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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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es überhaupt solche Politores, die entweder die feinere Arbeit machten, oder an
die Werke der Gesellen die letzte Hand anlegten, gegeben habe.

Mehr als alles andere werden die Functionen des Pallirers, wie sie uns
in den Statuten vorliegen, seinen Namen erklären.

Der Pallir ist der Adjutant, und in seiner Abwesenheit der Vertreter des
Meisters. Es mag nahe gelegen haben, daß der Meister jüngere Leute, die
seine besonderen Schüler gewesen sind, zum Pallir befördert. Dagegen hat
die Satzung nun nichts, doch soll ein Diener, wenn er befördert wird, wenig¬
stens ein Jahr gewandert, auch seine Freisprechung rief erlangt haben.

Der Pallir hat die Gesellen auf ihr Fragen gütlich zu unterweisen, hat
darauf zu sehen, daß allweg richtig nach Richtscheit und Hohlmaß gearbeitet
wird. Er soll dem Gesellen willig den Stein vorlegen, anreißen und wohl
besehen, ob er recht und wohl gemacht ist. Er ist verantwortlich, wenn un¬
genau gearbeitet wird, und würde der Stein verhauen durch seine Schuld,
hat er dafür auszukommen. ^ Er hat die Arbeitszeit zu controlliren und Ver¬
säumnisse ins Buch einzutragen, -- thut er's nicht, bezahlt er's selbst doppelt.
Dem Gesellen und Diener wird sein Versäumniß unten auf den Stein an¬
gemalt. Jeder Pallir soll morgens der erste sein auf dem Platze wenn man
ausschließt, und der letzte heraus, sei es Mittags oder Abends. Diese und
ähnliche Functionen charakterisiren die Thätigkeit des Pallirers. Der Leser
möge sich selbst ein Urtheil bilden ob es sich unter diesem Namen um einen
xolitvr, Feinarbeiter -- Nacharbeiter handelt, oder nicht vielmehr eine
den Meister vertretende Aufsichtsperson, die parieren d. i. Sprecher genannt
wird.

Uebrigens geht alles in aller Form und streng nach Amt und Würden.
Ruft der Meister, so thut man mit der Glocke drei Schläge, ruft der Pallirer,
so schlägt man zweimal, sonst für gewöhnlich einmal. Kommt ein Wander¬
gesell, so hat er die Anwesenden in der Hütte mit folgendem Gruße anzu¬
reden: Gott grüße euch -- Gott weise euch-- Gott lohne euch -- euch Ober¬
meister Erwiderung, Pallirer und euch hübschen (welches Epitheton sich nicht
aufs Gesicht, sondern auf das Benehmen zu beziehen pflegt) Gesellen. Darauf
soll der höchste in der Hütte sei es Meister oder Pallirer danken, damit er
sieht, wem er Ehre zu erweisen habe. Hierauf hat ihn der Geselle bei Na¬
men anzureden und dann Umgang zu halten und jeden zu grüßen. Ebenso,
wenn er sein Geschenk erhalten hat und weiter zieht, hat er Reihe um zu
danken.

Den dritten Zweck der Bauhütte, den öconomischen dürfen wir kurz ab¬
machen , da diese Tendenz der Hütte mit den allgemein zünftigen Einrich¬
tungen zusammenfällt. Hierher gehört die Einrichtung von Kranken-, Be-
gräbnißkassen und dergleichen. Doch geht die Hütte als Brüderschaft noch


es überhaupt solche Politores, die entweder die feinere Arbeit machten, oder an
die Werke der Gesellen die letzte Hand anlegten, gegeben habe.

Mehr als alles andere werden die Functionen des Pallirers, wie sie uns
in den Statuten vorliegen, seinen Namen erklären.

Der Pallir ist der Adjutant, und in seiner Abwesenheit der Vertreter des
Meisters. Es mag nahe gelegen haben, daß der Meister jüngere Leute, die
seine besonderen Schüler gewesen sind, zum Pallir befördert. Dagegen hat
die Satzung nun nichts, doch soll ein Diener, wenn er befördert wird, wenig¬
stens ein Jahr gewandert, auch seine Freisprechung rief erlangt haben.

Der Pallir hat die Gesellen auf ihr Fragen gütlich zu unterweisen, hat
darauf zu sehen, daß allweg richtig nach Richtscheit und Hohlmaß gearbeitet
wird. Er soll dem Gesellen willig den Stein vorlegen, anreißen und wohl
besehen, ob er recht und wohl gemacht ist. Er ist verantwortlich, wenn un¬
genau gearbeitet wird, und würde der Stein verhauen durch seine Schuld,
hat er dafür auszukommen. ^ Er hat die Arbeitszeit zu controlliren und Ver¬
säumnisse ins Buch einzutragen, — thut er's nicht, bezahlt er's selbst doppelt.
Dem Gesellen und Diener wird sein Versäumniß unten auf den Stein an¬
gemalt. Jeder Pallir soll morgens der erste sein auf dem Platze wenn man
ausschließt, und der letzte heraus, sei es Mittags oder Abends. Diese und
ähnliche Functionen charakterisiren die Thätigkeit des Pallirers. Der Leser
möge sich selbst ein Urtheil bilden ob es sich unter diesem Namen um einen
xolitvr, Feinarbeiter — Nacharbeiter handelt, oder nicht vielmehr eine
den Meister vertretende Aufsichtsperson, die parieren d. i. Sprecher genannt
wird.

Uebrigens geht alles in aller Form und streng nach Amt und Würden.
Ruft der Meister, so thut man mit der Glocke drei Schläge, ruft der Pallirer,
so schlägt man zweimal, sonst für gewöhnlich einmal. Kommt ein Wander¬
gesell, so hat er die Anwesenden in der Hütte mit folgendem Gruße anzu¬
reden: Gott grüße euch — Gott weise euch— Gott lohne euch — euch Ober¬
meister Erwiderung, Pallirer und euch hübschen (welches Epitheton sich nicht
aufs Gesicht, sondern auf das Benehmen zu beziehen pflegt) Gesellen. Darauf
soll der höchste in der Hütte sei es Meister oder Pallirer danken, damit er
sieht, wem er Ehre zu erweisen habe. Hierauf hat ihn der Geselle bei Na¬
men anzureden und dann Umgang zu halten und jeden zu grüßen. Ebenso,
wenn er sein Geschenk erhalten hat und weiter zieht, hat er Reihe um zu
danken.

Den dritten Zweck der Bauhütte, den öconomischen dürfen wir kurz ab¬
machen , da diese Tendenz der Hütte mit den allgemein zünftigen Einrich¬
tungen zusammenfällt. Hierher gehört die Einrichtung von Kranken-, Be-
gräbnißkassen und dergleichen. Doch geht die Hütte als Brüderschaft noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/188>, abgerufen am 22.07.2024.