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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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so beschloß man, diesen in seiner eignen Falle zu fangen. Die Ausführung
dieses Plans soll Laukhard uns selbst erzählen.

"Man machte aus, daß Conradi sich zwar mit seinem Bruder, dem
Senior der Darmstädter und noch einem Andern an dem bestimmten Orte
jenseits der Lahn stellen solle, daß aber die übrigen Darmstädter im Hinter¬
halt im Busche bleiben wollten, um allen Gewaltthätigkeiten zuvorzukommen.
Diese Contreminirung blieb dem sonst hellsehender Orden unbekannt. Am
Tage der Bataille ging Conradi und seine drei Begleiter nach dem Stelldich¬
ein im Busch jenseits des Flusses, wo er seinen Gegner in Gesellschaft von
elf Amicisten traf. Er begrüßte sie und forderte, daß man nun kurzen Pro¬
ceß machen und zu dem ruhmvollen Werke des Duells schreiten sollte. Aber
von Seiten der Amicisten wurde dieß nur mit Lachen und anzüglichen Redens¬
arten beantwortet, worauf der Darmstädter Senior erklärte, daß, wenn man
seinem Freunde, dessen Secundant er sei, nicht sofort. Genugthuung geben
würde, er alle Amicisten für schlechte Kerle hielte und sie hiermit sammt und
sonders in den Verschiß thäte. Dieß war das rechte Signal zum blutigsten
Auftritte. Denn nun griffen die Amicisten zu den Hetzpeitschen, die Darm¬
städter aber zogen ihre Degen, welche auch von einigen Amicisten gezogen
wurden. Breithaupt und Conradi schlugen sich ohne Secundärem mit Hie¬
bern, und ersterer bekam einige derbe Blessuren. Dann ward die Bataille
allgemeiner, da auch die im Hinterhalt liegenden Darmstädter hervorrückten.
Es wurde gehauen mit Hiebern und Hetzpeitschen und dazu geschrien, als ob
die Leute alle rasend wären. Dumme Jungen, Lausebuben, Rökel, verfluchte
Quäker, infame Gaudiebe, Spitzbubenbande von Amicisten u. d., waren die
Titel, welche sie sich einander gaben. Endlich schoß ein Anleihe nach einem
der Darmstädter mit einer Flinte, bekam aber sofort von einem Freunde des
letzteren wieder einen Schuß, der ihm den Schenkel zerschmetterte, und damit
hatte der Krieg ein Ende."

Die Folge war eine große Untersuchung, welche der Kanzler Koch, ein
Hauptfeind der Amicisten, leitete, und welche das ganze Verbindungswesen
der Universität aufdeckte. Der Senior Breithaupt wurde des Nachts in einer
Kutsche nach Pirmasens, seiner Vaterstadt, gebracht und hier vom Landgrafen
unter die Soldaten gesteckt, wo ihm die Fuchtel des Korporals vielleicht bessere
Sitte gelehrt, jedenfalls aber ihm zu Gemüthe geführt haben wird, daß es
nicht hübsch ist, wenn die Menschen einander hauen. Ein anderer hervor¬
ragender Anleihe, Wittenberg. wurde relegirt, donirte hernach auf dem Phi¬
lanthropin des berüchtigten Bahrdt zu Heidesheim in der Pfalz die Fechtkunst
und lief, als dieses einging, in die Welt hinaus, niemand weiß, wohin'")-



') u"der dem "berüchtigten Bahrdt" ist der Leipziger Karl Friedrich Bahrdt gemeint, der
uns dnrch das Gedicht bekannt ist, mit dem Goethe ihn als vulgären Nationalisten verspottete

so beschloß man, diesen in seiner eignen Falle zu fangen. Die Ausführung
dieses Plans soll Laukhard uns selbst erzählen.

„Man machte aus, daß Conradi sich zwar mit seinem Bruder, dem
Senior der Darmstädter und noch einem Andern an dem bestimmten Orte
jenseits der Lahn stellen solle, daß aber die übrigen Darmstädter im Hinter¬
halt im Busche bleiben wollten, um allen Gewaltthätigkeiten zuvorzukommen.
Diese Contreminirung blieb dem sonst hellsehender Orden unbekannt. Am
Tage der Bataille ging Conradi und seine drei Begleiter nach dem Stelldich¬
ein im Busch jenseits des Flusses, wo er seinen Gegner in Gesellschaft von
elf Amicisten traf. Er begrüßte sie und forderte, daß man nun kurzen Pro¬
ceß machen und zu dem ruhmvollen Werke des Duells schreiten sollte. Aber
von Seiten der Amicisten wurde dieß nur mit Lachen und anzüglichen Redens¬
arten beantwortet, worauf der Darmstädter Senior erklärte, daß, wenn man
seinem Freunde, dessen Secundant er sei, nicht sofort. Genugthuung geben
würde, er alle Amicisten für schlechte Kerle hielte und sie hiermit sammt und
sonders in den Verschiß thäte. Dieß war das rechte Signal zum blutigsten
Auftritte. Denn nun griffen die Amicisten zu den Hetzpeitschen, die Darm¬
städter aber zogen ihre Degen, welche auch von einigen Amicisten gezogen
wurden. Breithaupt und Conradi schlugen sich ohne Secundärem mit Hie¬
bern, und ersterer bekam einige derbe Blessuren. Dann ward die Bataille
allgemeiner, da auch die im Hinterhalt liegenden Darmstädter hervorrückten.
Es wurde gehauen mit Hiebern und Hetzpeitschen und dazu geschrien, als ob
die Leute alle rasend wären. Dumme Jungen, Lausebuben, Rökel, verfluchte
Quäker, infame Gaudiebe, Spitzbubenbande von Amicisten u. d., waren die
Titel, welche sie sich einander gaben. Endlich schoß ein Anleihe nach einem
der Darmstädter mit einer Flinte, bekam aber sofort von einem Freunde des
letzteren wieder einen Schuß, der ihm den Schenkel zerschmetterte, und damit
hatte der Krieg ein Ende."

Die Folge war eine große Untersuchung, welche der Kanzler Koch, ein
Hauptfeind der Amicisten, leitete, und welche das ganze Verbindungswesen
der Universität aufdeckte. Der Senior Breithaupt wurde des Nachts in einer
Kutsche nach Pirmasens, seiner Vaterstadt, gebracht und hier vom Landgrafen
unter die Soldaten gesteckt, wo ihm die Fuchtel des Korporals vielleicht bessere
Sitte gelehrt, jedenfalls aber ihm zu Gemüthe geführt haben wird, daß es
nicht hübsch ist, wenn die Menschen einander hauen. Ein anderer hervor¬
ragender Anleihe, Wittenberg. wurde relegirt, donirte hernach auf dem Phi¬
lanthropin des berüchtigten Bahrdt zu Heidesheim in der Pfalz die Fechtkunst
und lief, als dieses einging, in die Welt hinaus, niemand weiß, wohin'")-



') u»der dem „berüchtigten Bahrdt" ist der Leipziger Karl Friedrich Bahrdt gemeint, der
uns dnrch das Gedicht bekannt ist, mit dem Goethe ihn als vulgären Nationalisten verspottete
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[0416] so beschloß man, diesen in seiner eignen Falle zu fangen. Die Ausführung dieses Plans soll Laukhard uns selbst erzählen. „Man machte aus, daß Conradi sich zwar mit seinem Bruder, dem Senior der Darmstädter und noch einem Andern an dem bestimmten Orte jenseits der Lahn stellen solle, daß aber die übrigen Darmstädter im Hinter¬ halt im Busche bleiben wollten, um allen Gewaltthätigkeiten zuvorzukommen. Diese Contreminirung blieb dem sonst hellsehender Orden unbekannt. Am Tage der Bataille ging Conradi und seine drei Begleiter nach dem Stelldich¬ ein im Busch jenseits des Flusses, wo er seinen Gegner in Gesellschaft von elf Amicisten traf. Er begrüßte sie und forderte, daß man nun kurzen Pro¬ ceß machen und zu dem ruhmvollen Werke des Duells schreiten sollte. Aber von Seiten der Amicisten wurde dieß nur mit Lachen und anzüglichen Redens¬ arten beantwortet, worauf der Darmstädter Senior erklärte, daß, wenn man seinem Freunde, dessen Secundant er sei, nicht sofort. Genugthuung geben würde, er alle Amicisten für schlechte Kerle hielte und sie hiermit sammt und sonders in den Verschiß thäte. Dieß war das rechte Signal zum blutigsten Auftritte. Denn nun griffen die Amicisten zu den Hetzpeitschen, die Darm¬ städter aber zogen ihre Degen, welche auch von einigen Amicisten gezogen wurden. Breithaupt und Conradi schlugen sich ohne Secundärem mit Hie¬ bern, und ersterer bekam einige derbe Blessuren. Dann ward die Bataille allgemeiner, da auch die im Hinterhalt liegenden Darmstädter hervorrückten. Es wurde gehauen mit Hiebern und Hetzpeitschen und dazu geschrien, als ob die Leute alle rasend wären. Dumme Jungen, Lausebuben, Rökel, verfluchte Quäker, infame Gaudiebe, Spitzbubenbande von Amicisten u. d., waren die Titel, welche sie sich einander gaben. Endlich schoß ein Anleihe nach einem der Darmstädter mit einer Flinte, bekam aber sofort von einem Freunde des letzteren wieder einen Schuß, der ihm den Schenkel zerschmetterte, und damit hatte der Krieg ein Ende." Die Folge war eine große Untersuchung, welche der Kanzler Koch, ein Hauptfeind der Amicisten, leitete, und welche das ganze Verbindungswesen der Universität aufdeckte. Der Senior Breithaupt wurde des Nachts in einer Kutsche nach Pirmasens, seiner Vaterstadt, gebracht und hier vom Landgrafen unter die Soldaten gesteckt, wo ihm die Fuchtel des Korporals vielleicht bessere Sitte gelehrt, jedenfalls aber ihm zu Gemüthe geführt haben wird, daß es nicht hübsch ist, wenn die Menschen einander hauen. Ein anderer hervor¬ ragender Anleihe, Wittenberg. wurde relegirt, donirte hernach auf dem Phi¬ lanthropin des berüchtigten Bahrdt zu Heidesheim in der Pfalz die Fechtkunst und lief, als dieses einging, in die Welt hinaus, niemand weiß, wohin'")- ') u»der dem „berüchtigten Bahrdt" ist der Leipziger Karl Friedrich Bahrdt gemeint, der uns dnrch das Gedicht bekannt ist, mit dem Goethe ihn als vulgären Nationalisten verspottete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/416>, abgerufen am 06.02.2025.