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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Vetters, im Verbände der Köhler." -- "Wie wird derselbe verliehen?"
"Ein Tuch wird über einen Holzblock gedeckt, auf welchem die Basen aufge¬
stellt sind: erstens das Tuch selbst, dann Wasser. Feuer, Salz, das Kruzifix,
ein dürrer Zweig und ein grüner Zweig." Bei einer Aufnahme müssen min¬
destens drei gute Vettern zugegen sein, der Einführende, stets begleitet von
einem Meister, die draußen vor dem Orte bleiben, wo sich die Basen und
die guten Vettern befinden. Der Meister, welcher den Einführenden begleitet,
stampft dreimal mit dem Fuße und ruft: "Meister, gute Vettern, ich brauche
Hülfe." Die guten Vettern treten um den Holzblock, schlagen darauf mit
den Stricken, die sie um die Hüften tragen, und machen das Zeichen, indem
sie mit der rechten Hand von der linken Schulter nach ihrer rechten Seite
streichen. Einer von ihnen ruft: Ich habe die Stimme eines guten Vetters
gehört, der Hülfe braucht, vielleicht bringt er Holz, um den Meiler zu nähren."
Der Einführende wird nun hereingeführt. Der Stuhlmeister fragt ihn:
"Mein guter Vetter, wo kommst Du her?" Antwort des Einführenden:
"Aus dem Walde." -- "Wo gehst Du hin?" -- "In die Kammer der Ehre,
um meine Leidenschaften zu besiegen, meinen Willen zu unterwerfen und in
den Lehren der Köhler unterrichtet zu werden." -- "Was hast Du aus dem
Walde mitgebracht?" -- "Holz. Laub und Erde." -- "Bringst Du noch et¬
was mit?" -- "Ja. Glaube, Hoffnung und Liebe." -- "Wer ist es. den
Du mitbringst?" -- "Einen Menscken, der sich im Walde verirrt hat." --
"Was sucht er?" -- "Eintritt in unsre Brüderschaft." -- "So führe ihn
herein."

Der Neophyt wird nun hereingeholt. Der Stuhlmeister legt ihm ver¬
schiedene Fragen in Betreff seiner moralischen und religiösen Grundsätze vor
und heißt ihn dann, indem er das Kruzifix emporhält, ihm knieend folgen¬
den Eid nachsprechen: "Ich verspreche und verpflichte mich bei meiner Ehre,
niemals die Geheimnisse der guten Vettern zu enthüllen. nie auf die Tugend
ihrer Weiber oder Töchter einen Angriff zu machen und alle Hülfe, die in
meiner Macht steht, jedem guten Vetter zu gewähren, der dessen bedarf. So
wahr mir Gott helfe!"

Dieser Aufnahme in den Bund folgte sofort die in den ersten Grad des¬
selben durch Abhören des Carbonari-Katechismus. Der Stuhlmeister fragte
den Novizen: "Was bedeutet der Holzblock?" und jener antwortete: "Den
Himmel und die Rundheit der Erde." -- Weitere Frage: "Und was hat
das Tischtuch zu bedeuten? Antwort: "Das, was sich verbirgt, wenn es
geboren ist." -- "Und das Wasser?" -- "Das, was zum Maschen und zur
Reinigung von der Erbsünde dient." -- "Und das Feuer?" - "Es zeigt
uns unsre höchsten Pflichten." -- "Das Salz?" -- "Daß wir Christen sind."
"Das Kruzifix?" -- "Es erinnert uns an unsre Erlösung." -- "An was


Vetters, im Verbände der Köhler." — „Wie wird derselbe verliehen?"
»Ein Tuch wird über einen Holzblock gedeckt, auf welchem die Basen aufge¬
stellt sind: erstens das Tuch selbst, dann Wasser. Feuer, Salz, das Kruzifix,
ein dürrer Zweig und ein grüner Zweig." Bei einer Aufnahme müssen min¬
destens drei gute Vettern zugegen sein, der Einführende, stets begleitet von
einem Meister, die draußen vor dem Orte bleiben, wo sich die Basen und
die guten Vettern befinden. Der Meister, welcher den Einführenden begleitet,
stampft dreimal mit dem Fuße und ruft: „Meister, gute Vettern, ich brauche
Hülfe." Die guten Vettern treten um den Holzblock, schlagen darauf mit
den Stricken, die sie um die Hüften tragen, und machen das Zeichen, indem
sie mit der rechten Hand von der linken Schulter nach ihrer rechten Seite
streichen. Einer von ihnen ruft: Ich habe die Stimme eines guten Vetters
gehört, der Hülfe braucht, vielleicht bringt er Holz, um den Meiler zu nähren."
Der Einführende wird nun hereingeführt. Der Stuhlmeister fragt ihn:
„Mein guter Vetter, wo kommst Du her?" Antwort des Einführenden:
„Aus dem Walde." — „Wo gehst Du hin?" — „In die Kammer der Ehre,
um meine Leidenschaften zu besiegen, meinen Willen zu unterwerfen und in
den Lehren der Köhler unterrichtet zu werden." — „Was hast Du aus dem
Walde mitgebracht?" — „Holz. Laub und Erde." — „Bringst Du noch et¬
was mit?" — „Ja. Glaube, Hoffnung und Liebe." — „Wer ist es. den
Du mitbringst?" — „Einen Menscken, der sich im Walde verirrt hat." —
„Was sucht er?" — „Eintritt in unsre Brüderschaft." — „So führe ihn
herein."

Der Neophyt wird nun hereingeholt. Der Stuhlmeister legt ihm ver¬
schiedene Fragen in Betreff seiner moralischen und religiösen Grundsätze vor
und heißt ihn dann, indem er das Kruzifix emporhält, ihm knieend folgen¬
den Eid nachsprechen: „Ich verspreche und verpflichte mich bei meiner Ehre,
niemals die Geheimnisse der guten Vettern zu enthüllen. nie auf die Tugend
ihrer Weiber oder Töchter einen Angriff zu machen und alle Hülfe, die in
meiner Macht steht, jedem guten Vetter zu gewähren, der dessen bedarf. So
wahr mir Gott helfe!"

Dieser Aufnahme in den Bund folgte sofort die in den ersten Grad des¬
selben durch Abhören des Carbonari-Katechismus. Der Stuhlmeister fragte
den Novizen: „Was bedeutet der Holzblock?" und jener antwortete: „Den
Himmel und die Rundheit der Erde." — Weitere Frage: „Und was hat
das Tischtuch zu bedeuten? Antwort: „Das, was sich verbirgt, wenn es
geboren ist." — „Und das Wasser?" — „Das, was zum Maschen und zur
Reinigung von der Erbsünde dient." — „Und das Feuer?" - „Es zeigt
uns unsre höchsten Pflichten." — „Das Salz?" — „Daß wir Christen sind."
„Das Kruzifix?" — „Es erinnert uns an unsre Erlösung." — „An was


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[0466] Vetters, im Verbände der Köhler." — „Wie wird derselbe verliehen?" »Ein Tuch wird über einen Holzblock gedeckt, auf welchem die Basen aufge¬ stellt sind: erstens das Tuch selbst, dann Wasser. Feuer, Salz, das Kruzifix, ein dürrer Zweig und ein grüner Zweig." Bei einer Aufnahme müssen min¬ destens drei gute Vettern zugegen sein, der Einführende, stets begleitet von einem Meister, die draußen vor dem Orte bleiben, wo sich die Basen und die guten Vettern befinden. Der Meister, welcher den Einführenden begleitet, stampft dreimal mit dem Fuße und ruft: „Meister, gute Vettern, ich brauche Hülfe." Die guten Vettern treten um den Holzblock, schlagen darauf mit den Stricken, die sie um die Hüften tragen, und machen das Zeichen, indem sie mit der rechten Hand von der linken Schulter nach ihrer rechten Seite streichen. Einer von ihnen ruft: Ich habe die Stimme eines guten Vetters gehört, der Hülfe braucht, vielleicht bringt er Holz, um den Meiler zu nähren." Der Einführende wird nun hereingeführt. Der Stuhlmeister fragt ihn: „Mein guter Vetter, wo kommst Du her?" Antwort des Einführenden: „Aus dem Walde." — „Wo gehst Du hin?" — „In die Kammer der Ehre, um meine Leidenschaften zu besiegen, meinen Willen zu unterwerfen und in den Lehren der Köhler unterrichtet zu werden." — „Was hast Du aus dem Walde mitgebracht?" — „Holz. Laub und Erde." — „Bringst Du noch et¬ was mit?" — „Ja. Glaube, Hoffnung und Liebe." — „Wer ist es. den Du mitbringst?" — „Einen Menscken, der sich im Walde verirrt hat." — „Was sucht er?" — „Eintritt in unsre Brüderschaft." — „So führe ihn herein." Der Neophyt wird nun hereingeholt. Der Stuhlmeister legt ihm ver¬ schiedene Fragen in Betreff seiner moralischen und religiösen Grundsätze vor und heißt ihn dann, indem er das Kruzifix emporhält, ihm knieend folgen¬ den Eid nachsprechen: „Ich verspreche und verpflichte mich bei meiner Ehre, niemals die Geheimnisse der guten Vettern zu enthüllen. nie auf die Tugend ihrer Weiber oder Töchter einen Angriff zu machen und alle Hülfe, die in meiner Macht steht, jedem guten Vetter zu gewähren, der dessen bedarf. So wahr mir Gott helfe!" Dieser Aufnahme in den Bund folgte sofort die in den ersten Grad des¬ selben durch Abhören des Carbonari-Katechismus. Der Stuhlmeister fragte den Novizen: „Was bedeutet der Holzblock?" und jener antwortete: „Den Himmel und die Rundheit der Erde." — Weitere Frage: „Und was hat das Tischtuch zu bedeuten? Antwort: „Das, was sich verbirgt, wenn es geboren ist." — „Und das Wasser?" — „Das, was zum Maschen und zur Reinigung von der Erbsünde dient." — „Und das Feuer?" - „Es zeigt uns unsre höchsten Pflichten." — „Das Salz?" — „Daß wir Christen sind." „Das Kruzifix?" — „Es erinnert uns an unsre Erlösung." — „An was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/466>, abgerufen am 22.07.2024.