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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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stand, welches die deutschen Interessen a. tont xrix vertrat und das wir sogar
in dem Verdachte der Offiziösität hatten, mußte so urplötzlich nach einer fast
nur ephemeren Existenz von seinem Posten abdanken? Nein, die Sache liegt
ganz einfach, und was dem Einen kurz ist, ist dem Andern lang. Der Eigen¬
thümer und Redakteur dieses Blättchens ist ein etwas excentrischer Kopf, der
wie gesagt ü, tout xrix in Germanisirung des Elsasses machen und dabei oft
weiser und deutscher sein wollte, als die Bundesregierung, von der er an¬
fangs gefördert worden sein mag. Vor kurzem hat er Streit mit seinem
Chefredakteur bekommen und diesen häuslichen Zwist zu einem widrigen Zei¬
tungsskandal benützt, über den Deutsche und Elsässer die Achseln zuckten. Auch
sonst ließ er sich viele Ungezogenheiten in seinem Blatte zu Schulden kommen,
die weder ihm, noch der Regierung, noch endlich dem Lande ersprießlich sein
konnten. Letzteres mag auch wohl nie seine Absicht gewesen sein. Der Stil
desselben erinnerte fast an das bayrische "Unterland" und war voller studen¬
tischer Kraftausdrücke. Dies in ästhetischer Hinsicht. In publizistischer
haschte das Blatt geradezu nach Skandalgeschichten. wie es denn in seiner
letzten Nummer eine pikante Gerichtsscene über eine Liebelei zwischen einem
Geistlichen und seinem Beichtkind brachte, die von Freund und Feind lieber
ungelesen und unerwähnt gelassen worden wäre.

Endlich, und das mag wohl dem Blatte den Hals gekostet haben, hatte es in
derselben Nummer etwas zu viel aus der Schule geschwatzt, und dabei zur
Selbstvertheidigung dem Publikum Neuigkeiten aufgetischt, die allerdings etwas
bedenklich klangen und der Regierung nicht sonderlich willkommen sein mochten.
Es behauptete nämlich, daß das Straßburger Preßbüreau zur "Glorifizirung
der Staatshandlungen der kaiserl. Landesverwaltung" Correspondenzen an
auswärtige und reichsländische Blätter sende, die obschon jedesmal unter
anderen Zeichen doch stets "ein und denselben" Verfasser haben. Das schlug
dem hohlen Fasse den Boden aus -- und Regierung und Publikum haben
nicht viel verloren bei diesem "Krach". Auch ein Colmarer querköpfiges
Blatt, der "Klausur An Haut-Ma" ist kürzlich aus ähnlichen Gründen ein¬
gegangen.

Gestatten Sie mir endlich im Anschluß an das Thema von der Presse
noch die Mittheilung, daß auch die elsässischen Fachzeitschriften binnen kurzem
noch um ein gewiß schätzenswerthes Produkt bereichert werden sollen, das den
rastlosen Leipziger Oberhandelsgerichtsrath Dr. Puchelt und einen hiesigen
Appellrath zum Autor hat. Es soll nämlich die bisher im Anschluß an die
Puchelt'sche Zeitschrift über französ. Civilrecht erschienene "Gerichtszei¬
tung für Elsaß-Lothringen" in nächster Zeit selbständig in zehn Monatsheften
n Bogen herausgegeben werden. Dieselbe soll außer kurzen, AbHand-


stand, welches die deutschen Interessen a. tont xrix vertrat und das wir sogar
in dem Verdachte der Offiziösität hatten, mußte so urplötzlich nach einer fast
nur ephemeren Existenz von seinem Posten abdanken? Nein, die Sache liegt
ganz einfach, und was dem Einen kurz ist, ist dem Andern lang. Der Eigen¬
thümer und Redakteur dieses Blättchens ist ein etwas excentrischer Kopf, der
wie gesagt ü, tout xrix in Germanisirung des Elsasses machen und dabei oft
weiser und deutscher sein wollte, als die Bundesregierung, von der er an¬
fangs gefördert worden sein mag. Vor kurzem hat er Streit mit seinem
Chefredakteur bekommen und diesen häuslichen Zwist zu einem widrigen Zei¬
tungsskandal benützt, über den Deutsche und Elsässer die Achseln zuckten. Auch
sonst ließ er sich viele Ungezogenheiten in seinem Blatte zu Schulden kommen,
die weder ihm, noch der Regierung, noch endlich dem Lande ersprießlich sein
konnten. Letzteres mag auch wohl nie seine Absicht gewesen sein. Der Stil
desselben erinnerte fast an das bayrische „Unterland" und war voller studen¬
tischer Kraftausdrücke. Dies in ästhetischer Hinsicht. In publizistischer
haschte das Blatt geradezu nach Skandalgeschichten. wie es denn in seiner
letzten Nummer eine pikante Gerichtsscene über eine Liebelei zwischen einem
Geistlichen und seinem Beichtkind brachte, die von Freund und Feind lieber
ungelesen und unerwähnt gelassen worden wäre.

Endlich, und das mag wohl dem Blatte den Hals gekostet haben, hatte es in
derselben Nummer etwas zu viel aus der Schule geschwatzt, und dabei zur
Selbstvertheidigung dem Publikum Neuigkeiten aufgetischt, die allerdings etwas
bedenklich klangen und der Regierung nicht sonderlich willkommen sein mochten.
Es behauptete nämlich, daß das Straßburger Preßbüreau zur „Glorifizirung
der Staatshandlungen der kaiserl. Landesverwaltung" Correspondenzen an
auswärtige und reichsländische Blätter sende, die obschon jedesmal unter
anderen Zeichen doch stets „ein und denselben« Verfasser haben. Das schlug
dem hohlen Fasse den Boden aus — und Regierung und Publikum haben
nicht viel verloren bei diesem „Krach". Auch ein Colmarer querköpfiges
Blatt, der „Klausur An Haut-Ma» ist kürzlich aus ähnlichen Gründen ein¬
gegangen.

Gestatten Sie mir endlich im Anschluß an das Thema von der Presse
noch die Mittheilung, daß auch die elsässischen Fachzeitschriften binnen kurzem
noch um ein gewiß schätzenswerthes Produkt bereichert werden sollen, das den
rastlosen Leipziger Oberhandelsgerichtsrath Dr. Puchelt und einen hiesigen
Appellrath zum Autor hat. Es soll nämlich die bisher im Anschluß an die
Puchelt'sche Zeitschrift über französ. Civilrecht erschienene „Gerichtszei¬
tung für Elsaß-Lothringen" in nächster Zeit selbständig in zehn Monatsheften
n Bogen herausgegeben werden. Dieselbe soll außer kurzen, AbHand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/435>, abgerufen am 24.08.2024.