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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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aber Blumer zu der Stellung eines Gerichtspräsidenten erster und zweiter
Instanz als Nachfolger seines Vaters berufen wurde, so traf hier die Wahl
zugleich ein wirkliches Talent; er blieb seiner Stellung und auch der eines
glarnerischen Landrathes treu, bis vor kurzer Zeit, wo die ehrenvolle Wahl
zum Bundesgerichtspräsidenten ihn nöthigte, Amt und Heimath zu verlasse
und sich in Lausanne anzusiedeln. Früh schon hatte ihn das Vertrauen seiner
Mitbürger zum Abgesandten an die schweizerische Tagsatzung gesandt, in wel-
cher er den folgenreichen Sitzungen der Jahre 1847 und 48 beiwohnte, welche
die Auflösung des Sonderbundes und die Gründung der neuen Bundesver¬
fassung zu Stande brachten.

Seit dieser Zeit vertrat Blumer seinen Heimathcanton beinahe ohne
Unterbrechung, außer wenn er sich selber eine Wahl verbat, im Ständerath;
wiederholt bekleidete er die Würde eines Präsidenten in demselben. An den
wichtigsten Arbeiten und Berathungen nahm er stets als Commissionsmitglied
oder als Berichterstatter den hervorragendsten Antheil und nie wurde eine
Frage von etwelchem Belang im Schooße jener Behörde berathen, ohne daß
man sich in den politischen Kreisen der Eidgenossenschaft fragte oder im Stillen
dachte: "Was wird Blumer dazu sagen?" Schon bei der ersten Constituirung
des Bundesgerichtes 1848 war Blumer in dieses Collegium gewählt worden
und bekleidete seither mehreremals die Stelle eines Präsidenten. Hier war,
Wie im Ständerath, sein Ansehen und sein Einfluß so hervorragend, daß, als
jenes Gericht durch die 1874 er Bundesverfassung eine ständige Behörde
wurde, keinen Augenblick ein Zweifel darüber bestehen konnte, daß Blumer
zum Präsidenten desselben wie geschaffen und der eigentliche Mann dazu sei,
es beim Publikum zu accreditiren. Neben seiner eminenten staatsmännischen
und richterlichen Thätigkeit, vernachlässigte er aber auch das streng wissenschaft¬
liche Studium nicht. Beredte Zeugen dafür sind seine gediegene "Staats- und
Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratieen", sein "schweizerisches Bundes¬
staatsrecht" und zahlreiche kleinere Abhandlungen auf ähnlichen Gebieten. In
dieser ehrenvollen Stellung sollte ihm jedoch kein langes Wirken vergönnt
sein. Noch ist der Kreislauf eines Jahres nicht vollendet und aus dem
schönsten Wirken heraus reißt ihn die kalte Hand des Todes. In seinem
J^h- Wirken aber ist ihm der schönste Denkstein gesetzt.




aber Blumer zu der Stellung eines Gerichtspräsidenten erster und zweiter
Instanz als Nachfolger seines Vaters berufen wurde, so traf hier die Wahl
zugleich ein wirkliches Talent; er blieb seiner Stellung und auch der eines
glarnerischen Landrathes treu, bis vor kurzer Zeit, wo die ehrenvolle Wahl
zum Bundesgerichtspräsidenten ihn nöthigte, Amt und Heimath zu verlasse
und sich in Lausanne anzusiedeln. Früh schon hatte ihn das Vertrauen seiner
Mitbürger zum Abgesandten an die schweizerische Tagsatzung gesandt, in wel-
cher er den folgenreichen Sitzungen der Jahre 1847 und 48 beiwohnte, welche
die Auflösung des Sonderbundes und die Gründung der neuen Bundesver¬
fassung zu Stande brachten.

Seit dieser Zeit vertrat Blumer seinen Heimathcanton beinahe ohne
Unterbrechung, außer wenn er sich selber eine Wahl verbat, im Ständerath;
wiederholt bekleidete er die Würde eines Präsidenten in demselben. An den
wichtigsten Arbeiten und Berathungen nahm er stets als Commissionsmitglied
oder als Berichterstatter den hervorragendsten Antheil und nie wurde eine
Frage von etwelchem Belang im Schooße jener Behörde berathen, ohne daß
man sich in den politischen Kreisen der Eidgenossenschaft fragte oder im Stillen
dachte: „Was wird Blumer dazu sagen?" Schon bei der ersten Constituirung
des Bundesgerichtes 1848 war Blumer in dieses Collegium gewählt worden
und bekleidete seither mehreremals die Stelle eines Präsidenten. Hier war,
Wie im Ständerath, sein Ansehen und sein Einfluß so hervorragend, daß, als
jenes Gericht durch die 1874 er Bundesverfassung eine ständige Behörde
wurde, keinen Augenblick ein Zweifel darüber bestehen konnte, daß Blumer
zum Präsidenten desselben wie geschaffen und der eigentliche Mann dazu sei,
es beim Publikum zu accreditiren. Neben seiner eminenten staatsmännischen
und richterlichen Thätigkeit, vernachlässigte er aber auch das streng wissenschaft¬
liche Studium nicht. Beredte Zeugen dafür sind seine gediegene „Staats- und
Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratieen", sein „schweizerisches Bundes¬
staatsrecht" und zahlreiche kleinere Abhandlungen auf ähnlichen Gebieten. In
dieser ehrenvollen Stellung sollte ihm jedoch kein langes Wirken vergönnt
sein. Noch ist der Kreislauf eines Jahres nicht vollendet und aus dem
schönsten Wirken heraus reißt ihn die kalte Hand des Todes. In seinem
J^h- Wirken aber ist ihm der schönste Denkstein gesetzt.




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[0392] aber Blumer zu der Stellung eines Gerichtspräsidenten erster und zweiter Instanz als Nachfolger seines Vaters berufen wurde, so traf hier die Wahl zugleich ein wirkliches Talent; er blieb seiner Stellung und auch der eines glarnerischen Landrathes treu, bis vor kurzer Zeit, wo die ehrenvolle Wahl zum Bundesgerichtspräsidenten ihn nöthigte, Amt und Heimath zu verlasse und sich in Lausanne anzusiedeln. Früh schon hatte ihn das Vertrauen seiner Mitbürger zum Abgesandten an die schweizerische Tagsatzung gesandt, in wel- cher er den folgenreichen Sitzungen der Jahre 1847 und 48 beiwohnte, welche die Auflösung des Sonderbundes und die Gründung der neuen Bundesver¬ fassung zu Stande brachten. Seit dieser Zeit vertrat Blumer seinen Heimathcanton beinahe ohne Unterbrechung, außer wenn er sich selber eine Wahl verbat, im Ständerath; wiederholt bekleidete er die Würde eines Präsidenten in demselben. An den wichtigsten Arbeiten und Berathungen nahm er stets als Commissionsmitglied oder als Berichterstatter den hervorragendsten Antheil und nie wurde eine Frage von etwelchem Belang im Schooße jener Behörde berathen, ohne daß man sich in den politischen Kreisen der Eidgenossenschaft fragte oder im Stillen dachte: „Was wird Blumer dazu sagen?" Schon bei der ersten Constituirung des Bundesgerichtes 1848 war Blumer in dieses Collegium gewählt worden und bekleidete seither mehreremals die Stelle eines Präsidenten. Hier war, Wie im Ständerath, sein Ansehen und sein Einfluß so hervorragend, daß, als jenes Gericht durch die 1874 er Bundesverfassung eine ständige Behörde wurde, keinen Augenblick ein Zweifel darüber bestehen konnte, daß Blumer zum Präsidenten desselben wie geschaffen und der eigentliche Mann dazu sei, es beim Publikum zu accreditiren. Neben seiner eminenten staatsmännischen und richterlichen Thätigkeit, vernachlässigte er aber auch das streng wissenschaft¬ liche Studium nicht. Beredte Zeugen dafür sind seine gediegene „Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratieen", sein „schweizerisches Bundes¬ staatsrecht" und zahlreiche kleinere Abhandlungen auf ähnlichen Gebieten. In dieser ehrenvollen Stellung sollte ihm jedoch kein langes Wirken vergönnt sein. Noch ist der Kreislauf eines Jahres nicht vollendet und aus dem schönsten Wirken heraus reißt ihn die kalte Hand des Todes. In seinem J^h- Wirken aber ist ihm der schönste Denkstein gesetzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/392>, abgerufen am 22.07.2024.