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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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groß oder klein, gleichviel Stimmen zuerkannten, bekämpfte PfYffer diesen Ent¬
wurf, der denn auch von der Eidgenossenschaft verworfen wurde. Erst bei der
Bundesverfassung vom Jahre 1848, theilweise erst vom Jahre 1874 hatte
Pfyffer die allerdings große Genugthuung zu sehen, daß seine Ideen zum
Durchbruch gelangt waren.

Die Erstere ins Dasein zu rufen, dazu trug damals der Kanonendonner
vor dem antischweizenschen. den Jesuiten verkauften Luzern mächtig bei. Es
wäre Pfyffer ein Leichtes gewesen im Jahre 1834. als sein Bruder Eduard
einem Schlagfluß erlag, in dessen Fußstapfen zutreten und die Stellung eines
Präsidenten am Obergericht mit der ersten Stelle im Staat zu vertauschen;
allein er zog es vor, sein juridisches Amt beizubehalten und der Rechtspflege
treu zu bleiben. zu welcher er durch Kenntnisse und Begabung berufen war.
Auch schöpferisch trat er auf diesem Gebiete auf, indem er dem Canton uach
und nach ein ganzes bürgerliches Gesetzbuch, sowie einen vollständigen Stras-
codex ausarbeitete. Wenn er trotz dieser Verdienste unter dem verhängniß-
vollen Regiment Siegwart-Leu von seiner Stelle entfernt, ja sogar mit echter
Perfidie ver Mitschuld an dem Morde Leu's angeklagt und unschuldig ins
Gefängniß geworfen wurde, so kann sich nur der darüber wundern, der jene
edlen Regierungsseelen und ihre Beichtväter, die Jesuiten, nicht kennt. In
den Augen der ganzen Eidgenossenschaft stand Pfyffer von Anfang an makel¬
los da. noch ehe die richterlichen Beweise seine Unschuld glänzend darge¬
than hatten. Als das Jesuitenregiment in Folge des Sonderbundfeldzuges
gestürzt war. kehrte Pfyffer in seine frühere Stellung zurück. Die Eidgenossen¬
schaft aber ehrte den hervorragenden Juristen. Richter und Staatsmann, den
treuen Mitarbeiter am Bunde von 1848 durch die Wahl ins Bundesgericht
und durch wiederholte Berufung auf dessen Präsidentenstuhl. In diesen Stell¬
ungen verblieb er. bis der Sieg der Ultramontanen in Luzern ihn von neuem
im cantonalen Dienst bei Seite setzte und zunehmendes Alter ihm Ruhe
empfahl. Aber er blieb in seiner Zurückgezogenheit nicht vergessen und bleibt
es auch jetzt nach seinem Hinschied nicht; jeder echte Schweizer wird ihm eine
dankbare Erinnerung bewahren.

Durch Studien und Geistesrichtung aufs innigste mit ihm verwandt und
durch den nämlichen, unerschütterlichen Rechtssinn ausgezeichnet war Blumer,
der fast als Erbe seines Wirkens und Strebens bezeichnet werden kann.

Blumer war 25 Jahre jünger (1819 in Glarus geboren). Ausgebildet
auf dem Gymnasium zu Schaffhausen, auf den Universitäten von Zürich,
Bern und Berlin, war er kaum nach Hause zurückgekehrt, als er auch schon
ins öffentliche Leben o^oc;en wurde. In kleinen Cantonen ist dieß zwar nicht
immer ein Beweis der Befähigung, sondern meist Sache der Tradition. Wenn


groß oder klein, gleichviel Stimmen zuerkannten, bekämpfte PfYffer diesen Ent¬
wurf, der denn auch von der Eidgenossenschaft verworfen wurde. Erst bei der
Bundesverfassung vom Jahre 1848, theilweise erst vom Jahre 1874 hatte
Pfyffer die allerdings große Genugthuung zu sehen, daß seine Ideen zum
Durchbruch gelangt waren.

Die Erstere ins Dasein zu rufen, dazu trug damals der Kanonendonner
vor dem antischweizenschen. den Jesuiten verkauften Luzern mächtig bei. Es
wäre Pfyffer ein Leichtes gewesen im Jahre 1834. als sein Bruder Eduard
einem Schlagfluß erlag, in dessen Fußstapfen zutreten und die Stellung eines
Präsidenten am Obergericht mit der ersten Stelle im Staat zu vertauschen;
allein er zog es vor, sein juridisches Amt beizubehalten und der Rechtspflege
treu zu bleiben. zu welcher er durch Kenntnisse und Begabung berufen war.
Auch schöpferisch trat er auf diesem Gebiete auf, indem er dem Canton uach
und nach ein ganzes bürgerliches Gesetzbuch, sowie einen vollständigen Stras-
codex ausarbeitete. Wenn er trotz dieser Verdienste unter dem verhängniß-
vollen Regiment Siegwart-Leu von seiner Stelle entfernt, ja sogar mit echter
Perfidie ver Mitschuld an dem Morde Leu's angeklagt und unschuldig ins
Gefängniß geworfen wurde, so kann sich nur der darüber wundern, der jene
edlen Regierungsseelen und ihre Beichtväter, die Jesuiten, nicht kennt. In
den Augen der ganzen Eidgenossenschaft stand Pfyffer von Anfang an makel¬
los da. noch ehe die richterlichen Beweise seine Unschuld glänzend darge¬
than hatten. Als das Jesuitenregiment in Folge des Sonderbundfeldzuges
gestürzt war. kehrte Pfyffer in seine frühere Stellung zurück. Die Eidgenossen¬
schaft aber ehrte den hervorragenden Juristen. Richter und Staatsmann, den
treuen Mitarbeiter am Bunde von 1848 durch die Wahl ins Bundesgericht
und durch wiederholte Berufung auf dessen Präsidentenstuhl. In diesen Stell¬
ungen verblieb er. bis der Sieg der Ultramontanen in Luzern ihn von neuem
im cantonalen Dienst bei Seite setzte und zunehmendes Alter ihm Ruhe
empfahl. Aber er blieb in seiner Zurückgezogenheit nicht vergessen und bleibt
es auch jetzt nach seinem Hinschied nicht; jeder echte Schweizer wird ihm eine
dankbare Erinnerung bewahren.

Durch Studien und Geistesrichtung aufs innigste mit ihm verwandt und
durch den nämlichen, unerschütterlichen Rechtssinn ausgezeichnet war Blumer,
der fast als Erbe seines Wirkens und Strebens bezeichnet werden kann.

Blumer war 25 Jahre jünger (1819 in Glarus geboren). Ausgebildet
auf dem Gymnasium zu Schaffhausen, auf den Universitäten von Zürich,
Bern und Berlin, war er kaum nach Hause zurückgekehrt, als er auch schon
ins öffentliche Leben o^oc;en wurde. In kleinen Cantonen ist dieß zwar nicht
immer ein Beweis der Befähigung, sondern meist Sache der Tradition. Wenn


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[0391] groß oder klein, gleichviel Stimmen zuerkannten, bekämpfte PfYffer diesen Ent¬ wurf, der denn auch von der Eidgenossenschaft verworfen wurde. Erst bei der Bundesverfassung vom Jahre 1848, theilweise erst vom Jahre 1874 hatte Pfyffer die allerdings große Genugthuung zu sehen, daß seine Ideen zum Durchbruch gelangt waren. Die Erstere ins Dasein zu rufen, dazu trug damals der Kanonendonner vor dem antischweizenschen. den Jesuiten verkauften Luzern mächtig bei. Es wäre Pfyffer ein Leichtes gewesen im Jahre 1834. als sein Bruder Eduard einem Schlagfluß erlag, in dessen Fußstapfen zutreten und die Stellung eines Präsidenten am Obergericht mit der ersten Stelle im Staat zu vertauschen; allein er zog es vor, sein juridisches Amt beizubehalten und der Rechtspflege treu zu bleiben. zu welcher er durch Kenntnisse und Begabung berufen war. Auch schöpferisch trat er auf diesem Gebiete auf, indem er dem Canton uach und nach ein ganzes bürgerliches Gesetzbuch, sowie einen vollständigen Stras- codex ausarbeitete. Wenn er trotz dieser Verdienste unter dem verhängniß- vollen Regiment Siegwart-Leu von seiner Stelle entfernt, ja sogar mit echter Perfidie ver Mitschuld an dem Morde Leu's angeklagt und unschuldig ins Gefängniß geworfen wurde, so kann sich nur der darüber wundern, der jene edlen Regierungsseelen und ihre Beichtväter, die Jesuiten, nicht kennt. In den Augen der ganzen Eidgenossenschaft stand Pfyffer von Anfang an makel¬ los da. noch ehe die richterlichen Beweise seine Unschuld glänzend darge¬ than hatten. Als das Jesuitenregiment in Folge des Sonderbundfeldzuges gestürzt war. kehrte Pfyffer in seine frühere Stellung zurück. Die Eidgenossen¬ schaft aber ehrte den hervorragenden Juristen. Richter und Staatsmann, den treuen Mitarbeiter am Bunde von 1848 durch die Wahl ins Bundesgericht und durch wiederholte Berufung auf dessen Präsidentenstuhl. In diesen Stell¬ ungen verblieb er. bis der Sieg der Ultramontanen in Luzern ihn von neuem im cantonalen Dienst bei Seite setzte und zunehmendes Alter ihm Ruhe empfahl. Aber er blieb in seiner Zurückgezogenheit nicht vergessen und bleibt es auch jetzt nach seinem Hinschied nicht; jeder echte Schweizer wird ihm eine dankbare Erinnerung bewahren. Durch Studien und Geistesrichtung aufs innigste mit ihm verwandt und durch den nämlichen, unerschütterlichen Rechtssinn ausgezeichnet war Blumer, der fast als Erbe seines Wirkens und Strebens bezeichnet werden kann. Blumer war 25 Jahre jünger (1819 in Glarus geboren). Ausgebildet auf dem Gymnasium zu Schaffhausen, auf den Universitäten von Zürich, Bern und Berlin, war er kaum nach Hause zurückgekehrt, als er auch schon ins öffentliche Leben o^oc;en wurde. In kleinen Cantonen ist dieß zwar nicht immer ein Beweis der Befähigung, sondern meist Sache der Tradition. Wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/391>, abgerufen am 22.07.2024.