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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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aber alles confirmiret, ist Fräulein Stella aus diesem Erdenthale schieden zur
ewigen Freud und nahm Herr Barthel von Germar alles in Besitz, außer
9000 Goldgulden, welche ich schon hatte und ich nichts von sagte.

46. Obgleich nun das Kloster Oldisleben im Bauerntroubel zerstört
worden war, wobei viel alte schöne Nachrichten über Gorisleben, welche dort
hinkommen, verlohren gangen, so anmaaßte sich doch die Obere jenes Orts
auch jetzt noch allerlei Recht und verlangte ein groß Theil von der seligen
Stell" Reichthum, schickten auch als Legaten, welcher sie vorher erst aufsetzt
und spornirt hatte, Herrn von Altendorf, welcher aber darüber mit Herrn
Barthel von Germar so in Hader gerieth. daß der letzt ihm den Degen durch
den Leib rannte, worüber groß Unheil entstand und Herr Barthel flüchtig
worden auf einige Zeit.

47. Deshalb und, weil ich das Geld gar nicht sicher glaubte bei solch
bedenklicher Zeit, da auch die Amts-Oberen gegen die Kirche feindlich gesinnt,
habe ich mir einen Bertrauten aus der Gemeinde gewählt, einen gar ver¬
schwiegenen Mann namens Chillan Grossen und das Geld mit dessen Bei¬
hülfe zwischen Herrn Erwin und Fräulein Stella's Gräbern in der Johannis-
kirche in die Erde gehenket, da es jetzt von keinem Nutz sein konnte.

48. Schon während des Arbeitens, was wir bei Lampenschimmer in
der Nacht vornahmen, ächzt und seufzt Grosse gar tief und ward nachher von
immer mehr Angst befallen. Auf mein Befragen, was ihm ankommen,
seufzt er abermals, fragt sodann, ob er gehalten sei, einen gezwungenen
Eid zu halten -- -- ohne meine Antwort darauf sagt er weiter: "Ach
ich bin in großer Zwiespalt mit meinem Gewissen, mag auch die Höll
mein Lohn sein, hier auf diesem Platz habe ich die Mörder des Herrn
Erwin sehn."

49. "Was", rief ich bestürzt, "was? erzähle Unglücklicher!" und jener
sagte mit Zittern; "Geh einstmalen an der Kirchen hier vorbei, hör Menschen¬
stimmen, ganz dumpfe, Furcht fällt über mich, also ich Gott im Gebet an¬
rufe, daß er mir Stärke giebt, all Furcht zu überwinden und trete unter
seinem Beistand in die Hall; da scheint der Mond herein durch die gebrochen
Bogen und ich erblick den schändlichen Altendorf mit einem Gesellen, wie sie
mörderisch über Herrn Erwin herfallen."

60. "Alsbald entfährt mir ein Schrei, die Mörder schrecken auf und
faßt mich Altendorf am Schlund und droht mir, den Hals umzudrehen, wo
ich nicht gleich stumm wie ein Fisch würd."

51. Darauf packen mich beide, lassen Herrn Erwin im Blut liegen und
schleppen mich in ein entlegen Haus, das dem Mordgesell Caspar Roß ge¬
hörig, halten über mich lang Rath, ich aber zittere in Todesangst; nachdem
spricht Altendorf zu mir:"


aber alles confirmiret, ist Fräulein Stella aus diesem Erdenthale schieden zur
ewigen Freud und nahm Herr Barthel von Germar alles in Besitz, außer
9000 Goldgulden, welche ich schon hatte und ich nichts von sagte.

46. Obgleich nun das Kloster Oldisleben im Bauerntroubel zerstört
worden war, wobei viel alte schöne Nachrichten über Gorisleben, welche dort
hinkommen, verlohren gangen, so anmaaßte sich doch die Obere jenes Orts
auch jetzt noch allerlei Recht und verlangte ein groß Theil von der seligen
Stell« Reichthum, schickten auch als Legaten, welcher sie vorher erst aufsetzt
und spornirt hatte, Herrn von Altendorf, welcher aber darüber mit Herrn
Barthel von Germar so in Hader gerieth. daß der letzt ihm den Degen durch
den Leib rannte, worüber groß Unheil entstand und Herr Barthel flüchtig
worden auf einige Zeit.

47. Deshalb und, weil ich das Geld gar nicht sicher glaubte bei solch
bedenklicher Zeit, da auch die Amts-Oberen gegen die Kirche feindlich gesinnt,
habe ich mir einen Bertrauten aus der Gemeinde gewählt, einen gar ver¬
schwiegenen Mann namens Chillan Grossen und das Geld mit dessen Bei¬
hülfe zwischen Herrn Erwin und Fräulein Stella's Gräbern in der Johannis-
kirche in die Erde gehenket, da es jetzt von keinem Nutz sein konnte.

48. Schon während des Arbeitens, was wir bei Lampenschimmer in
der Nacht vornahmen, ächzt und seufzt Grosse gar tief und ward nachher von
immer mehr Angst befallen. Auf mein Befragen, was ihm ankommen,
seufzt er abermals, fragt sodann, ob er gehalten sei, einen gezwungenen
Eid zu halten — — ohne meine Antwort darauf sagt er weiter: „Ach
ich bin in großer Zwiespalt mit meinem Gewissen, mag auch die Höll
mein Lohn sein, hier auf diesem Platz habe ich die Mörder des Herrn
Erwin sehn."

49. „Was", rief ich bestürzt, „was? erzähle Unglücklicher!" und jener
sagte mit Zittern; „Geh einstmalen an der Kirchen hier vorbei, hör Menschen¬
stimmen, ganz dumpfe, Furcht fällt über mich, also ich Gott im Gebet an¬
rufe, daß er mir Stärke giebt, all Furcht zu überwinden und trete unter
seinem Beistand in die Hall; da scheint der Mond herein durch die gebrochen
Bogen und ich erblick den schändlichen Altendorf mit einem Gesellen, wie sie
mörderisch über Herrn Erwin herfallen."

60. „Alsbald entfährt mir ein Schrei, die Mörder schrecken auf und
faßt mich Altendorf am Schlund und droht mir, den Hals umzudrehen, wo
ich nicht gleich stumm wie ein Fisch würd."

51. Darauf packen mich beide, lassen Herrn Erwin im Blut liegen und
schleppen mich in ein entlegen Haus, das dem Mordgesell Caspar Roß ge¬
hörig, halten über mich lang Rath, ich aber zittere in Todesangst; nachdem
spricht Altendorf zu mir:"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/478>, abgerufen am 06.02.2025.