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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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trägt, die aber dadurch an Bedeutung und Ueberzeugung verliert, daß eben
ein Reichensp erger sich unberufen zu deren Organ machte, "daß nämlich
die Steuern jetzt im Elsaß viel energischer und rücksichtsloser eingetrieben wer¬
den, als zur französischen Zeit, und daß Bezirks- und Gemeindesteuern ge¬
stiegen'sind". Das ist aber auch nur, wie gesagt, eum Ara.no salis zu ver¬
stehen, und thut der allgemeinen Befriedigung der Bewohner des Reichslandes
über jene Rede und deren Resultate, wie ich sie so eben constatirt, nicht den
geringsten Abbruch. Sehr zur rechten Zeit hatten gerade kurz vorher die
Blätter einen Aufsatz des "^ourvg.1 des vodats", welches hier und in Frank¬
reich in volkswirthschaftlichen Fragen eine gewisse Autorität besitzt, reproduzirt,
auf den bekanntlich auch der Reichskanzler in seiner letzten bedeutenden Rede
hingewiesen hat, und worin es u. A. heißt: "Ein Preuße zahlt dem Staate
durchschnittlich ungefähr die Hälfte von dem, was ein Franzose zahlt; gleich¬
wohl trägt dieser seine Bürde ohne allzu üble Laune und ohne allzu schwere
Anstrengungen, während der Andere im Gegentheil unaufhörlich stöhnt und
jammert". Das war gewissermaßen die theoretische Vorbereitung und Grund¬
lage zu den praktischen Resultaten der Hertzog'schen Rede.

Nur Eines hat den günstigen Eindruck derselben hier zu Lande einiger¬
maßen trüben können. Nämlich die Consequenzen, welche die "ultradeutsche
Koterie" im Reichslande, wie sie nicht mit Unrecht bezeichnet worden, direkt
aus ihr, oder indirekt aus der Stellung des Geh. Raths Hertzog den man
schon als "Zukunftsminister" für Elsaß-Lothringen begrüßt hat, zu dem Reichs¬
lande sowie dessen neulicher Inspectionsreise hat ziehen wollen. Wie bekannt,
häufen sich jedesmal zu Beginn der Reichstagssessionen die Gerüchte von einer
durchgreifenden Aenderung der Centralverwaltung des Reichslandes, Aufhe¬
bung der Bezirkspräsidien, sogar des Overpräsidiums in Straßburg u. s. w.
Gerüchte, oft recht abenteuerlicher Natur. Daß solch durchgreifende Aenderungen
den Elsaß-Lothringern, namentlich den Hauptstädten des Landes, xost tot äis-
erimilig. nicht ganz erwünscht kommen, ist selbstverständlich. Doch läßt sich heute
über den Grund oder Ungrund jener Gerüchte, die Nothwendigkeit oder
Zweckmäßigkeit jener Maßregeln noch nicht discutiren.

Einem der allzu naseweisen Blätter jener chauvinistischen Partei nun. deren
Existenz im Reichslande nicht zu leugnen ist*), welches gerade in einen heftigen
Federkrieg mit dem "Inäusti-ick slsseik"" über jene Frage gerathen war, ist kürz¬
lich ein merkwürdiges und unerwartetes Schicksal passirt. Es hat nämlich auf
Grund des § 10 des Preßgesetzes und der darauf basirten Unterdrückung durch
den Oberpräsidenten den Weg alles Fleisches wandern müssen. Wie? fragte
man sich in den elsässischen Kreisen, ein Blatt, das der Regierung so nahe



") Dem "Neuen Straßburg"

trägt, die aber dadurch an Bedeutung und Ueberzeugung verliert, daß eben
ein Reichensp erger sich unberufen zu deren Organ machte, „daß nämlich
die Steuern jetzt im Elsaß viel energischer und rücksichtsloser eingetrieben wer¬
den, als zur französischen Zeit, und daß Bezirks- und Gemeindesteuern ge¬
stiegen'sind". Das ist aber auch nur, wie gesagt, eum Ara.no salis zu ver¬
stehen, und thut der allgemeinen Befriedigung der Bewohner des Reichslandes
über jene Rede und deren Resultate, wie ich sie so eben constatirt, nicht den
geringsten Abbruch. Sehr zur rechten Zeit hatten gerade kurz vorher die
Blätter einen Aufsatz des „^ourvg.1 des vodats", welches hier und in Frank¬
reich in volkswirthschaftlichen Fragen eine gewisse Autorität besitzt, reproduzirt,
auf den bekanntlich auch der Reichskanzler in seiner letzten bedeutenden Rede
hingewiesen hat, und worin es u. A. heißt: „Ein Preuße zahlt dem Staate
durchschnittlich ungefähr die Hälfte von dem, was ein Franzose zahlt; gleich¬
wohl trägt dieser seine Bürde ohne allzu üble Laune und ohne allzu schwere
Anstrengungen, während der Andere im Gegentheil unaufhörlich stöhnt und
jammert". Das war gewissermaßen die theoretische Vorbereitung und Grund¬
lage zu den praktischen Resultaten der Hertzog'schen Rede.

Nur Eines hat den günstigen Eindruck derselben hier zu Lande einiger¬
maßen trüben können. Nämlich die Consequenzen, welche die „ultradeutsche
Koterie" im Reichslande, wie sie nicht mit Unrecht bezeichnet worden, direkt
aus ihr, oder indirekt aus der Stellung des Geh. Raths Hertzog den man
schon als „Zukunftsminister" für Elsaß-Lothringen begrüßt hat, zu dem Reichs¬
lande sowie dessen neulicher Inspectionsreise hat ziehen wollen. Wie bekannt,
häufen sich jedesmal zu Beginn der Reichstagssessionen die Gerüchte von einer
durchgreifenden Aenderung der Centralverwaltung des Reichslandes, Aufhe¬
bung der Bezirkspräsidien, sogar des Overpräsidiums in Straßburg u. s. w.
Gerüchte, oft recht abenteuerlicher Natur. Daß solch durchgreifende Aenderungen
den Elsaß-Lothringern, namentlich den Hauptstädten des Landes, xost tot äis-
erimilig. nicht ganz erwünscht kommen, ist selbstverständlich. Doch läßt sich heute
über den Grund oder Ungrund jener Gerüchte, die Nothwendigkeit oder
Zweckmäßigkeit jener Maßregeln noch nicht discutiren.

Einem der allzu naseweisen Blätter jener chauvinistischen Partei nun. deren
Existenz im Reichslande nicht zu leugnen ist*), welches gerade in einen heftigen
Federkrieg mit dem „Inäusti-ick slsseik»" über jene Frage gerathen war, ist kürz¬
lich ein merkwürdiges und unerwartetes Schicksal passirt. Es hat nämlich auf
Grund des § 10 des Preßgesetzes und der darauf basirten Unterdrückung durch
den Oberpräsidenten den Weg alles Fleisches wandern müssen. Wie? fragte
man sich in den elsässischen Kreisen, ein Blatt, das der Regierung so nahe



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[0434] trägt, die aber dadurch an Bedeutung und Ueberzeugung verliert, daß eben ein Reichensp erger sich unberufen zu deren Organ machte, „daß nämlich die Steuern jetzt im Elsaß viel energischer und rücksichtsloser eingetrieben wer¬ den, als zur französischen Zeit, und daß Bezirks- und Gemeindesteuern ge¬ stiegen'sind". Das ist aber auch nur, wie gesagt, eum Ara.no salis zu ver¬ stehen, und thut der allgemeinen Befriedigung der Bewohner des Reichslandes über jene Rede und deren Resultate, wie ich sie so eben constatirt, nicht den geringsten Abbruch. Sehr zur rechten Zeit hatten gerade kurz vorher die Blätter einen Aufsatz des „^ourvg.1 des vodats", welches hier und in Frank¬ reich in volkswirthschaftlichen Fragen eine gewisse Autorität besitzt, reproduzirt, auf den bekanntlich auch der Reichskanzler in seiner letzten bedeutenden Rede hingewiesen hat, und worin es u. A. heißt: „Ein Preuße zahlt dem Staate durchschnittlich ungefähr die Hälfte von dem, was ein Franzose zahlt; gleich¬ wohl trägt dieser seine Bürde ohne allzu üble Laune und ohne allzu schwere Anstrengungen, während der Andere im Gegentheil unaufhörlich stöhnt und jammert". Das war gewissermaßen die theoretische Vorbereitung und Grund¬ lage zu den praktischen Resultaten der Hertzog'schen Rede. Nur Eines hat den günstigen Eindruck derselben hier zu Lande einiger¬ maßen trüben können. Nämlich die Consequenzen, welche die „ultradeutsche Koterie" im Reichslande, wie sie nicht mit Unrecht bezeichnet worden, direkt aus ihr, oder indirekt aus der Stellung des Geh. Raths Hertzog den man schon als „Zukunftsminister" für Elsaß-Lothringen begrüßt hat, zu dem Reichs¬ lande sowie dessen neulicher Inspectionsreise hat ziehen wollen. Wie bekannt, häufen sich jedesmal zu Beginn der Reichstagssessionen die Gerüchte von einer durchgreifenden Aenderung der Centralverwaltung des Reichslandes, Aufhe¬ bung der Bezirkspräsidien, sogar des Overpräsidiums in Straßburg u. s. w. Gerüchte, oft recht abenteuerlicher Natur. Daß solch durchgreifende Aenderungen den Elsaß-Lothringern, namentlich den Hauptstädten des Landes, xost tot äis- erimilig. nicht ganz erwünscht kommen, ist selbstverständlich. Doch läßt sich heute über den Grund oder Ungrund jener Gerüchte, die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit jener Maßregeln noch nicht discutiren. Einem der allzu naseweisen Blätter jener chauvinistischen Partei nun. deren Existenz im Reichslande nicht zu leugnen ist*), welches gerade in einen heftigen Federkrieg mit dem „Inäusti-ick slsseik»" über jene Frage gerathen war, ist kürz¬ lich ein merkwürdiges und unerwartetes Schicksal passirt. Es hat nämlich auf Grund des § 10 des Preßgesetzes und der darauf basirten Unterdrückung durch den Oberpräsidenten den Weg alles Fleisches wandern müssen. Wie? fragte man sich in den elsässischen Kreisen, ein Blatt, das der Regierung so nahe ") Dem „Neuen Straßburg"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/434>, abgerufen am 22.07.2024.