Krieges erschallt und der Glauben sich geltend macht, es sei die Zeit einer Neubildung ge¬ kommen , dann ist es begreiflich, daß neben der Stammesverwandtschaft auch die Hoffnung auf eine günstige Wendung der eigenen Situation lebendig wird und daß man nicht nur, soweit es die Umstände erlauben, den Brüdern manche werkthätige Unterstützung im Kampfe gegen den alten Feind und Be¬ dränger zuwendet, sondern auch den Blick auf die Eventualitäten richtet, welche aus diesem Kampfe für Dalmatien selbst sich ergeben können. Die Aufrichtung eines nur im Suzeränetätsverhältnisse zur Pforte stehen¬ den Staates in den beiden fraglichen Provinzen erscheint den Einen als die natürlichste Art der Lösung, während die Andern der großserbischen Idee zuneigen und die Dritten der österreichischen Monarchie die Aufgabe zusprechen, das illyrische Dreieck der europäischen Cultur zu sichern. In jeglicher dieser drei Arten würde das Hinterland für Dalmatien nutzbar gemacht werden können,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/494>, abgerufen am 22.07.2024.