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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Kohlenhandlung, die äußere Umgebung wurde als "Wald" bezeichnet, die
Gesammtheit sämmtlicher Hütten einer Provinz als "Republik". Eine solche
wurde von einer g-Ils. "venäita,", Oberhütte, regiert. Derartige Republiken
waren die von Hirpinien und von Daumen, die von West- und die von Ost-
lucanien (in der Basilicata). welche als bezeichnendes Motto den Vers Mon-
ti's adoptirte:


"Ug, tus, planta raZive- non pone
Ode su' ä' intrimts vorons;
si xasee ni tiesobe ruMaäe,
Na al savAue al merabra al re". ^)

Endlich gehört in diesen Zusammenhang noch, daß die Carbonari auch
religiöse Freiheit wollten, da es in ihren Statuten heißt: "Jeder Carbonaro
hat das natürliche unveräußerliche Recht, den Allmächtigen nach seiner eignen
Einsicht und Ueberzeugung zu verehren."

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen berichten wir über die Einzel¬
heiten. Die Loge oder Hütte soll nach dem Codex des Carbonarismus ein
hölzerner Raum in Gestalt einer Scheune sein, dessen Fußboden mit Ziegeln
gepflastert ist, und in welchem Bänke ohne Lehnen stehen. An dem der Thür
gegenüber befindlichen Ende soll ein dreibeiniger Block aufgestellt sein als
Tisch für den Stuhlmeister. Rechts und links davon sollen vor gleichgroßen
Blöcken der Redner und der Schreiber der Hütte Platz nehmen. Auf dem
Blocke des Stuhlmeisters liegen ein leinenes Tischtuch, Wasser, Salz, ein
Kreuz, Blätter, Zweige, Feuer, Erde, eine Krone von Weißdorn, eine Leiter,
ein Zwirnknäuel und drei Bänder: ein blaues, ein rothes und ein schwarzes.
In der Hütte hängen fünf transparente Dreiecke, von denen das eine, in der
Mitte befindlich, die Anfangsbuchstaben der Losung des zweiten Grades ent-
hält, während das zweite, links davon, das Wappen der betreffenden veuäita
zeigt und die drei andern, rechts angebracht, die Initialen der heiligen Worte
des ersten Grades leuchten lassen. Der Stuhlmeister und seine beiden Assi¬
stenten halten Aexte in den Händen. Die Mitglieder der höhern Stufen
fitzen an der Wand zur rechten Seite der Loge, die Lehrlinge ihnen gegenüber
auf der linken. Die sämmtlichen Mitglieder haben die Hüften mit einem
Stricke umgürtet.

Bei Aufnahmen in den Bund fand folgendes Ritual statt. Der Stuhl-
Geister sagt, nachdem er die Loge eröffnet hat: "Erster Gehülfe, wo wird
der erste Grad verliehen?" Die Antwort lautet: "In der Hütte eines guten



") "Aber Deine Pflanze soll nur Wurzel schlagen unter den Bruchstücken zerschmetterter
roman, kein frischer Thau soll sie nähren, sondern nur das Blut von Könicisalicdern."
Schauerlich schön!

Kohlenhandlung, die äußere Umgebung wurde als „Wald" bezeichnet, die
Gesammtheit sämmtlicher Hütten einer Provinz als „Republik". Eine solche
wurde von einer g-Ils. „venäita,", Oberhütte, regiert. Derartige Republiken
waren die von Hirpinien und von Daumen, die von West- und die von Ost-
lucanien (in der Basilicata). welche als bezeichnendes Motto den Vers Mon-
ti's adoptirte:


„Ug, tus, planta raZive- non pone
Ode su' ä' intrimts vorons;
si xasee ni tiesobe ruMaäe,
Na al savAue al merabra al re". ^)

Endlich gehört in diesen Zusammenhang noch, daß die Carbonari auch
religiöse Freiheit wollten, da es in ihren Statuten heißt: „Jeder Carbonaro
hat das natürliche unveräußerliche Recht, den Allmächtigen nach seiner eignen
Einsicht und Ueberzeugung zu verehren."

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen berichten wir über die Einzel¬
heiten. Die Loge oder Hütte soll nach dem Codex des Carbonarismus ein
hölzerner Raum in Gestalt einer Scheune sein, dessen Fußboden mit Ziegeln
gepflastert ist, und in welchem Bänke ohne Lehnen stehen. An dem der Thür
gegenüber befindlichen Ende soll ein dreibeiniger Block aufgestellt sein als
Tisch für den Stuhlmeister. Rechts und links davon sollen vor gleichgroßen
Blöcken der Redner und der Schreiber der Hütte Platz nehmen. Auf dem
Blocke des Stuhlmeisters liegen ein leinenes Tischtuch, Wasser, Salz, ein
Kreuz, Blätter, Zweige, Feuer, Erde, eine Krone von Weißdorn, eine Leiter,
ein Zwirnknäuel und drei Bänder: ein blaues, ein rothes und ein schwarzes.
In der Hütte hängen fünf transparente Dreiecke, von denen das eine, in der
Mitte befindlich, die Anfangsbuchstaben der Losung des zweiten Grades ent-
hält, während das zweite, links davon, das Wappen der betreffenden veuäita
zeigt und die drei andern, rechts angebracht, die Initialen der heiligen Worte
des ersten Grades leuchten lassen. Der Stuhlmeister und seine beiden Assi¬
stenten halten Aexte in den Händen. Die Mitglieder der höhern Stufen
fitzen an der Wand zur rechten Seite der Loge, die Lehrlinge ihnen gegenüber
auf der linken. Die sämmtlichen Mitglieder haben die Hüften mit einem
Stricke umgürtet.

Bei Aufnahmen in den Bund fand folgendes Ritual statt. Der Stuhl-
Geister sagt, nachdem er die Loge eröffnet hat: „Erster Gehülfe, wo wird
der erste Grad verliehen?" Die Antwort lautet: „In der Hütte eines guten



") „Aber Deine Pflanze soll nur Wurzel schlagen unter den Bruchstücken zerschmetterter
roman, kein frischer Thau soll sie nähren, sondern nur das Blut von Könicisalicdern."
Schauerlich schön!
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[0465] Kohlenhandlung, die äußere Umgebung wurde als „Wald" bezeichnet, die Gesammtheit sämmtlicher Hütten einer Provinz als „Republik". Eine solche wurde von einer g-Ils. „venäita,", Oberhütte, regiert. Derartige Republiken waren die von Hirpinien und von Daumen, die von West- und die von Ost- lucanien (in der Basilicata). welche als bezeichnendes Motto den Vers Mon- ti's adoptirte: „Ug, tus, planta raZive- non pone Ode su' ä' intrimts vorons; si xasee ni tiesobe ruMaäe, Na al savAue al merabra al re". ^) Endlich gehört in diesen Zusammenhang noch, daß die Carbonari auch religiöse Freiheit wollten, da es in ihren Statuten heißt: „Jeder Carbonaro hat das natürliche unveräußerliche Recht, den Allmächtigen nach seiner eignen Einsicht und Ueberzeugung zu verehren." Nach diesen allgemeinen Bemerkungen berichten wir über die Einzel¬ heiten. Die Loge oder Hütte soll nach dem Codex des Carbonarismus ein hölzerner Raum in Gestalt einer Scheune sein, dessen Fußboden mit Ziegeln gepflastert ist, und in welchem Bänke ohne Lehnen stehen. An dem der Thür gegenüber befindlichen Ende soll ein dreibeiniger Block aufgestellt sein als Tisch für den Stuhlmeister. Rechts und links davon sollen vor gleichgroßen Blöcken der Redner und der Schreiber der Hütte Platz nehmen. Auf dem Blocke des Stuhlmeisters liegen ein leinenes Tischtuch, Wasser, Salz, ein Kreuz, Blätter, Zweige, Feuer, Erde, eine Krone von Weißdorn, eine Leiter, ein Zwirnknäuel und drei Bänder: ein blaues, ein rothes und ein schwarzes. In der Hütte hängen fünf transparente Dreiecke, von denen das eine, in der Mitte befindlich, die Anfangsbuchstaben der Losung des zweiten Grades ent- hält, während das zweite, links davon, das Wappen der betreffenden veuäita zeigt und die drei andern, rechts angebracht, die Initialen der heiligen Worte des ersten Grades leuchten lassen. Der Stuhlmeister und seine beiden Assi¬ stenten halten Aexte in den Händen. Die Mitglieder der höhern Stufen fitzen an der Wand zur rechten Seite der Loge, die Lehrlinge ihnen gegenüber auf der linken. Die sämmtlichen Mitglieder haben die Hüften mit einem Stricke umgürtet. Bei Aufnahmen in den Bund fand folgendes Ritual statt. Der Stuhl- Geister sagt, nachdem er die Loge eröffnet hat: „Erster Gehülfe, wo wird der erste Grad verliehen?" Die Antwort lautet: „In der Hütte eines guten ") „Aber Deine Pflanze soll nur Wurzel schlagen unter den Bruchstücken zerschmetterter roman, kein frischer Thau soll sie nähren, sondern nur das Blut von Könicisalicdern." Schauerlich schön!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/465>, abgerufen am 22.07.2024.