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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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und aufgeklärten Prinzipien von 1789 dem Elsässer von Geburt in sueonm
et La-nguinein übergegangen sind, mehr vielleicht, als manchem Franzosen ---
und auch manchem Deutschen; und daß die Herren von der langen Robe und
deren Einfluß in Gemeinde/ Schule und Familie den Leuten zur Zeit der
Restauration und des dritten napoleoniden mit Gewalt aufoctroirt worden sind.
Das hat jetzt alles aufgehört und wird hoffentlich nimmer wiederkehren. In
letzter Linie ist auch noch darauf hinzuweisen, daß das Hauptorgan des Landes,
das "Elsässer Journal", auf das die Meisten schwören, wie auf das heilige
Evangelium, prinzipiell pfaffenfeindliche Tendenzen vertritt, wenn dieselben
auch Heuer noch in durchaus kluger Politik nur verdeckt und gelegentlich darin
zum Vorschein kommen.

Einigermaßen aufgefallen ist es, daß dieses Blatt die neulichen Dar¬
legungen des Bundeskommissars Hertzog, welche durchweg die Annahme
aller vom Landesausschuß gegebenen Rathschläge und Wünsche -- Zu¬
schuß zur Landesuniversität aus Reichsfonds, Wiederherstellung von 10 auf¬
gehobenen alten Friedensgerichten, Verwerfung des Anleihe-Projektes und
dergl. verkündeten, nur mit der nüchternen Phrase "wir beeilen uns Akt da¬
von zu nehmen" begleitet hat, trotzdem es doch als der treueste Palladin
dieses Ausschusses und seiner Bestrebungen, und mehr oder weniger seither
als Friedensapostel aufgetreten ist. Charakteristisch aber ist die Aeußerung:
"Wir wollen aus diesem Berichte die Lehre ziehen, daß ein beständiges Ringen
förderlich ist, und daß die Beschäftigung mit den Landesangelegenheiten zu
Praktischen Resultaten führt, welche Lektion nicht verloren gehen darf." Ebenso
notorisch ist es ferner, daß jene Erörterungen im ganzen Lande eine aus¬
nehmende Befriedigung hinterlassen haben, vornehmlich der Passus über die
Steuern. Denn das ist für den gemeinen Mann und steuerzahlenden Bürger
und Bauer doch immer die Hauptsache. Und wenn ihm mit Ziffern und
Zahlen bündig nachgewiesen wird, daß er heute auf den Kopf 10 M. 69 Pfg.
weniger Steuern bezahlt, als unter dem französischen Regiment, so kann er
sich gegen dieses argumentum aä Kominsm nur noch mit den läppischen
Deklamationen eines Gerber wehren, daß die eigentlich Potenten unter den
Steuerzahlern ausgewandert seien, daß ersso(!) die Zurückgebliebenen mehr
Steuern zahlen müssen als früher; daß unter französischer Herrschaft in Folge
des Antheils an der Staatsschuld die Steuern nothwendig höher sein mußten
u. s. w. -- alles Argumentationen, die jener Jesuitenzögling mit echt jesui¬
tisch-dialektischer Logik zu verwerthen wußte; oder mit dem mephistophelisch-
meppenhaften Satze: "Gegen die Steuern ist die Abneigung allgemein, beson¬
ders stark im deutschen Volke, und wenn sie sich auch im Elsaß zeigt, so wer¬
den Sie vielleicht darin finden. daß wir noch ein Bischen Deutsch sind";
oder endlich mit dem Hinweis, der allerdings ein Körnchen Wahrheit in sich


und aufgeklärten Prinzipien von 1789 dem Elsässer von Geburt in sueonm
et La-nguinein übergegangen sind, mehr vielleicht, als manchem Franzosen —-
und auch manchem Deutschen; und daß die Herren von der langen Robe und
deren Einfluß in Gemeinde/ Schule und Familie den Leuten zur Zeit der
Restauration und des dritten napoleoniden mit Gewalt aufoctroirt worden sind.
Das hat jetzt alles aufgehört und wird hoffentlich nimmer wiederkehren. In
letzter Linie ist auch noch darauf hinzuweisen, daß das Hauptorgan des Landes,
das „Elsässer Journal", auf das die Meisten schwören, wie auf das heilige
Evangelium, prinzipiell pfaffenfeindliche Tendenzen vertritt, wenn dieselben
auch Heuer noch in durchaus kluger Politik nur verdeckt und gelegentlich darin
zum Vorschein kommen.

Einigermaßen aufgefallen ist es, daß dieses Blatt die neulichen Dar¬
legungen des Bundeskommissars Hertzog, welche durchweg die Annahme
aller vom Landesausschuß gegebenen Rathschläge und Wünsche — Zu¬
schuß zur Landesuniversität aus Reichsfonds, Wiederherstellung von 10 auf¬
gehobenen alten Friedensgerichten, Verwerfung des Anleihe-Projektes und
dergl. verkündeten, nur mit der nüchternen Phrase „wir beeilen uns Akt da¬
von zu nehmen" begleitet hat, trotzdem es doch als der treueste Palladin
dieses Ausschusses und seiner Bestrebungen, und mehr oder weniger seither
als Friedensapostel aufgetreten ist. Charakteristisch aber ist die Aeußerung:
»Wir wollen aus diesem Berichte die Lehre ziehen, daß ein beständiges Ringen
förderlich ist, und daß die Beschäftigung mit den Landesangelegenheiten zu
Praktischen Resultaten führt, welche Lektion nicht verloren gehen darf." Ebenso
notorisch ist es ferner, daß jene Erörterungen im ganzen Lande eine aus¬
nehmende Befriedigung hinterlassen haben, vornehmlich der Passus über die
Steuern. Denn das ist für den gemeinen Mann und steuerzahlenden Bürger
und Bauer doch immer die Hauptsache. Und wenn ihm mit Ziffern und
Zahlen bündig nachgewiesen wird, daß er heute auf den Kopf 10 M. 69 Pfg.
weniger Steuern bezahlt, als unter dem französischen Regiment, so kann er
sich gegen dieses argumentum aä Kominsm nur noch mit den läppischen
Deklamationen eines Gerber wehren, daß die eigentlich Potenten unter den
Steuerzahlern ausgewandert seien, daß ersso(!) die Zurückgebliebenen mehr
Steuern zahlen müssen als früher; daß unter französischer Herrschaft in Folge
des Antheils an der Staatsschuld die Steuern nothwendig höher sein mußten
u. s. w. — alles Argumentationen, die jener Jesuitenzögling mit echt jesui¬
tisch-dialektischer Logik zu verwerthen wußte; oder mit dem mephistophelisch-
meppenhaften Satze: „Gegen die Steuern ist die Abneigung allgemein, beson¬
ders stark im deutschen Volke, und wenn sie sich auch im Elsaß zeigt, so wer¬
den Sie vielleicht darin finden. daß wir noch ein Bischen Deutsch sind";
oder endlich mit dem Hinweis, der allerdings ein Körnchen Wahrheit in sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/433>, abgerufen am 22.07.2024.