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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Staatskirche, Ireilurche, Landeskirche.
Von Prof. H. Jacoby. II.

Die Gestaltung der Beziehung zwischen Kirche und Staat in der nord-
Kwerikanischen Union ruht auf eigenthümlichen geschichtlichen Voraussetzungen.
"Die Revolution und die sich konstituirende Republik fanden Staaten vor, in
denen privilegirte Kirchen bestanden. In Virginien hatte fast zweihundert
^hre lang die anglikanische Kirche die Rechte einer Staatskirche genossen.
Rew-Aork war unter holländischer Regierung die reformirte Kirche, die
^ an das Dortrechter Bekenntniß anschloß, unter englischer Regierung die
^".Manische Kirche bevorzugt gewesen. Die Kolonisten von Plymouth hatten
puritanische Kirchcnsystem zur Geltung gebracht. In Massachusetts-Bai
^"d in New Haven war eine puritanische Theokratie errichtet worden. So
^ren in den einzelnen Theilen des Landes mannigfaltige Kirchensysteme
^wilegirt worden. Die Zustände, welche die Republik vorfand, erklären die
^ellung. welche sie zu den Kirchen einnimmt. Die Mannigfaltigkeit verschie-
erier kirchlicher Gemeinschaften, von denen keine eine dominirende Stellung
"nehmen konnte, verbot' irgend eine zu Privilegiren. Und wiederum forderte
^ Einfluß, welchen die christliche Kirche in den einzelnen Staaten bis dahin
^) errungen hatte, soviel als möglich dem allgemein christlichen Prinzip die
Institutionen des öffentlichen Lebens zu unterstellen. Die zahlreichen Ein¬
wanderungen, auf welche die Republik angewiesen war, mußten jenen kirch-
Jndifferentismus des Staates begünstigen, konnten durch die Aufrecht¬
erhaltung des allgemeinchristlichen Prinzips nicht geschädigt werden.*)

Suchen wir nun das Resultat festzustellen, das sich uns aus dieser ge¬
richtlichen Uebersicht ergiebt und sehen wir aus den angeführten Gründen
°n der amerikanischen Union ab, so kann dasselbe nur so lauten: Da wo
^r^Staar die Interessen der Kirche geschützt und gepflegt hat, ist von der



." vgl. des Verf. Aufsatz: Kirche und Staat in den Vereinigten Staaten von Amerika.
^Uttjlwten 187-j. S. 444.
Grcnzlwtcn IV. 187ü. 21
Staatskirche, Ireilurche, Landeskirche.
Von Prof. H. Jacoby. II.

Die Gestaltung der Beziehung zwischen Kirche und Staat in der nord-
Kwerikanischen Union ruht auf eigenthümlichen geschichtlichen Voraussetzungen.
"Die Revolution und die sich konstituirende Republik fanden Staaten vor, in
denen privilegirte Kirchen bestanden. In Virginien hatte fast zweihundert
^hre lang die anglikanische Kirche die Rechte einer Staatskirche genossen.
Rew-Aork war unter holländischer Regierung die reformirte Kirche, die
^ an das Dortrechter Bekenntniß anschloß, unter englischer Regierung die
^«.Manische Kirche bevorzugt gewesen. Die Kolonisten von Plymouth hatten
puritanische Kirchcnsystem zur Geltung gebracht. In Massachusetts-Bai
^"d in New Haven war eine puritanische Theokratie errichtet worden. So
^ren in den einzelnen Theilen des Landes mannigfaltige Kirchensysteme
^wilegirt worden. Die Zustände, welche die Republik vorfand, erklären die
^ellung. welche sie zu den Kirchen einnimmt. Die Mannigfaltigkeit verschie-
erier kirchlicher Gemeinschaften, von denen keine eine dominirende Stellung
"nehmen konnte, verbot' irgend eine zu Privilegiren. Und wiederum forderte
^ Einfluß, welchen die christliche Kirche in den einzelnen Staaten bis dahin
^) errungen hatte, soviel als möglich dem allgemein christlichen Prinzip die
Institutionen des öffentlichen Lebens zu unterstellen. Die zahlreichen Ein¬
wanderungen, auf welche die Republik angewiesen war, mußten jenen kirch-
Jndifferentismus des Staates begünstigen, konnten durch die Aufrecht¬
erhaltung des allgemeinchristlichen Prinzips nicht geschädigt werden.*)

Suchen wir nun das Resultat festzustellen, das sich uns aus dieser ge¬
richtlichen Uebersicht ergiebt und sehen wir aus den angeführten Gründen
°n der amerikanischen Union ab, so kann dasselbe nur so lauten: Da wo
^r^Staar die Interessen der Kirche geschützt und gepflegt hat, ist von der



.„ vgl. des Verf. Aufsatz: Kirche und Staat in den Vereinigten Staaten von Amerika.
^Uttjlwten 187-j. S. 444.
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[0165] Staatskirche, Ireilurche, Landeskirche. Von Prof. H. Jacoby. II. Die Gestaltung der Beziehung zwischen Kirche und Staat in der nord- Kwerikanischen Union ruht auf eigenthümlichen geschichtlichen Voraussetzungen. "Die Revolution und die sich konstituirende Republik fanden Staaten vor, in denen privilegirte Kirchen bestanden. In Virginien hatte fast zweihundert ^hre lang die anglikanische Kirche die Rechte einer Staatskirche genossen. Rew-Aork war unter holländischer Regierung die reformirte Kirche, die ^ an das Dortrechter Bekenntniß anschloß, unter englischer Regierung die ^«.Manische Kirche bevorzugt gewesen. Die Kolonisten von Plymouth hatten puritanische Kirchcnsystem zur Geltung gebracht. In Massachusetts-Bai ^"d in New Haven war eine puritanische Theokratie errichtet worden. So ^ren in den einzelnen Theilen des Landes mannigfaltige Kirchensysteme ^wilegirt worden. Die Zustände, welche die Republik vorfand, erklären die ^ellung. welche sie zu den Kirchen einnimmt. Die Mannigfaltigkeit verschie- erier kirchlicher Gemeinschaften, von denen keine eine dominirende Stellung "nehmen konnte, verbot' irgend eine zu Privilegiren. Und wiederum forderte ^ Einfluß, welchen die christliche Kirche in den einzelnen Staaten bis dahin ^) errungen hatte, soviel als möglich dem allgemein christlichen Prinzip die Institutionen des öffentlichen Lebens zu unterstellen. Die zahlreichen Ein¬ wanderungen, auf welche die Republik angewiesen war, mußten jenen kirch- Jndifferentismus des Staates begünstigen, konnten durch die Aufrecht¬ erhaltung des allgemeinchristlichen Prinzips nicht geschädigt werden.*) Suchen wir nun das Resultat festzustellen, das sich uns aus dieser ge¬ richtlichen Uebersicht ergiebt und sehen wir aus den angeführten Gründen °n der amerikanischen Union ab, so kann dasselbe nur so lauten: Da wo ^r^Staar die Interessen der Kirche geschützt und gepflegt hat, ist von der .„ vgl. des Verf. Aufsatz: Kirche und Staat in den Vereinigten Staaten von Amerika. ^Uttjlwten 187-j. S. 444. Grcnzlwtcn IV. 187ü. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/165>, abgerufen am 22.07.2024.