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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Das Anreiten der Kürassiere Milhauds, welche an der Tete des Massen¬
angriffs waren, erfolgt in Regimentskolonnen mit Escadronsfront. Lautlos
empfängt sie die Infanterie; das erste Glied kniend, das zweite im Anschlag,
so geben die Quarrees auf 30 Schritt ihr Feuer ab. Attacke folgt auf Attacke;
aber ,,1'int'alten-lo iwA'Itüse (und allLinuncle!) somdls enraeinöL äaus 1o so!!"
Die wachsende Verwirrung in der französischen Reitermasse benutzt Lord Ux-
bridge; er haut mit der englischen Reserve-Kavallerie ein und die Kürassiere
werden geworfen.

Inzwischen hatte die Division Quiot La Haye-Sainte genommen und
avancirre nun in Sturmkolonnen den Abhang hinauf. Hätte Napoleon jetzt
hier seine Garden zur Hand gehabt, so wäre die Mitte der englischen Posi¬
tion gesprengt worden und die französische Kavallerie würde auf dem Plateau
nicht erfolglos gekämpft haben. Aber es war keine Infanterie-Reserve zur
Hand; Wellington schloß mit dem Braunschweigischen Corps und einigen
hannover'schen Bataillonen, welche er persönlich bis in das feindliche Gewehr¬
feuer vorführte, die gefährliche Lücke, die die Einnahme von La Haye-Sainte
geöffnet hatte, und ein den Franzosen sehr günstiger Augenblick war ver¬
loren. -- Auch der Kampf der Division Durutte gegen den Herzog von Wei¬
mar bei Papelotte, La Haie und Smohain kam ebensowenig von der Stelle
wie derjenige Reilles gegen Hougomont.

, Wenn er die Garden nicht einsetzen wollte, so blieb Napoleon nichts, als
die Erneuerung des Kavallerie-Angriffs. -- Ney erhielt 12 frische Regimenter,
und mit 78 Escadrons wiederholte er die Attacken gegen das englische Cen¬
trum. "I^v ekoe tut dei-ridlv!" Die wenigen englischen Bataillone schienen
in dieser Masse fast ganz zu verschwinden, oft erlosch ihr Feuer; oft hatten
sie nur das Bajonet zur Wehr; aber auch jetzt konnten die Quarrees nicht
durchbrochen, nicht gesprengt werden. Vergeblich fielen die Generale an der
Spitze der Reiterkolonnen, vergeblich schmolzen .manche Regimenter zu einer
einzigen Schwadron zusammen -- stundenlang bis nach 6 Uhr abends währte
dieser Kampf -- ohne Entscheidung.

Finster sinnend schaute Napoleon von Belle-Alliance zu den Höhen hin¬
über. "Werden diese Engländer uns nicht bald den Rücken zeigen?" wandte
^ sich an Soult. "Ich fürchte" entgzgnete der "sie lassen sich eher zusammen¬
hauen." -- Und schon längst hatten sich von Frichemont her die preußischen
beschütze hören lassen. Die Krisis der Schlacht war gekommen.




Wir müssen, um einen Blick auf den Anmarsch der Preußen zu werfen,
i" die ersten Frühstunden des Tages zurückkehren. Um Mitternacht hatte
Blücher den Armee-Corps seine Befehle ertheilt. Bülow (IV. Corps) sollte
bei Tagesanbruch von Dion-le-Mont aufbrechen und über Wavre auf Chapelle


Das Anreiten der Kürassiere Milhauds, welche an der Tete des Massen¬
angriffs waren, erfolgt in Regimentskolonnen mit Escadronsfront. Lautlos
empfängt sie die Infanterie; das erste Glied kniend, das zweite im Anschlag,
so geben die Quarrees auf 30 Schritt ihr Feuer ab. Attacke folgt auf Attacke;
aber ,,1'int'alten-lo iwA'Itüse (und allLinuncle!) somdls enraeinöL äaus 1o so!!"
Die wachsende Verwirrung in der französischen Reitermasse benutzt Lord Ux-
bridge; er haut mit der englischen Reserve-Kavallerie ein und die Kürassiere
werden geworfen.

Inzwischen hatte die Division Quiot La Haye-Sainte genommen und
avancirre nun in Sturmkolonnen den Abhang hinauf. Hätte Napoleon jetzt
hier seine Garden zur Hand gehabt, so wäre die Mitte der englischen Posi¬
tion gesprengt worden und die französische Kavallerie würde auf dem Plateau
nicht erfolglos gekämpft haben. Aber es war keine Infanterie-Reserve zur
Hand; Wellington schloß mit dem Braunschweigischen Corps und einigen
hannover'schen Bataillonen, welche er persönlich bis in das feindliche Gewehr¬
feuer vorführte, die gefährliche Lücke, die die Einnahme von La Haye-Sainte
geöffnet hatte, und ein den Franzosen sehr günstiger Augenblick war ver¬
loren. — Auch der Kampf der Division Durutte gegen den Herzog von Wei¬
mar bei Papelotte, La Haie und Smohain kam ebensowenig von der Stelle
wie derjenige Reilles gegen Hougomont.

, Wenn er die Garden nicht einsetzen wollte, so blieb Napoleon nichts, als
die Erneuerung des Kavallerie-Angriffs. — Ney erhielt 12 frische Regimenter,
und mit 78 Escadrons wiederholte er die Attacken gegen das englische Cen¬
trum. „I^v ekoe tut dei-ridlv!" Die wenigen englischen Bataillone schienen
in dieser Masse fast ganz zu verschwinden, oft erlosch ihr Feuer; oft hatten
sie nur das Bajonet zur Wehr; aber auch jetzt konnten die Quarrees nicht
durchbrochen, nicht gesprengt werden. Vergeblich fielen die Generale an der
Spitze der Reiterkolonnen, vergeblich schmolzen .manche Regimenter zu einer
einzigen Schwadron zusammen — stundenlang bis nach 6 Uhr abends währte
dieser Kampf — ohne Entscheidung.

Finster sinnend schaute Napoleon von Belle-Alliance zu den Höhen hin¬
über. „Werden diese Engländer uns nicht bald den Rücken zeigen?" wandte
^ sich an Soult. „Ich fürchte" entgzgnete der „sie lassen sich eher zusammen¬
hauen." — Und schon längst hatten sich von Frichemont her die preußischen
beschütze hören lassen. Die Krisis der Schlacht war gekommen.




Wir müssen, um einen Blick auf den Anmarsch der Preußen zu werfen,
i« die ersten Frühstunden des Tages zurückkehren. Um Mitternacht hatte
Blücher den Armee-Corps seine Befehle ertheilt. Bülow (IV. Corps) sollte
bei Tagesanbruch von Dion-le-Mont aufbrechen und über Wavre auf Chapelle


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[0465] Das Anreiten der Kürassiere Milhauds, welche an der Tete des Massen¬ angriffs waren, erfolgt in Regimentskolonnen mit Escadronsfront. Lautlos empfängt sie die Infanterie; das erste Glied kniend, das zweite im Anschlag, so geben die Quarrees auf 30 Schritt ihr Feuer ab. Attacke folgt auf Attacke; aber ,,1'int'alten-lo iwA'Itüse (und allLinuncle!) somdls enraeinöL äaus 1o so!!" Die wachsende Verwirrung in der französischen Reitermasse benutzt Lord Ux- bridge; er haut mit der englischen Reserve-Kavallerie ein und die Kürassiere werden geworfen. Inzwischen hatte die Division Quiot La Haye-Sainte genommen und avancirre nun in Sturmkolonnen den Abhang hinauf. Hätte Napoleon jetzt hier seine Garden zur Hand gehabt, so wäre die Mitte der englischen Posi¬ tion gesprengt worden und die französische Kavallerie würde auf dem Plateau nicht erfolglos gekämpft haben. Aber es war keine Infanterie-Reserve zur Hand; Wellington schloß mit dem Braunschweigischen Corps und einigen hannover'schen Bataillonen, welche er persönlich bis in das feindliche Gewehr¬ feuer vorführte, die gefährliche Lücke, die die Einnahme von La Haye-Sainte geöffnet hatte, und ein den Franzosen sehr günstiger Augenblick war ver¬ loren. — Auch der Kampf der Division Durutte gegen den Herzog von Wei¬ mar bei Papelotte, La Haie und Smohain kam ebensowenig von der Stelle wie derjenige Reilles gegen Hougomont. , Wenn er die Garden nicht einsetzen wollte, so blieb Napoleon nichts, als die Erneuerung des Kavallerie-Angriffs. — Ney erhielt 12 frische Regimenter, und mit 78 Escadrons wiederholte er die Attacken gegen das englische Cen¬ trum. „I^v ekoe tut dei-ridlv!" Die wenigen englischen Bataillone schienen in dieser Masse fast ganz zu verschwinden, oft erlosch ihr Feuer; oft hatten sie nur das Bajonet zur Wehr; aber auch jetzt konnten die Quarrees nicht durchbrochen, nicht gesprengt werden. Vergeblich fielen die Generale an der Spitze der Reiterkolonnen, vergeblich schmolzen .manche Regimenter zu einer einzigen Schwadron zusammen — stundenlang bis nach 6 Uhr abends währte dieser Kampf — ohne Entscheidung. Finster sinnend schaute Napoleon von Belle-Alliance zu den Höhen hin¬ über. „Werden diese Engländer uns nicht bald den Rücken zeigen?" wandte ^ sich an Soult. „Ich fürchte" entgzgnete der „sie lassen sich eher zusammen¬ hauen." — Und schon längst hatten sich von Frichemont her die preußischen beschütze hören lassen. Die Krisis der Schlacht war gekommen. Wir müssen, um einen Blick auf den Anmarsch der Preußen zu werfen, i« die ersten Frühstunden des Tages zurückkehren. Um Mitternacht hatte Blücher den Armee-Corps seine Befehle ertheilt. Bülow (IV. Corps) sollte bei Tagesanbruch von Dion-le-Mont aufbrechen und über Wavre auf Chapelle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/465>, abgerufen am 06.02.2025.