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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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die bisherige Ungleichheit in der Behandlung der Theilnahme am polnischen
Unterricht in den höheren Schulen der Provinz Posen, indem sie bestimmte,
daß derselbe überall als faeultativ zu behandeln und nur für die den beson¬
deren polnischen Abtheilungen angehörigen Schüler des Mariengymnasiums
zu Posen oder des Gymnasiums zu Ostrowo obligatorisch zu machen sei.
Noch weiter ging die Verfügung des k. Provinzialschulcollegs 1873, welche
das Deutsche als die alleinige Unterrichtssprache für die oberen Classen selbst
dieser beiden Anstalten festsetzte, bis endlich im Juni 1874 angeordnet wurde,
daß in eben diesen beiden Schulen auch in den unteren Classen die Lehrgegen¬
stände mit Ausnahme der katholischen Religionslehre und der polnischen
Sprache überwiegend deutsch vorgetragen, das Polnische nur z^r Aushilfe
angewandt werden sollte.*) Seitdem ist in keiner höheren Schule der drei
deutsch-polnischen Provinzen das Polnische in größerem Umfange Unterrichts¬
sprache, die Grundlage also, welche 1842 gelegt worden war, hat sich völlig
verändert, sicherlich nicht im Interesse polnischen Volksthums, gewiß aber im
Interesse der Culturentwicklung überhaupt.

Auf Grundlage jener allgemeinen Verordnungen haben sich zunächst in
der Provinz Posen, die 1772 theilweise, 1793--1806 ganz, aber erst 1815
definitiv mit Preußen vereinigt, das stärkste polnische Element enthält, nach
den örtlichen Bedürfnissen sehr verschiedene Verhältnisse entwickelt. Die Pro¬
vinz zählt gegenwärtig im Ganzen 13 Gymnasien, von denen auf den Re¬
gierungsbezirk Posen 8, auf den Regierungsbezirk Bromberg 5 entfallen. Auf
ihnen zeigt sich, abgesehen von den durch die ministeriellen Verfügungen ge¬
ordneten Verhältnissen der Unterrichtssprache, die Pflege des Polnischen in
speziell polnischem Sprachunterricht, in der Berücksichtigung desselben bei den
Abiturientenarbeiten, und den freien Aufsätzen überhaupt, ferner bei der Ab¬
fassung des Jahresberichts, der unter Umständen zweisprachig geschrieben ist,
endlich in der Förderung des Polnischen durch Stipendien, polnische Schüler¬
bibliotheken u. s. w. Nach diesen Gesichtspunkten läßt sich am Ehesten
ein Urtheil über den gegenwärtigen Stand der Behandlung des Polnischen
gewinnen.

Unter allen Posen'schen Gymnasien hat allein das königliche zu Schneide-
mühl, 1868 eröffnet und simultan als in einem wesentlich deutschen Kreise gelegen
gar keinen polnischen Unterricht. Von den übrigen tragen das tgi. katholische
Mariengymnasium zu Posen und das tgi. katholische Gymnasium zu Ostrowo



") Vgl. Wiese III. lV8. Auch in den polnischen Volksschulen Ober-Schlesiens und Posens
soll laut Verfügung vom 2", Sept. 1872 bez. 27. October 1873 nur der Religionsunterricht
(oder Kirchengesang) polnisch, jeder andere Unterrichtsgegenstand deutsch ertheilt werden, in
Ober-Schlesien aber ist auch hier die Anwendung des Polnischen auf die unterste Stufe be-
schränkt. Schulgcsctzsammlung I. Ur. 2. III. Ur. ti.

die bisherige Ungleichheit in der Behandlung der Theilnahme am polnischen
Unterricht in den höheren Schulen der Provinz Posen, indem sie bestimmte,
daß derselbe überall als faeultativ zu behandeln und nur für die den beson¬
deren polnischen Abtheilungen angehörigen Schüler des Mariengymnasiums
zu Posen oder des Gymnasiums zu Ostrowo obligatorisch zu machen sei.
Noch weiter ging die Verfügung des k. Provinzialschulcollegs 1873, welche
das Deutsche als die alleinige Unterrichtssprache für die oberen Classen selbst
dieser beiden Anstalten festsetzte, bis endlich im Juni 1874 angeordnet wurde,
daß in eben diesen beiden Schulen auch in den unteren Classen die Lehrgegen¬
stände mit Ausnahme der katholischen Religionslehre und der polnischen
Sprache überwiegend deutsch vorgetragen, das Polnische nur z^r Aushilfe
angewandt werden sollte.*) Seitdem ist in keiner höheren Schule der drei
deutsch-polnischen Provinzen das Polnische in größerem Umfange Unterrichts¬
sprache, die Grundlage also, welche 1842 gelegt worden war, hat sich völlig
verändert, sicherlich nicht im Interesse polnischen Volksthums, gewiß aber im
Interesse der Culturentwicklung überhaupt.

Auf Grundlage jener allgemeinen Verordnungen haben sich zunächst in
der Provinz Posen, die 1772 theilweise, 1793—1806 ganz, aber erst 1815
definitiv mit Preußen vereinigt, das stärkste polnische Element enthält, nach
den örtlichen Bedürfnissen sehr verschiedene Verhältnisse entwickelt. Die Pro¬
vinz zählt gegenwärtig im Ganzen 13 Gymnasien, von denen auf den Re¬
gierungsbezirk Posen 8, auf den Regierungsbezirk Bromberg 5 entfallen. Auf
ihnen zeigt sich, abgesehen von den durch die ministeriellen Verfügungen ge¬
ordneten Verhältnissen der Unterrichtssprache, die Pflege des Polnischen in
speziell polnischem Sprachunterricht, in der Berücksichtigung desselben bei den
Abiturientenarbeiten, und den freien Aufsätzen überhaupt, ferner bei der Ab¬
fassung des Jahresberichts, der unter Umständen zweisprachig geschrieben ist,
endlich in der Förderung des Polnischen durch Stipendien, polnische Schüler¬
bibliotheken u. s. w. Nach diesen Gesichtspunkten läßt sich am Ehesten
ein Urtheil über den gegenwärtigen Stand der Behandlung des Polnischen
gewinnen.

Unter allen Posen'schen Gymnasien hat allein das königliche zu Schneide-
mühl, 1868 eröffnet und simultan als in einem wesentlich deutschen Kreise gelegen
gar keinen polnischen Unterricht. Von den übrigen tragen das tgi. katholische
Mariengymnasium zu Posen und das tgi. katholische Gymnasium zu Ostrowo



") Vgl. Wiese III. lV8. Auch in den polnischen Volksschulen Ober-Schlesiens und Posens
soll laut Verfügung vom 2», Sept. 1872 bez. 27. October 1873 nur der Religionsunterricht
(oder Kirchengesang) polnisch, jeder andere Unterrichtsgegenstand deutsch ertheilt werden, in
Ober-Schlesien aber ist auch hier die Anwendung des Polnischen auf die unterste Stufe be-
schränkt. Schulgcsctzsammlung I. Ur. 2. III. Ur. ti.
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[0028] die bisherige Ungleichheit in der Behandlung der Theilnahme am polnischen Unterricht in den höheren Schulen der Provinz Posen, indem sie bestimmte, daß derselbe überall als faeultativ zu behandeln und nur für die den beson¬ deren polnischen Abtheilungen angehörigen Schüler des Mariengymnasiums zu Posen oder des Gymnasiums zu Ostrowo obligatorisch zu machen sei. Noch weiter ging die Verfügung des k. Provinzialschulcollegs 1873, welche das Deutsche als die alleinige Unterrichtssprache für die oberen Classen selbst dieser beiden Anstalten festsetzte, bis endlich im Juni 1874 angeordnet wurde, daß in eben diesen beiden Schulen auch in den unteren Classen die Lehrgegen¬ stände mit Ausnahme der katholischen Religionslehre und der polnischen Sprache überwiegend deutsch vorgetragen, das Polnische nur z^r Aushilfe angewandt werden sollte.*) Seitdem ist in keiner höheren Schule der drei deutsch-polnischen Provinzen das Polnische in größerem Umfange Unterrichts¬ sprache, die Grundlage also, welche 1842 gelegt worden war, hat sich völlig verändert, sicherlich nicht im Interesse polnischen Volksthums, gewiß aber im Interesse der Culturentwicklung überhaupt. Auf Grundlage jener allgemeinen Verordnungen haben sich zunächst in der Provinz Posen, die 1772 theilweise, 1793—1806 ganz, aber erst 1815 definitiv mit Preußen vereinigt, das stärkste polnische Element enthält, nach den örtlichen Bedürfnissen sehr verschiedene Verhältnisse entwickelt. Die Pro¬ vinz zählt gegenwärtig im Ganzen 13 Gymnasien, von denen auf den Re¬ gierungsbezirk Posen 8, auf den Regierungsbezirk Bromberg 5 entfallen. Auf ihnen zeigt sich, abgesehen von den durch die ministeriellen Verfügungen ge¬ ordneten Verhältnissen der Unterrichtssprache, die Pflege des Polnischen in speziell polnischem Sprachunterricht, in der Berücksichtigung desselben bei den Abiturientenarbeiten, und den freien Aufsätzen überhaupt, ferner bei der Ab¬ fassung des Jahresberichts, der unter Umständen zweisprachig geschrieben ist, endlich in der Förderung des Polnischen durch Stipendien, polnische Schüler¬ bibliotheken u. s. w. Nach diesen Gesichtspunkten läßt sich am Ehesten ein Urtheil über den gegenwärtigen Stand der Behandlung des Polnischen gewinnen. Unter allen Posen'schen Gymnasien hat allein das königliche zu Schneide- mühl, 1868 eröffnet und simultan als in einem wesentlich deutschen Kreise gelegen gar keinen polnischen Unterricht. Von den übrigen tragen das tgi. katholische Mariengymnasium zu Posen und das tgi. katholische Gymnasium zu Ostrowo ") Vgl. Wiese III. lV8. Auch in den polnischen Volksschulen Ober-Schlesiens und Posens soll laut Verfügung vom 2», Sept. 1872 bez. 27. October 1873 nur der Religionsunterricht (oder Kirchengesang) polnisch, jeder andere Unterrichtsgegenstand deutsch ertheilt werden, in Ober-Schlesien aber ist auch hier die Anwendung des Polnischen auf die unterste Stufe be- schränkt. Schulgcsctzsammlung I. Ur. 2. III. Ur. ti.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/28>, abgerufen am 22.07.2024.