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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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nämlich jetzt die Partei in den Städten, welche italienisches Wesen besitzt
und in deren Reihen die gebildeten, die im Verkehr und in der Verwaltung
tonangebenden Classen vertreten sind. Sie wollen nicht ins slavische Schlepp¬
tau gerathen und sehen in der Selbständigkeit der Provinz als unmittel¬
baren Bestandtheil der Monarchie, natürlich der cisleithanischen Hälfte, die
Rettung vor Slavisirung. Der Widerstreit dieser beiden mit ungebundener
Lebhaftigkeit verfolgten Tendenzen ward sofort zur Signatur des ganzen
Lebens und findet sich überall und herab bis zu alltäglichen Erscheinungen.
Man konnte nur national oder autonom sein; man fragte bei jeder einzelnen
Person immer nur, in welchem Lager sie zu finden sei.

Die Parteifarbe ward zur ersten, zur maßgebenden Qualtfication und
nichts gab es, was die eine Partei der anderen nicht vorwarf oder zum Ver¬
brechen anrechnete. Diesem Hader ward Alles untergeordnet; die Interessen
des Landes mußten zur Seite treten, denn über ihnen stand die Parteispal¬
tung. Die Autonomisten beriefen sich auf ihre hervorragende Stellung als
die Bürger der Cultur, als die Repräsentanten der Bildung; die nationalen
wiesen auf ihre Mehrzahl, auf den alten, wie seither verlorenen Charakter
des Landes als eines slavischen hin. Die Wagschale schwankte oft hin. und
her, aber in letzter Zeit haben die nationalen Oberhand gewonnen. Sie
haben die Majorität im Landtage, sie genießen die volle Gunst des Stadt-
Halters "Baron Rodic", welcher selbst ein Kroäk, mit Leib und Seele am
Slaventhume hängt und sie beherrschen durch ihn die Wahlen zum Parla¬
mente und die Regierungsorgane im Lande. Der gegenseitige Haß der Par¬
teien ist im Wachsen, je mehr die Einen ihren Vortheil erkennen und die
Anderen, die Autonomisten, sich aus ihrer lange behaupteten Position gedrängt
sehen. Die Sachlage ist um so bedauerlicher, als die Provinz des inneren
Friedens bedarf, um sich zu erheben. Vielleicht keine Provinz der Monarchie
ist der Gesammtheit gegenüber in dem Maße passiv, als Dalmatien. Arm
an Bodenproducten, industrielos, ohne Hinterland, welches einen reichen
Verkehrsstrom über dessen Häfen leiten könnte, liegt Dalmatien da und liefert
nur das Werkzeug zur Schifffahrt, kann sich aber des Segens derselben nicht
erfreuen. Der Antheil Dalmat'iens an der Rhederei der Monarchie beträgt
86000 Tonnen, V4 des Ganzen und darunter viel Cabotage.

Türkische Länder dehnen sich hinter den Grenzen aus, aber grade diese
Länder -- Bosnien und die Herzegowina -- stehen tief in ihrer Entwicklung.
Ihre elenden agrarischen Verhältnisse haben gerade jetzt das Meiste dazu bet-
"etragen, um das Volk gegen die Türken unter die Waffen zu rufen, die
Industrie ist gleich Null und Saumwege stellen die Verbindung mit der
Küste her. nur geringer Ausnahme. So ist die seit Jahren begonnene Strecke
im Narentathale nach Mostar, der Herzegowinischen Hauptstadt, noch immer


Grenzboten IV. 187S 62

nämlich jetzt die Partei in den Städten, welche italienisches Wesen besitzt
und in deren Reihen die gebildeten, die im Verkehr und in der Verwaltung
tonangebenden Classen vertreten sind. Sie wollen nicht ins slavische Schlepp¬
tau gerathen und sehen in der Selbständigkeit der Provinz als unmittel¬
baren Bestandtheil der Monarchie, natürlich der cisleithanischen Hälfte, die
Rettung vor Slavisirung. Der Widerstreit dieser beiden mit ungebundener
Lebhaftigkeit verfolgten Tendenzen ward sofort zur Signatur des ganzen
Lebens und findet sich überall und herab bis zu alltäglichen Erscheinungen.
Man konnte nur national oder autonom sein; man fragte bei jeder einzelnen
Person immer nur, in welchem Lager sie zu finden sei.

Die Parteifarbe ward zur ersten, zur maßgebenden Qualtfication und
nichts gab es, was die eine Partei der anderen nicht vorwarf oder zum Ver¬
brechen anrechnete. Diesem Hader ward Alles untergeordnet; die Interessen
des Landes mußten zur Seite treten, denn über ihnen stand die Parteispal¬
tung. Die Autonomisten beriefen sich auf ihre hervorragende Stellung als
die Bürger der Cultur, als die Repräsentanten der Bildung; die nationalen
wiesen auf ihre Mehrzahl, auf den alten, wie seither verlorenen Charakter
des Landes als eines slavischen hin. Die Wagschale schwankte oft hin. und
her, aber in letzter Zeit haben die nationalen Oberhand gewonnen. Sie
haben die Majorität im Landtage, sie genießen die volle Gunst des Stadt-
Halters „Baron Rodic", welcher selbst ein Kroäk, mit Leib und Seele am
Slaventhume hängt und sie beherrschen durch ihn die Wahlen zum Parla¬
mente und die Regierungsorgane im Lande. Der gegenseitige Haß der Par¬
teien ist im Wachsen, je mehr die Einen ihren Vortheil erkennen und die
Anderen, die Autonomisten, sich aus ihrer lange behaupteten Position gedrängt
sehen. Die Sachlage ist um so bedauerlicher, als die Provinz des inneren
Friedens bedarf, um sich zu erheben. Vielleicht keine Provinz der Monarchie
ist der Gesammtheit gegenüber in dem Maße passiv, als Dalmatien. Arm
an Bodenproducten, industrielos, ohne Hinterland, welches einen reichen
Verkehrsstrom über dessen Häfen leiten könnte, liegt Dalmatien da und liefert
nur das Werkzeug zur Schifffahrt, kann sich aber des Segens derselben nicht
erfreuen. Der Antheil Dalmat'iens an der Rhederei der Monarchie beträgt
86000 Tonnen, V4 des Ganzen und darunter viel Cabotage.

Türkische Länder dehnen sich hinter den Grenzen aus, aber grade diese
Länder — Bosnien und die Herzegowina — stehen tief in ihrer Entwicklung.
Ihre elenden agrarischen Verhältnisse haben gerade jetzt das Meiste dazu bet-
»etragen, um das Volk gegen die Türken unter die Waffen zu rufen, die
Industrie ist gleich Null und Saumwege stellen die Verbindung mit der
Küste her. nur geringer Ausnahme. So ist die seit Jahren begonnene Strecke
im Narentathale nach Mostar, der Herzegowinischen Hauptstadt, noch immer


Grenzboten IV. 187S 62
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[0493] nämlich jetzt die Partei in den Städten, welche italienisches Wesen besitzt und in deren Reihen die gebildeten, die im Verkehr und in der Verwaltung tonangebenden Classen vertreten sind. Sie wollen nicht ins slavische Schlepp¬ tau gerathen und sehen in der Selbständigkeit der Provinz als unmittel¬ baren Bestandtheil der Monarchie, natürlich der cisleithanischen Hälfte, die Rettung vor Slavisirung. Der Widerstreit dieser beiden mit ungebundener Lebhaftigkeit verfolgten Tendenzen ward sofort zur Signatur des ganzen Lebens und findet sich überall und herab bis zu alltäglichen Erscheinungen. Man konnte nur national oder autonom sein; man fragte bei jeder einzelnen Person immer nur, in welchem Lager sie zu finden sei. Die Parteifarbe ward zur ersten, zur maßgebenden Qualtfication und nichts gab es, was die eine Partei der anderen nicht vorwarf oder zum Ver¬ brechen anrechnete. Diesem Hader ward Alles untergeordnet; die Interessen des Landes mußten zur Seite treten, denn über ihnen stand die Parteispal¬ tung. Die Autonomisten beriefen sich auf ihre hervorragende Stellung als die Bürger der Cultur, als die Repräsentanten der Bildung; die nationalen wiesen auf ihre Mehrzahl, auf den alten, wie seither verlorenen Charakter des Landes als eines slavischen hin. Die Wagschale schwankte oft hin. und her, aber in letzter Zeit haben die nationalen Oberhand gewonnen. Sie haben die Majorität im Landtage, sie genießen die volle Gunst des Stadt- Halters „Baron Rodic", welcher selbst ein Kroäk, mit Leib und Seele am Slaventhume hängt und sie beherrschen durch ihn die Wahlen zum Parla¬ mente und die Regierungsorgane im Lande. Der gegenseitige Haß der Par¬ teien ist im Wachsen, je mehr die Einen ihren Vortheil erkennen und die Anderen, die Autonomisten, sich aus ihrer lange behaupteten Position gedrängt sehen. Die Sachlage ist um so bedauerlicher, als die Provinz des inneren Friedens bedarf, um sich zu erheben. Vielleicht keine Provinz der Monarchie ist der Gesammtheit gegenüber in dem Maße passiv, als Dalmatien. Arm an Bodenproducten, industrielos, ohne Hinterland, welches einen reichen Verkehrsstrom über dessen Häfen leiten könnte, liegt Dalmatien da und liefert nur das Werkzeug zur Schifffahrt, kann sich aber des Segens derselben nicht erfreuen. Der Antheil Dalmat'iens an der Rhederei der Monarchie beträgt 86000 Tonnen, V4 des Ganzen und darunter viel Cabotage. Türkische Länder dehnen sich hinter den Grenzen aus, aber grade diese Länder — Bosnien und die Herzegowina — stehen tief in ihrer Entwicklung. Ihre elenden agrarischen Verhältnisse haben gerade jetzt das Meiste dazu bet- »etragen, um das Volk gegen die Türken unter die Waffen zu rufen, die Industrie ist gleich Null und Saumwege stellen die Verbindung mit der Küste her. nur geringer Ausnahme. So ist die seit Jahren begonnene Strecke im Narentathale nach Mostar, der Herzegowinischen Hauptstadt, noch immer Grenzboten IV. 187S 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/493>, abgerufen am 22.07.2024.