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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Feste anstellen statt der Fasten und mit Spiel und Tanz den Herrn feiern,
der erfüllen wolle, was er den künftigen Zeiten verheißen habe.

Diese Ansprache that ihre Wirkung, wohin sie gelangte, zunächst in Je¬
rusalem, dann allmählich in der ganzen Levante. In weiten Kreisen ließ
man hier Gewerbe und Handel im Stich, um sich Lustbarkeiten hinzugeben
und Loblieder auf Adonaj zu singen, der die Trauer seines Volkes in Freude
verkehrt hatte. Niemand in Jerusalem zweifelte daran; denn der Messias
hatte sich inzwischen auch durch Wunder legitimirt.

Im Kidronthale unter dem Tempelhügel steht eine kleine Steinpyramide,
die das Grab des Zacharias heißt. Die christliche Sage hält sie für das
Grabmal des Matth. 23, 35 erwähnten Zacharias, des Sohns des Bara-
chias, den die Juden dort, wie die Stelle ohne weitere Angaben sagt, zwischen
Tempel und Altar getödtet. Die jüdische Tradition aber läßt hier einen
andern Zacharias begraben sein, von dem es 2. Chron. 24, 19 ff. heißt: "Er
sandte aber Propheten zu ihnen, daß sie sich zu dem Herrn bekehren sollten,
und die bezeugten ihnen, aber sie nahmen es nicht zu Ohren. Und der Geist
Gottes zog an Zacharias, den Sohn Jojadas, des Priesters. Der trat oben
über das Volk und sprach zu ihnen: So spricht Gott: Warum übertretet
ihr die Gebote des Herrn, das euch nicht gelingen wird? Denn ihr habt den
Herrn verlassen, so wird er euch wieder verlassen. Aber sie machten einen
Bund wider ihn und steinigten ihn nach dem Gebote des Königs im Hofe
am Hause des Herrn. Da er aber starb, sprach er: Der Herr wird ^s sehen
und suchen." Hier erschien eines Tages der Messias Sabbathaj Zevi im
Geleite seiner Rabbiner und vielen andern Volkes und gebot dem todten
Propheten, aufzustehen und zu bezeugen, daß er sich mit Israel ausgesöhnt
habe, und siehe da, der alte Märtyrer trat wirklich aus seinem Grabe,
einen Wasserkrug in der Hand, um seine Mörder von seinem Blute rein zu
waschen.

Weiterhin und beim Dorfe silva befinden sich große jüdische Begräbnis
Plätze und verschiedene Grabhöhlen, in denen berühmte Rabbiner der alten
Zeit liegen sollen, und hier erlebte die staunende Menge ein zweites Wunder:
Die längstverstorbenen Heiligen regten sich unter der Erde, und deutlich ver¬
nahm man, wie ^sie den Messias mit Hosiannah begrüßten. Der Prophet
Nathan aber, der als Elias auch andere große Dinge zu Stande brachte,
zum Beispiel Feuer vom Himmel fallen ließ, sah sogar die Leiber der Rabbiner
über ihren Grüften schweben.

Ein drittes Wunder war noch erstaunlicher, da es einen ungläubigen
Türken überzeugte oder wenigstens beschwichtigte. Die Kunde von dem
Messias der Juden hatte den Kadi veranlaßt, ihn zur Verantwortung vor sich
zu bescheiden. Derselbe erschien mit Nathan und anderen von seinen An-


Feste anstellen statt der Fasten und mit Spiel und Tanz den Herrn feiern,
der erfüllen wolle, was er den künftigen Zeiten verheißen habe.

Diese Ansprache that ihre Wirkung, wohin sie gelangte, zunächst in Je¬
rusalem, dann allmählich in der ganzen Levante. In weiten Kreisen ließ
man hier Gewerbe und Handel im Stich, um sich Lustbarkeiten hinzugeben
und Loblieder auf Adonaj zu singen, der die Trauer seines Volkes in Freude
verkehrt hatte. Niemand in Jerusalem zweifelte daran; denn der Messias
hatte sich inzwischen auch durch Wunder legitimirt.

Im Kidronthale unter dem Tempelhügel steht eine kleine Steinpyramide,
die das Grab des Zacharias heißt. Die christliche Sage hält sie für das
Grabmal des Matth. 23, 35 erwähnten Zacharias, des Sohns des Bara-
chias, den die Juden dort, wie die Stelle ohne weitere Angaben sagt, zwischen
Tempel und Altar getödtet. Die jüdische Tradition aber läßt hier einen
andern Zacharias begraben sein, von dem es 2. Chron. 24, 19 ff. heißt: »Er
sandte aber Propheten zu ihnen, daß sie sich zu dem Herrn bekehren sollten,
und die bezeugten ihnen, aber sie nahmen es nicht zu Ohren. Und der Geist
Gottes zog an Zacharias, den Sohn Jojadas, des Priesters. Der trat oben
über das Volk und sprach zu ihnen: So spricht Gott: Warum übertretet
ihr die Gebote des Herrn, das euch nicht gelingen wird? Denn ihr habt den
Herrn verlassen, so wird er euch wieder verlassen. Aber sie machten einen
Bund wider ihn und steinigten ihn nach dem Gebote des Königs im Hofe
am Hause des Herrn. Da er aber starb, sprach er: Der Herr wird ^s sehen
und suchen." Hier erschien eines Tages der Messias Sabbathaj Zevi im
Geleite seiner Rabbiner und vielen andern Volkes und gebot dem todten
Propheten, aufzustehen und zu bezeugen, daß er sich mit Israel ausgesöhnt
habe, und siehe da, der alte Märtyrer trat wirklich aus seinem Grabe,
einen Wasserkrug in der Hand, um seine Mörder von seinem Blute rein zu
waschen.

Weiterhin und beim Dorfe silva befinden sich große jüdische Begräbnis
Plätze und verschiedene Grabhöhlen, in denen berühmte Rabbiner der alten
Zeit liegen sollen, und hier erlebte die staunende Menge ein zweites Wunder:
Die längstverstorbenen Heiligen regten sich unter der Erde, und deutlich ver¬
nahm man, wie ^sie den Messias mit Hosiannah begrüßten. Der Prophet
Nathan aber, der als Elias auch andere große Dinge zu Stande brachte,
zum Beispiel Feuer vom Himmel fallen ließ, sah sogar die Leiber der Rabbiner
über ihren Grüften schweben.

Ein drittes Wunder war noch erstaunlicher, da es einen ungläubigen
Türken überzeugte oder wenigstens beschwichtigte. Die Kunde von dem
Messias der Juden hatte den Kadi veranlaßt, ihn zur Verantwortung vor sich
zu bescheiden. Derselbe erschien mit Nathan und anderen von seinen An-


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[0294] Feste anstellen statt der Fasten und mit Spiel und Tanz den Herrn feiern, der erfüllen wolle, was er den künftigen Zeiten verheißen habe. Diese Ansprache that ihre Wirkung, wohin sie gelangte, zunächst in Je¬ rusalem, dann allmählich in der ganzen Levante. In weiten Kreisen ließ man hier Gewerbe und Handel im Stich, um sich Lustbarkeiten hinzugeben und Loblieder auf Adonaj zu singen, der die Trauer seines Volkes in Freude verkehrt hatte. Niemand in Jerusalem zweifelte daran; denn der Messias hatte sich inzwischen auch durch Wunder legitimirt. Im Kidronthale unter dem Tempelhügel steht eine kleine Steinpyramide, die das Grab des Zacharias heißt. Die christliche Sage hält sie für das Grabmal des Matth. 23, 35 erwähnten Zacharias, des Sohns des Bara- chias, den die Juden dort, wie die Stelle ohne weitere Angaben sagt, zwischen Tempel und Altar getödtet. Die jüdische Tradition aber läßt hier einen andern Zacharias begraben sein, von dem es 2. Chron. 24, 19 ff. heißt: »Er sandte aber Propheten zu ihnen, daß sie sich zu dem Herrn bekehren sollten, und die bezeugten ihnen, aber sie nahmen es nicht zu Ohren. Und der Geist Gottes zog an Zacharias, den Sohn Jojadas, des Priesters. Der trat oben über das Volk und sprach zu ihnen: So spricht Gott: Warum übertretet ihr die Gebote des Herrn, das euch nicht gelingen wird? Denn ihr habt den Herrn verlassen, so wird er euch wieder verlassen. Aber sie machten einen Bund wider ihn und steinigten ihn nach dem Gebote des Königs im Hofe am Hause des Herrn. Da er aber starb, sprach er: Der Herr wird ^s sehen und suchen." Hier erschien eines Tages der Messias Sabbathaj Zevi im Geleite seiner Rabbiner und vielen andern Volkes und gebot dem todten Propheten, aufzustehen und zu bezeugen, daß er sich mit Israel ausgesöhnt habe, und siehe da, der alte Märtyrer trat wirklich aus seinem Grabe, einen Wasserkrug in der Hand, um seine Mörder von seinem Blute rein zu waschen. Weiterhin und beim Dorfe silva befinden sich große jüdische Begräbnis Plätze und verschiedene Grabhöhlen, in denen berühmte Rabbiner der alten Zeit liegen sollen, und hier erlebte die staunende Menge ein zweites Wunder: Die längstverstorbenen Heiligen regten sich unter der Erde, und deutlich ver¬ nahm man, wie ^sie den Messias mit Hosiannah begrüßten. Der Prophet Nathan aber, der als Elias auch andere große Dinge zu Stande brachte, zum Beispiel Feuer vom Himmel fallen ließ, sah sogar die Leiber der Rabbiner über ihren Grüften schweben. Ein drittes Wunder war noch erstaunlicher, da es einen ungläubigen Türken überzeugte oder wenigstens beschwichtigte. Die Kunde von dem Messias der Juden hatte den Kadi veranlaßt, ihn zur Verantwortung vor sich zu bescheiden. Derselbe erschien mit Nathan und anderen von seinen An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/294>, abgerufen am 25.08.2024.