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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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am ersten Oktober verfassungsgemäß allerdings, aber nur geschrieben vor-
gelegte Budget ist zur Stunde, wo wir Ende November schreiben. noch nicht
in den Händen der Abgeordneten. Zwar soll es, wie man seit einigen Tagen
hört, endlich fertig gedruckt sein, allein ein so stattlicher Band mit fast 1000
Quartseiten, wie der Kostenvoranschlag des bayrischen Staatshaushalts ist.
will doch auch studirt sein, und das alles hätten Referenten und Nichtrese-
renten in der langen Wartezeit zwischen Kammervertagung und Wieder¬
berufung vornehmen können -- allein wir haben uns diesseits und jenseits
der Donau und des Mains noch niemals überstürzt: warum sollte es dies¬
mal geschehen?

Lassen wir jetzt die Politik, die wir aber als gewissenhafter Briefsteller
doch nicht ganz übergehen konnten. und schauen wir einmal auf ein fried¬
licheres, heitereres Gebiet, sür dessen Cultivirung die trüben Vorwintertage,
deren wir uns jetzt erfreuen, besonders geartet sind. Bei solchem sonnenlosen,
ewig stürmenden und in allen Variationen rumorenden Wetter, ist es nirgends
schön und behaglich. aber am unschönsten und unbehaglichsten gewiß in
München. Ein guter Theil des Renommes, das der guten Stadt durch ihre
Gesund- oder vielmehr Krankheitsverhältnisse eingebracht worden ist. datirt von
solchen abscheulichen Herbst- und Wintertagen. Ein ordentlicher, klarer strenger
Winter ist in München nervenstärkend und erfrischend, solches "Sudelwetter"
aber niederdrückend und typhusschwanger. Aber wir wollen -- man ist hier
sehr empfindlich dafür -- um alles in der Welt nicht den Schein auf uns
nehmen, als gehörten wir zu denen, welche die Leute vor unsrer Hauptstadt
.fürchten machen" -- wir wissen im Gegentheil recht gut. wie man sich, wenn
man nur will, auch bei solchen Zeiten hüten und schützen kann, aber der Un-
wuth, wenn man in Einem fort es regnen, höchstens einmal dazwischen hinein
schneien sieht, preßt einem schon manchmal ein bittres Wort aus. Um aber
gleich wieder einzulenken, so constatiren wir. daß man trotz Regnens. Schreiens
und Stürmens in München doch nicht ganz rathlos ist. wenn es sich z. B.
fragt, ob man nicht wenigstens ein Stück Wegs trockenen Hauptes und Fußes
"ehen kann. Da haben wir ja die Arcaden des Hofgartens, an deren
Wänden die herrlichen Landschaften Rottmann's nun, nachdem sie glücklich
von dem Verfall, dem sie bei dem, von dem italienischen doch etwas ab¬
stechenden Münchner Clima traurig schnell entgegengingen, durch eine gelungene
Restauration gerettet worden, in wohlverschlossenen Kästen abgesperrt sind, bis
die Sommertage wieder deren Oeffnung gestatten. -- und unter diesen Hallen
einen Spazierweg, um den manche Stadt die darin geschützt und geborgen
Wandelnden beneiden würde. Darum sind sie auch an regnerischen Tagen von
all denen gefüllt, welche an schönen und sonnigen die Maximiliansstraße zu
ihrem Corso machen. Fast ist dann da noch schwerer durchzukommen, als


Grenjboten IV. 1V7S. 60

am ersten Oktober verfassungsgemäß allerdings, aber nur geschrieben vor-
gelegte Budget ist zur Stunde, wo wir Ende November schreiben. noch nicht
in den Händen der Abgeordneten. Zwar soll es, wie man seit einigen Tagen
hört, endlich fertig gedruckt sein, allein ein so stattlicher Band mit fast 1000
Quartseiten, wie der Kostenvoranschlag des bayrischen Staatshaushalts ist.
will doch auch studirt sein, und das alles hätten Referenten und Nichtrese-
renten in der langen Wartezeit zwischen Kammervertagung und Wieder¬
berufung vornehmen können — allein wir haben uns diesseits und jenseits
der Donau und des Mains noch niemals überstürzt: warum sollte es dies¬
mal geschehen?

Lassen wir jetzt die Politik, die wir aber als gewissenhafter Briefsteller
doch nicht ganz übergehen konnten. und schauen wir einmal auf ein fried¬
licheres, heitereres Gebiet, sür dessen Cultivirung die trüben Vorwintertage,
deren wir uns jetzt erfreuen, besonders geartet sind. Bei solchem sonnenlosen,
ewig stürmenden und in allen Variationen rumorenden Wetter, ist es nirgends
schön und behaglich. aber am unschönsten und unbehaglichsten gewiß in
München. Ein guter Theil des Renommes, das der guten Stadt durch ihre
Gesund- oder vielmehr Krankheitsverhältnisse eingebracht worden ist. datirt von
solchen abscheulichen Herbst- und Wintertagen. Ein ordentlicher, klarer strenger
Winter ist in München nervenstärkend und erfrischend, solches „Sudelwetter"
aber niederdrückend und typhusschwanger. Aber wir wollen — man ist hier
sehr empfindlich dafür — um alles in der Welt nicht den Schein auf uns
nehmen, als gehörten wir zu denen, welche die Leute vor unsrer Hauptstadt
.fürchten machen" — wir wissen im Gegentheil recht gut. wie man sich, wenn
man nur will, auch bei solchen Zeiten hüten und schützen kann, aber der Un-
wuth, wenn man in Einem fort es regnen, höchstens einmal dazwischen hinein
schneien sieht, preßt einem schon manchmal ein bittres Wort aus. Um aber
gleich wieder einzulenken, so constatiren wir. daß man trotz Regnens. Schreiens
und Stürmens in München doch nicht ganz rathlos ist. wenn es sich z. B.
fragt, ob man nicht wenigstens ein Stück Wegs trockenen Hauptes und Fußes
»ehen kann. Da haben wir ja die Arcaden des Hofgartens, an deren
Wänden die herrlichen Landschaften Rottmann's nun, nachdem sie glücklich
von dem Verfall, dem sie bei dem, von dem italienischen doch etwas ab¬
stechenden Münchner Clima traurig schnell entgegengingen, durch eine gelungene
Restauration gerettet worden, in wohlverschlossenen Kästen abgesperrt sind, bis
die Sommertage wieder deren Oeffnung gestatten. — und unter diesen Hallen
einen Spazierweg, um den manche Stadt die darin geschützt und geborgen
Wandelnden beneiden würde. Darum sind sie auch an regnerischen Tagen von
all denen gefüllt, welche an schönen und sonnigen die Maximiliansstraße zu
ihrem Corso machen. Fast ist dann da noch schwerer durchzukommen, als


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[0397] am ersten Oktober verfassungsgemäß allerdings, aber nur geschrieben vor- gelegte Budget ist zur Stunde, wo wir Ende November schreiben. noch nicht in den Händen der Abgeordneten. Zwar soll es, wie man seit einigen Tagen hört, endlich fertig gedruckt sein, allein ein so stattlicher Band mit fast 1000 Quartseiten, wie der Kostenvoranschlag des bayrischen Staatshaushalts ist. will doch auch studirt sein, und das alles hätten Referenten und Nichtrese- renten in der langen Wartezeit zwischen Kammervertagung und Wieder¬ berufung vornehmen können — allein wir haben uns diesseits und jenseits der Donau und des Mains noch niemals überstürzt: warum sollte es dies¬ mal geschehen? Lassen wir jetzt die Politik, die wir aber als gewissenhafter Briefsteller doch nicht ganz übergehen konnten. und schauen wir einmal auf ein fried¬ licheres, heitereres Gebiet, sür dessen Cultivirung die trüben Vorwintertage, deren wir uns jetzt erfreuen, besonders geartet sind. Bei solchem sonnenlosen, ewig stürmenden und in allen Variationen rumorenden Wetter, ist es nirgends schön und behaglich. aber am unschönsten und unbehaglichsten gewiß in München. Ein guter Theil des Renommes, das der guten Stadt durch ihre Gesund- oder vielmehr Krankheitsverhältnisse eingebracht worden ist. datirt von solchen abscheulichen Herbst- und Wintertagen. Ein ordentlicher, klarer strenger Winter ist in München nervenstärkend und erfrischend, solches „Sudelwetter" aber niederdrückend und typhusschwanger. Aber wir wollen — man ist hier sehr empfindlich dafür — um alles in der Welt nicht den Schein auf uns nehmen, als gehörten wir zu denen, welche die Leute vor unsrer Hauptstadt .fürchten machen" — wir wissen im Gegentheil recht gut. wie man sich, wenn man nur will, auch bei solchen Zeiten hüten und schützen kann, aber der Un- wuth, wenn man in Einem fort es regnen, höchstens einmal dazwischen hinein schneien sieht, preßt einem schon manchmal ein bittres Wort aus. Um aber gleich wieder einzulenken, so constatiren wir. daß man trotz Regnens. Schreiens und Stürmens in München doch nicht ganz rathlos ist. wenn es sich z. B. fragt, ob man nicht wenigstens ein Stück Wegs trockenen Hauptes und Fußes »ehen kann. Da haben wir ja die Arcaden des Hofgartens, an deren Wänden die herrlichen Landschaften Rottmann's nun, nachdem sie glücklich von dem Verfall, dem sie bei dem, von dem italienischen doch etwas ab¬ stechenden Münchner Clima traurig schnell entgegengingen, durch eine gelungene Restauration gerettet worden, in wohlverschlossenen Kästen abgesperrt sind, bis die Sommertage wieder deren Oeffnung gestatten. — und unter diesen Hallen einen Spazierweg, um den manche Stadt die darin geschützt und geborgen Wandelnden beneiden würde. Darum sind sie auch an regnerischen Tagen von all denen gefüllt, welche an schönen und sonnigen die Maximiliansstraße zu ihrem Corso machen. Fast ist dann da noch schwerer durchzukommen, als Grenjboten IV. 1V7S. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/397>, abgerufen am 22.07.2024.