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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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52. "Schlechter Hund, dein Leben sollt du haben, wenn du schwörst,
nit zu verrathen auf keine Weis was du sehen und was wir gethan, willt
du aber nit schwören, so fährst du gleich zum Teufel."

63. "Was sollt ich thun, in großer Herzensangst, sollt ich hinfahren
in meiner Sund, was konnt auch allzumal mein Tod nützen und entschloß
mich den Eid zu thun, worauf ich frei ausgehen dürft."

34. "Alsbald habe ich, wie er mir vorsagt schwören müssen, bei dem
dreieinigen Gott, auf die Wunden Christi und was ich sonst zu meinem Heil
glaubte, nichts zu sagen von irgend einem, und sollt des Himmels Seligkeit
nit schmecken und der Teufel und die ganze Höll sollt Macht haben über mich,
in meinem Sterbestündlein jeder Trost mir schwinden und alle ordentlich Angst
auf mich fallen, wenn ich anders that, als sie mir geheißen."

55. So hab ich schworen und mein Gott, jetzt hab ich den Eid brochen."

56. Alsbald sing er stärker an zu zittern, ich führte ihn heim, saß die
ganze Nacht an seinem Bette, ließ mir das Gesagte wiederholen, schriebs auf,
sprach ihm Trost zu und in der vierten Morgenstunde ist er ruhig auf sein
Bekenntniß verschieden.

57. Hab darauf zu Caspar Roß geschickt und war derselbe in selber
Nacht, kurze Zeit nach Grossen auch storben und hatten seine Kinder sagt,
er hätt einen Geist sehen.

, Dies ist die unglückliche Geschichte.

Gott gebe Frieden Allen!
^V. L. N.


gez.: Fahrenbruch.
i..

Soweit die eigentliche Erzählung Fahrenbruchs, welche uns in dem
schlichten Tone der Wahrhaftigkeit ein tragisches Schicksal aus alter Zeit vor¬
führt. Das Schriftstück ist geeignet in mancher Hinsicht unser Interesse zu
wecken. Es läßt uns einen Blick thun in die Denk- und Handlungsweise,
in die Sitte und den Geist jener bewegten Zeit und wenn Mittheilungen
eines Augenzeugen über selbsterlebte Dinge aus ferner Vergangenheit schon
wegen mancher nebenbei erwähnten Details uns unwillkürlich anziehen, selbst
wo ihr Inhalt weniger fesselnd ist, so gilt dies von der vorliegenden Erzählung
wvhlbeglaubigter Borgänge in noch höherem Grade. Eine dunkle That,
welche das reinste Glück edler Menschen grausam zerstört, wird vor unsern
Blicken entschleiert. Trotz der moralischen Verwilderung jener Zeiten lebt
ein tiefes Heilsbedürfniß in den Seelen, das stärker ist als die Angst der
Todesgefahr, und selbst die verworfensten Verbrecher glauben an dasselbe und
bauen ihren Plan darauf. Die Sprache des Schriftstückes läßt den Verfasser
als einen edlen, hochgebildeten Mann erkennen.


52. „Schlechter Hund, dein Leben sollt du haben, wenn du schwörst,
nit zu verrathen auf keine Weis was du sehen und was wir gethan, willt
du aber nit schwören, so fährst du gleich zum Teufel."

63. „Was sollt ich thun, in großer Herzensangst, sollt ich hinfahren
in meiner Sund, was konnt auch allzumal mein Tod nützen und entschloß
mich den Eid zu thun, worauf ich frei ausgehen dürft."

34. „Alsbald habe ich, wie er mir vorsagt schwören müssen, bei dem
dreieinigen Gott, auf die Wunden Christi und was ich sonst zu meinem Heil
glaubte, nichts zu sagen von irgend einem, und sollt des Himmels Seligkeit
nit schmecken und der Teufel und die ganze Höll sollt Macht haben über mich,
in meinem Sterbestündlein jeder Trost mir schwinden und alle ordentlich Angst
auf mich fallen, wenn ich anders that, als sie mir geheißen."

55. So hab ich schworen und mein Gott, jetzt hab ich den Eid brochen."

56. Alsbald sing er stärker an zu zittern, ich führte ihn heim, saß die
ganze Nacht an seinem Bette, ließ mir das Gesagte wiederholen, schriebs auf,
sprach ihm Trost zu und in der vierten Morgenstunde ist er ruhig auf sein
Bekenntniß verschieden.

57. Hab darauf zu Caspar Roß geschickt und war derselbe in selber
Nacht, kurze Zeit nach Grossen auch storben und hatten seine Kinder sagt,
er hätt einen Geist sehen.

, Dies ist die unglückliche Geschichte.

Gott gebe Frieden Allen!
^V. L. N.


gez.: Fahrenbruch.
i..

Soweit die eigentliche Erzählung Fahrenbruchs, welche uns in dem
schlichten Tone der Wahrhaftigkeit ein tragisches Schicksal aus alter Zeit vor¬
führt. Das Schriftstück ist geeignet in mancher Hinsicht unser Interesse zu
wecken. Es läßt uns einen Blick thun in die Denk- und Handlungsweise,
in die Sitte und den Geist jener bewegten Zeit und wenn Mittheilungen
eines Augenzeugen über selbsterlebte Dinge aus ferner Vergangenheit schon
wegen mancher nebenbei erwähnten Details uns unwillkürlich anziehen, selbst
wo ihr Inhalt weniger fesselnd ist, so gilt dies von der vorliegenden Erzählung
wvhlbeglaubigter Borgänge in noch höherem Grade. Eine dunkle That,
welche das reinste Glück edler Menschen grausam zerstört, wird vor unsern
Blicken entschleiert. Trotz der moralischen Verwilderung jener Zeiten lebt
ein tiefes Heilsbedürfniß in den Seelen, das stärker ist als die Angst der
Todesgefahr, und selbst die verworfensten Verbrecher glauben an dasselbe und
bauen ihren Plan darauf. Die Sprache des Schriftstückes läßt den Verfasser
als einen edlen, hochgebildeten Mann erkennen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/479>, abgerufen am 06.02.2025.