Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Förderung geben kann. Natürlich darf das Zeichen an unwürdige weder ver¬
bust noch verschenkt werden. Wäre das der Fall gewesen, so soll der be¬
treffende ausgeschlossen sein, bis er rite lernt.

Die Bestimmungen, welche die Verhältnisse der Gesellen regeln, haben die
Absicht zu verhüten, daß ein Gesell seinen Contract bricht und vor ver¬
strichener Kündigungsfrist vom Bau geht. Auch Vagabundiren statt wandern
soll nicht geduldet werden. Wer von Muthwillen Urlaub bittet, soll ein Jahr
^ng an derselben Hütte keine Förderung haben.

Aus dem bis ins Detail gehenden Rochlitzer Statut hebe ich das
hervor, was uns einen Blick in die Thätigkeit des Bauplatzes eröffnet.

Welcher Gesell sein Maßbrett unrecht auflegt, oder liegen läßt ohne Er¬
laubniß, oder es abnimmt, ehe der Meister oder Pollirer die Bereitung ge¬
sehen haben, wer Winkelmaße am Steine hängen läßt oder Richtscheite, die
Löcher haben, liegen läßt und nicht aufhängt, oder den Stein von der Bank
fallen läßt, wer die Hacken aus dem Helm fahren läßt oder sein Maß an¬
ders läßt, als an der Stätte, die dazu verordnet ist, wer die Fenster bei seiner
Bank nicht zuthut, der soll für alle diese angeschriebenen Stücke geben je 3 ^
iur Buße. Welcher Geselle nicht Hülfe bietet seinen Stein aus- und einzu¬
senden, zu bringen oder umzuwenden, wenn es noth ist, oder sein Zeichen
anschlägt, als sei es recht gemacht, ehe denn es besehen ist, der soll zur Buße
Leben ein halb Pfund Wachs. Welcher Geselle heilige Tage macht, wenn er
^Venen soll, welcher Pollirer oder Geselle am Montag Nachmittag, wenn es
^us schlägt (siehe da, blauer Montag!) nicht bei seinem Meister ist, und halte
^ne Vesper-Ruhe mit ihm, und verhöre, was er den Montag thun soll, der
soll geben alle Zechen (unklar -- der Text ist wohl unrichtig gelesen, denn Zeche
!se die Versammlung der Bauhütte) setzt er sich darwider, so soll er Urlaub
(Kündigung) haben auf den Montag. Jeder Gesell kann Urlaub haben auf
jeden Lohnabend, wenn es ihm nicht gefällt, da ist niemand an den andern
^bunten. Wer sich aber den Winter über "durchgedrückt" hat in der Hütte,
soll auch wenigstens bis Johannis dableiben u. s. w.

Da zeigt sich uns ein Bild, das wir mit geringen Aenderungen heute
"och auf jedem größeren Steinmetzplatze sehen können.

Ueber dem Gesellen steht der Pallirer oder Polirer oder Parlirer
°der Paleyr oder Parlerz. . Was ist das richtige? Ist es ein Parlerez,
heißt Sprecher, oder ist es Polidor, das heißt Nacharbeit er oder
Feinarbeiter? Beide Ansichten werden vertreten. Doch ist wohl die erstere die
richtigere, wie sie denn auch die verbreitetere ist. Die französische Form hat
nichts befremdliches, da wie bekannt künstlerische und technische Bautradition
auf das nördliche Frankreich hinweisen. Dagegen ist völlig unerwiesen, daß


Förderung geben kann. Natürlich darf das Zeichen an unwürdige weder ver¬
bust noch verschenkt werden. Wäre das der Fall gewesen, so soll der be¬
treffende ausgeschlossen sein, bis er rite lernt.

Die Bestimmungen, welche die Verhältnisse der Gesellen regeln, haben die
Absicht zu verhüten, daß ein Gesell seinen Contract bricht und vor ver¬
strichener Kündigungsfrist vom Bau geht. Auch Vagabundiren statt wandern
soll nicht geduldet werden. Wer von Muthwillen Urlaub bittet, soll ein Jahr
^ng an derselben Hütte keine Förderung haben.

Aus dem bis ins Detail gehenden Rochlitzer Statut hebe ich das
hervor, was uns einen Blick in die Thätigkeit des Bauplatzes eröffnet.

Welcher Gesell sein Maßbrett unrecht auflegt, oder liegen läßt ohne Er¬
laubniß, oder es abnimmt, ehe der Meister oder Pollirer die Bereitung ge¬
sehen haben, wer Winkelmaße am Steine hängen läßt oder Richtscheite, die
Löcher haben, liegen läßt und nicht aufhängt, oder den Stein von der Bank
fallen läßt, wer die Hacken aus dem Helm fahren läßt oder sein Maß an¬
ders läßt, als an der Stätte, die dazu verordnet ist, wer die Fenster bei seiner
Bank nicht zuthut, der soll für alle diese angeschriebenen Stücke geben je 3 ^
iur Buße. Welcher Geselle nicht Hülfe bietet seinen Stein aus- und einzu¬
senden, zu bringen oder umzuwenden, wenn es noth ist, oder sein Zeichen
anschlägt, als sei es recht gemacht, ehe denn es besehen ist, der soll zur Buße
Leben ein halb Pfund Wachs. Welcher Geselle heilige Tage macht, wenn er
^Venen soll, welcher Pollirer oder Geselle am Montag Nachmittag, wenn es
^us schlägt (siehe da, blauer Montag!) nicht bei seinem Meister ist, und halte
^ne Vesper-Ruhe mit ihm, und verhöre, was er den Montag thun soll, der
soll geben alle Zechen (unklar — der Text ist wohl unrichtig gelesen, denn Zeche
!se die Versammlung der Bauhütte) setzt er sich darwider, so soll er Urlaub
(Kündigung) haben auf den Montag. Jeder Gesell kann Urlaub haben auf
jeden Lohnabend, wenn es ihm nicht gefällt, da ist niemand an den andern
^bunten. Wer sich aber den Winter über „durchgedrückt" hat in der Hütte,
soll auch wenigstens bis Johannis dableiben u. s. w.

Da zeigt sich uns ein Bild, das wir mit geringen Aenderungen heute
"och auf jedem größeren Steinmetzplatze sehen können.

Ueber dem Gesellen steht der Pallirer oder Polirer oder Parlirer
°der Paleyr oder Parlerz. . Was ist das richtige? Ist es ein Parlerez,
heißt Sprecher, oder ist es Polidor, das heißt Nacharbeit er oder
Feinarbeiter? Beide Ansichten werden vertreten. Doch ist wohl die erstere die
richtigere, wie sie denn auch die verbreitetere ist. Die französische Form hat
nichts befremdliches, da wie bekannt künstlerische und technische Bautradition
auf das nördliche Frankreich hinweisen. Dagegen ist völlig unerwiesen, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134533"/>
          <p xml:id="ID_530" prev="#ID_529"> Förderung geben kann. Natürlich darf das Zeichen an unwürdige weder ver¬<lb/>
bust noch verschenkt werden. Wäre das der Fall gewesen, so soll der be¬<lb/>
treffende ausgeschlossen sein, bis er rite lernt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_531"> Die Bestimmungen, welche die Verhältnisse der Gesellen regeln, haben die<lb/>
Absicht zu verhüten, daß ein Gesell seinen Contract bricht und vor ver¬<lb/>
strichener Kündigungsfrist vom Bau geht. Auch Vagabundiren statt wandern<lb/>
soll nicht geduldet werden. Wer von Muthwillen Urlaub bittet, soll ein Jahr<lb/>
^ng an derselben Hütte keine Förderung haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Aus dem bis ins Detail gehenden Rochlitzer Statut hebe ich das<lb/>
hervor, was uns einen Blick in die Thätigkeit des Bauplatzes eröffnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_533"> Welcher Gesell sein Maßbrett unrecht auflegt, oder liegen läßt ohne Er¬<lb/>
laubniß, oder es abnimmt, ehe der Meister oder Pollirer die Bereitung ge¬<lb/>
sehen haben, wer Winkelmaße am Steine hängen läßt oder Richtscheite, die<lb/>
Löcher haben, liegen läßt und nicht aufhängt, oder den Stein von der Bank<lb/>
fallen läßt, wer die Hacken aus dem Helm fahren läßt oder sein Maß an¬<lb/>
ders läßt, als an der Stätte, die dazu verordnet ist, wer die Fenster bei seiner<lb/>
Bank nicht zuthut, der soll für alle diese angeschriebenen Stücke geben je 3 ^<lb/>
iur Buße. Welcher Geselle nicht Hülfe bietet seinen Stein aus- und einzu¬<lb/>
senden, zu bringen oder umzuwenden, wenn es noth ist, oder sein Zeichen<lb/>
anschlägt, als sei es recht gemacht, ehe denn es besehen ist, der soll zur Buße<lb/>
Leben ein halb Pfund Wachs. Welcher Geselle heilige Tage macht, wenn er<lb/>
^Venen soll, welcher Pollirer oder Geselle am Montag Nachmittag, wenn es<lb/>
^us schlägt (siehe da, blauer Montag!) nicht bei seinem Meister ist, und halte<lb/>
^ne Vesper-Ruhe mit ihm, und verhöre, was er den Montag thun soll, der<lb/>
soll geben alle Zechen (unklar &#x2014; der Text ist wohl unrichtig gelesen, denn Zeche<lb/>
!se die Versammlung der Bauhütte) setzt er sich darwider, so soll er Urlaub<lb/>
(Kündigung) haben auf den Montag. Jeder Gesell kann Urlaub haben auf<lb/>
jeden Lohnabend, wenn es ihm nicht gefällt, da ist niemand an den andern<lb/>
^bunten. Wer sich aber den Winter über &#x201E;durchgedrückt" hat in der Hütte,<lb/>
soll auch wenigstens bis Johannis dableiben u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_534"> Da zeigt sich uns ein Bild, das wir mit geringen Aenderungen heute<lb/>
"och auf jedem größeren Steinmetzplatze sehen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_535" next="#ID_536"> Ueber dem Gesellen steht der Pallirer oder Polirer oder Parlirer<lb/>
°der Paleyr oder Parlerz. . Was ist das richtige? Ist es ein Parlerez,<lb/>
heißt Sprecher, oder ist es Polidor, das heißt Nacharbeit er oder<lb/>
Feinarbeiter? Beide Ansichten werden vertreten. Doch ist wohl die erstere die<lb/>
richtigere, wie sie denn auch die verbreitetere ist. Die französische Form hat<lb/>
nichts befremdliches, da wie bekannt künstlerische und technische Bautradition<lb/>
auf das nördliche Frankreich hinweisen. Dagegen ist völlig unerwiesen, daß</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] Förderung geben kann. Natürlich darf das Zeichen an unwürdige weder ver¬ bust noch verschenkt werden. Wäre das der Fall gewesen, so soll der be¬ treffende ausgeschlossen sein, bis er rite lernt. Die Bestimmungen, welche die Verhältnisse der Gesellen regeln, haben die Absicht zu verhüten, daß ein Gesell seinen Contract bricht und vor ver¬ strichener Kündigungsfrist vom Bau geht. Auch Vagabundiren statt wandern soll nicht geduldet werden. Wer von Muthwillen Urlaub bittet, soll ein Jahr ^ng an derselben Hütte keine Förderung haben. Aus dem bis ins Detail gehenden Rochlitzer Statut hebe ich das hervor, was uns einen Blick in die Thätigkeit des Bauplatzes eröffnet. Welcher Gesell sein Maßbrett unrecht auflegt, oder liegen läßt ohne Er¬ laubniß, oder es abnimmt, ehe der Meister oder Pollirer die Bereitung ge¬ sehen haben, wer Winkelmaße am Steine hängen läßt oder Richtscheite, die Löcher haben, liegen läßt und nicht aufhängt, oder den Stein von der Bank fallen läßt, wer die Hacken aus dem Helm fahren läßt oder sein Maß an¬ ders läßt, als an der Stätte, die dazu verordnet ist, wer die Fenster bei seiner Bank nicht zuthut, der soll für alle diese angeschriebenen Stücke geben je 3 ^ iur Buße. Welcher Geselle nicht Hülfe bietet seinen Stein aus- und einzu¬ senden, zu bringen oder umzuwenden, wenn es noth ist, oder sein Zeichen anschlägt, als sei es recht gemacht, ehe denn es besehen ist, der soll zur Buße Leben ein halb Pfund Wachs. Welcher Geselle heilige Tage macht, wenn er ^Venen soll, welcher Pollirer oder Geselle am Montag Nachmittag, wenn es ^us schlägt (siehe da, blauer Montag!) nicht bei seinem Meister ist, und halte ^ne Vesper-Ruhe mit ihm, und verhöre, was er den Montag thun soll, der soll geben alle Zechen (unklar — der Text ist wohl unrichtig gelesen, denn Zeche !se die Versammlung der Bauhütte) setzt er sich darwider, so soll er Urlaub (Kündigung) haben auf den Montag. Jeder Gesell kann Urlaub haben auf jeden Lohnabend, wenn es ihm nicht gefällt, da ist niemand an den andern ^bunten. Wer sich aber den Winter über „durchgedrückt" hat in der Hütte, soll auch wenigstens bis Johannis dableiben u. s. w. Da zeigt sich uns ein Bild, das wir mit geringen Aenderungen heute "och auf jedem größeren Steinmetzplatze sehen können. Ueber dem Gesellen steht der Pallirer oder Polirer oder Parlirer °der Paleyr oder Parlerz. . Was ist das richtige? Ist es ein Parlerez, heißt Sprecher, oder ist es Polidor, das heißt Nacharbeit er oder Feinarbeiter? Beide Ansichten werden vertreten. Doch ist wohl die erstere die richtigere, wie sie denn auch die verbreitetere ist. Die französische Form hat nichts befremdliches, da wie bekannt künstlerische und technische Bautradition auf das nördliche Frankreich hinweisen. Dagegen ist völlig unerwiesen, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/187>, abgerufen am 22.07.2024.