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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Wissens zur Ehe, und der Schließung der Ehe und dieser selbst eine ganz
andere Bedeutung für sich und für das Leben, er soll den Brautleuten das
Bewußtsein geben, daß sie nicht nur eine menschliche, sondern eine göttliche
Ordnung herstellen*), für deren rechte Bewahrung sie Gott Rechenschaft zu
geben haben, -- eine Bedeutung der Eheschließung und Ehe selbst von un¬
sagbarer Bedeutung nach allen Rücksichten.

Und diesen hohen Zweck hat die katholische Kirche gewiß sehr nahe kom¬
mend erreicht, aber sie hat ihn erreicht, auf Kosten der Wahrheit.

Denn die Ehe ist kein Sacrament, sowenig als die andern vier heiligen
Handlungen, welche die katholische Kirche außer den von Chrysostomus und
Augustin und Alexander ab Hales und den Protestanten angenommenen jetzt
dafür ausgiebt. Zum Sacramente gehören und zwar nach der katholischen
Lehre selbst 1) die Einsetzung von Christo**). 2) von Christo verordnete sinn¬
liche Zeichen***), und 3) Vergebung der Sünde-j-). Es bedarf nun keiner
weiteren Erörterung, daß diese drei von der katholischen Kirche selbst als Er¬
fordernisse und Kennzeichen eines Sacraments angegebenen Bedingungen bei
keinem als bei Taufe und Abendmahl sich finden. Nur bei der Buße kann
man die Vergebung der Sünde mitbegriffen finden, aber alle Momente der
Buße gehören zum Abendmahle und werden bei ihm vorausgesetzt. Nament¬
lich fehlen aber nun jene 3 Erfordernisse und Kennzeichen eines Sacramentes
bei der Ehe. Sie ist nicht von Christo eingesetzt, sie hat kein von Christo
gegebenes sinnliches Zeichen, und ihr fehlt das Merkmal "zur Vergebung
der Sünde".

Im Gefühle dieser Sachlage hat schon Thomas de Aquino den Begriff
eines Sacraments dahin erweitert. die Sacramente hätten eine doppelte Be¬
stimmung: 1) als Heilmittel gegen die Sünde (remöäium contra xseea,es,), und
2) zur Vervollkommnung der Seele in den Dingen der Gottesverehrung nach
dem Brauch des christlichen Lebens (aä xerüeienäam animam iuMs Mas per-
tinsvt aä eultum äei seermäum riwm ckristitmae vitae). Aber es ist doch
allzuklar, daß das dem Begriffe eines christlichen Sacraments gar nicht mehr
entspricht. Ein Heilmittel gegen die Sünde ist gar vielerlei, z. B. die ganze
christliche Lehre, die christliche Liebe und Treue der Eltern. vor allem das
Gebet, alle sog. Tugendübungen, ohne daß sie darum Sacramente sind. Da¬
rum ist auch die gewöhnliche Begriffsbestimmung der katholischen Dogmatiker
"Heiligungsmittel" durchaus unzutreffend.






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Wissens zur Ehe, und der Schließung der Ehe und dieser selbst eine ganz
andere Bedeutung für sich und für das Leben, er soll den Brautleuten das
Bewußtsein geben, daß sie nicht nur eine menschliche, sondern eine göttliche
Ordnung herstellen*), für deren rechte Bewahrung sie Gott Rechenschaft zu
geben haben, — eine Bedeutung der Eheschließung und Ehe selbst von un¬
sagbarer Bedeutung nach allen Rücksichten.

Und diesen hohen Zweck hat die katholische Kirche gewiß sehr nahe kom¬
mend erreicht, aber sie hat ihn erreicht, auf Kosten der Wahrheit.

Denn die Ehe ist kein Sacrament, sowenig als die andern vier heiligen
Handlungen, welche die katholische Kirche außer den von Chrysostomus und
Augustin und Alexander ab Hales und den Protestanten angenommenen jetzt
dafür ausgiebt. Zum Sacramente gehören und zwar nach der katholischen
Lehre selbst 1) die Einsetzung von Christo**). 2) von Christo verordnete sinn¬
liche Zeichen***), und 3) Vergebung der Sünde-j-). Es bedarf nun keiner
weiteren Erörterung, daß diese drei von der katholischen Kirche selbst als Er¬
fordernisse und Kennzeichen eines Sacraments angegebenen Bedingungen bei
keinem als bei Taufe und Abendmahl sich finden. Nur bei der Buße kann
man die Vergebung der Sünde mitbegriffen finden, aber alle Momente der
Buße gehören zum Abendmahle und werden bei ihm vorausgesetzt. Nament¬
lich fehlen aber nun jene 3 Erfordernisse und Kennzeichen eines Sacramentes
bei der Ehe. Sie ist nicht von Christo eingesetzt, sie hat kein von Christo
gegebenes sinnliches Zeichen, und ihr fehlt das Merkmal „zur Vergebung
der Sünde".

Im Gefühle dieser Sachlage hat schon Thomas de Aquino den Begriff
eines Sacraments dahin erweitert. die Sacramente hätten eine doppelte Be¬
stimmung: 1) als Heilmittel gegen die Sünde (remöäium contra xseea,es,), und
2) zur Vervollkommnung der Seele in den Dingen der Gottesverehrung nach
dem Brauch des christlichen Lebens (aä xerüeienäam animam iuMs Mas per-
tinsvt aä eultum äei seermäum riwm ckristitmae vitae). Aber es ist doch
allzuklar, daß das dem Begriffe eines christlichen Sacraments gar nicht mehr
entspricht. Ein Heilmittel gegen die Sünde ist gar vielerlei, z. B. die ganze
christliche Lehre, die christliche Liebe und Treue der Eltern. vor allem das
Gebet, alle sog. Tugendübungen, ohne daß sie darum Sacramente sind. Da¬
rum ist auch die gewöhnliche Begriffsbestimmung der katholischen Dogmatiker
»Heiligungsmittel" durchaus unzutreffend.






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[0415] Wissens zur Ehe, und der Schließung der Ehe und dieser selbst eine ganz andere Bedeutung für sich und für das Leben, er soll den Brautleuten das Bewußtsein geben, daß sie nicht nur eine menschliche, sondern eine göttliche Ordnung herstellen*), für deren rechte Bewahrung sie Gott Rechenschaft zu geben haben, — eine Bedeutung der Eheschließung und Ehe selbst von un¬ sagbarer Bedeutung nach allen Rücksichten. Und diesen hohen Zweck hat die katholische Kirche gewiß sehr nahe kom¬ mend erreicht, aber sie hat ihn erreicht, auf Kosten der Wahrheit. Denn die Ehe ist kein Sacrament, sowenig als die andern vier heiligen Handlungen, welche die katholische Kirche außer den von Chrysostomus und Augustin und Alexander ab Hales und den Protestanten angenommenen jetzt dafür ausgiebt. Zum Sacramente gehören und zwar nach der katholischen Lehre selbst 1) die Einsetzung von Christo**). 2) von Christo verordnete sinn¬ liche Zeichen***), und 3) Vergebung der Sünde-j-). Es bedarf nun keiner weiteren Erörterung, daß diese drei von der katholischen Kirche selbst als Er¬ fordernisse und Kennzeichen eines Sacraments angegebenen Bedingungen bei keinem als bei Taufe und Abendmahl sich finden. Nur bei der Buße kann man die Vergebung der Sünde mitbegriffen finden, aber alle Momente der Buße gehören zum Abendmahle und werden bei ihm vorausgesetzt. Nament¬ lich fehlen aber nun jene 3 Erfordernisse und Kennzeichen eines Sacramentes bei der Ehe. Sie ist nicht von Christo eingesetzt, sie hat kein von Christo gegebenes sinnliches Zeichen, und ihr fehlt das Merkmal „zur Vergebung der Sünde". Im Gefühle dieser Sachlage hat schon Thomas de Aquino den Begriff eines Sacraments dahin erweitert. die Sacramente hätten eine doppelte Be¬ stimmung: 1) als Heilmittel gegen die Sünde (remöäium contra xseea,es,), und 2) zur Vervollkommnung der Seele in den Dingen der Gottesverehrung nach dem Brauch des christlichen Lebens (aä xerüeienäam animam iuMs Mas per- tinsvt aä eultum äei seermäum riwm ckristitmae vitae). Aber es ist doch allzuklar, daß das dem Begriffe eines christlichen Sacraments gar nicht mehr entspricht. Ein Heilmittel gegen die Sünde ist gar vielerlei, z. B. die ganze christliche Lehre, die christliche Liebe und Treue der Eltern. vor allem das Gebet, alle sog. Tugendübungen, ohne daß sie darum Sacramente sind. Da¬ rum ist auch die gewöhnliche Begriffsbestimmung der katholischen Dogmatiker »Heiligungsmittel" durchaus unzutreffend. *) vouo. 1?ria. 8ess, XXIV, <-s.u. 1. vat. R. ?g,rs II, osp. VIII. -lussstio 10. 16. 25.** ) v»t. R. ?ars II, lzap. I. yuiwstio 6. 7. 8. 14. 0. «, II, any. I. <mi«zstio g — 8. ° 1) v. ki, ?. II, lZÄp. II. as saoraw. in ^ensis, <in. 18. — sratia Mtiüo»us.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/415>, abgerufen am 22.07.2024.