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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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kannt sei. Dagegen hat er seine Reise durch Tibesti erzählt, eine Reise, die
wie außerordentlichen Gefahren verbunden ist, was schon daraus hervorgeht,
daß Reisende wie Handelsleute sich bis dahin stets gehütet haben, von der nach
Süden führenden Straße abzuweichen und sich in dieses Land Tibesti zu wagen,
welches die Araber das verwünschte Tibesti nennen. Das Land hat nicht mehr, als
10,000 Einwohner, die die ärgsten Fanatiker, Barbaren und Feinde der Fremden
sind. Nachtigal wurde von ihnen sehr mißhandelt und während mehrer Monate
als Gefangener zurückgehalten. Doch gelang es ihm eines Tags zu ent¬
kommen, und nach langen und erschöpfenden Märschen durch unfruchtbare
und dürre Gegenden langte er am Thaad - See an. Dort hört die heiße
Wüstenzone auf und es beginnt die Zone des Regens und der Sumpfpflanzen¬
wälder. Nach den Feststellungen Nachtigal's ist der Thaad See das Pro¬
dukt eines großen Wasserlaufes, welcher Chan genannt wird. Es ist dies
nicht im eigentlichen Sinne des Wortes ein See, sondern eine ungeheuere
Lagune, auf der sich eine Menge von Inseln befinden. Dieselben sind stark
bevölkert und ihre Hauptstadt ist Kuka, die Residenz des Sultans Omar,
für welchen Nachtigal reiche Geschenke mit sich brachte. Südlich vom Thaad-
See wohnt das Volk der Bagirini, die ihren Nachbarn, den Wadai, tribut-
Wchttg waren, doch ihr Joch, da sie tapfer und stolz sind, nur mit Unge¬
duld ertrugen. Eines Tags .erhob ihr König Abu-Ukir die Fahne des
Aufstands und erklärte dem König der Wadai, der von den Arabern der
"Bater des Wassers" genannt wird, den Krieg. Abur-Ukir wurde geschlagen
und in seiner Hauptstadt von dem König der Wadai belagert. Letzterem
öelang, Minen unter die Mauern der Stadt zu legen und dieselben mit
einem Theil der Krieger in die Luft zu sprengen. Aber in dem Augen-
blick, wo die Belagerer durch die Bresche eindringen wollten, warf sich
Abu-Ukir mit der Lanze in der Faust allein auf sie und schuf sich
einen Durchgang durch Hunderte von Feinden. Er entfloh nach dem
Süden, wohin seine Anhänger ihm folgten. Nachtigal entschloß sich, diesem
Opferer Flüchtling einen Besuch abzustatten. Er folgte seiner Spur,
und den Chart stromaufwärts wandernd, traf er ihn in Gurpara. Bei
diesem Punkte tritt man in eine dritte Zone, in die Aequatorialzone,
°in. Ueberall trifft man die Bombas, die Brotbäume und jene kolossale
Vegetation an, die nur unter dem Aequator gedeiht. Nach einigen Tage-
Wärschen von Gurgara erreichte Nachtigal Gondi, den äußersten Punkt, bis
ZU welchem er im Süden vorgedrungen ist. Er befand sich in diesem Augen¬
blick mehr als 2400 Kilometer südlich von Tripolis, seinem Ausgangspunkte.
Der König Abu-Ukir faßte eine solche Zuneigung zu dem europäischen
Forschungsreisenden, daß er sich nicht wieder von ihm trennen wollte, und
Mächtig"! war gezwungen, ihn sechs Monate lang zu begleiten, während


kannt sei. Dagegen hat er seine Reise durch Tibesti erzählt, eine Reise, die
wie außerordentlichen Gefahren verbunden ist, was schon daraus hervorgeht,
daß Reisende wie Handelsleute sich bis dahin stets gehütet haben, von der nach
Süden führenden Straße abzuweichen und sich in dieses Land Tibesti zu wagen,
welches die Araber das verwünschte Tibesti nennen. Das Land hat nicht mehr, als
10,000 Einwohner, die die ärgsten Fanatiker, Barbaren und Feinde der Fremden
sind. Nachtigal wurde von ihnen sehr mißhandelt und während mehrer Monate
als Gefangener zurückgehalten. Doch gelang es ihm eines Tags zu ent¬
kommen, und nach langen und erschöpfenden Märschen durch unfruchtbare
und dürre Gegenden langte er am Thaad - See an. Dort hört die heiße
Wüstenzone auf und es beginnt die Zone des Regens und der Sumpfpflanzen¬
wälder. Nach den Feststellungen Nachtigal's ist der Thaad See das Pro¬
dukt eines großen Wasserlaufes, welcher Chan genannt wird. Es ist dies
nicht im eigentlichen Sinne des Wortes ein See, sondern eine ungeheuere
Lagune, auf der sich eine Menge von Inseln befinden. Dieselben sind stark
bevölkert und ihre Hauptstadt ist Kuka, die Residenz des Sultans Omar,
für welchen Nachtigal reiche Geschenke mit sich brachte. Südlich vom Thaad-
See wohnt das Volk der Bagirini, die ihren Nachbarn, den Wadai, tribut-
Wchttg waren, doch ihr Joch, da sie tapfer und stolz sind, nur mit Unge¬
duld ertrugen. Eines Tags .erhob ihr König Abu-Ukir die Fahne des
Aufstands und erklärte dem König der Wadai, der von den Arabern der
"Bater des Wassers" genannt wird, den Krieg. Abur-Ukir wurde geschlagen
und in seiner Hauptstadt von dem König der Wadai belagert. Letzterem
öelang, Minen unter die Mauern der Stadt zu legen und dieselben mit
einem Theil der Krieger in die Luft zu sprengen. Aber in dem Augen-
blick, wo die Belagerer durch die Bresche eindringen wollten, warf sich
Abu-Ukir mit der Lanze in der Faust allein auf sie und schuf sich
einen Durchgang durch Hunderte von Feinden. Er entfloh nach dem
Süden, wohin seine Anhänger ihm folgten. Nachtigal entschloß sich, diesem
Opferer Flüchtling einen Besuch abzustatten. Er folgte seiner Spur,
und den Chart stromaufwärts wandernd, traf er ihn in Gurpara. Bei
diesem Punkte tritt man in eine dritte Zone, in die Aequatorialzone,
°in. Ueberall trifft man die Bombas, die Brotbäume und jene kolossale
Vegetation an, die nur unter dem Aequator gedeiht. Nach einigen Tage-
Wärschen von Gurgara erreichte Nachtigal Gondi, den äußersten Punkt, bis
ZU welchem er im Süden vorgedrungen ist. Er befand sich in diesem Augen¬
blick mehr als 2400 Kilometer südlich von Tripolis, seinem Ausgangspunkte.
Der König Abu-Ukir faßte eine solche Zuneigung zu dem europäischen
Forschungsreisenden, daß er sich nicht wieder von ihm trennen wollte, und
Mächtig«! war gezwungen, ihn sechs Monate lang zu begleiten, während


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/107>, abgerufen am 23.07.2024.