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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Im Frühjahr 1772 erfuhr der Senat in Jena, daß unter den Mosel-
lanern ein Club eristire, welcher es sich zur Regel gemacht habe, die Gesetze der
Universität schlechterdings nicht zu halten, und es erfolgte eine Untersuchung,
die jedoch kein Ergebniß hatte, da man nicht die Rechten traf. Scharfe Ver¬
ordnungen ergingen dann gegen alle geheimen Verbindungen, aber mehrere
Jahre verflossen, ohne daß dabei viel herausgekommen wäre. 1779 endlich
wurde eine neue Untersuchung befohlen, die dadurch hervorgerufen war, daß
die Mosellaner einen ihnen unbequem oder sonstwie mißliebig gewordenen
Mecklenburger nöthigten, sich nach einander mit vierzehn von ihnen zu duel-
liren. 1781 erging das Urtheil über die Missethäter. Den Senior der Ver¬
bindung relegirte man, der Subsenior entfloh bei Nacht und Nebel, die Lands¬
mannschaft wurde verboten, und mit ihr traf alle andern dasselbe Schicksal.
Der Orden aber bestand im Stillen fort, und zwar wie wir später sehen
werden, unter dem Namen der Schwarzen Brüder, die früher ein besonderer
Club, vielleicht auch ein höherer Grad der Amicisten gewesen waren.

Aehnlich war der Verlauf der Dinge in Gießen. Hier hatte der Rector
Hövfner, bekannt durch den maskirten Besuch, den Goethe ihm von Wetzlar
aus abstattete, allerlei Neuerungen eingeführt, die den Studenten nicht ge¬
fielen. Es entwickelte sich eine allgemeine Gährung, und diese explodirte in
Tumulten, bei denen die Amicisten die Hauptrolle spielten. Sie warfen dem
verhaßten Rector die Fenster ein und insultirten ihn persönlich. Er fand bald
Gelegenheit, ihnen das gründlich heimzuzahlen. Die Amicisten suchten zwei
Brüder Conradi aus Hessen-Cassel. welche mit Kenntnissen und guter Lebens¬
art vollkommene Fechtergewandtheit verbanden, für sich zu gewinnen, um den
Orden in den Augen der übrigen Studenten zu heben. Die Brüder aber
wiesen sie ab und zogen vor, sich zur Landsmannschaft der Darmstädter zu
halten, die sonach anständigere Manieren gepflegt zu haben scheint, als die
Amicisten. Die Folge war Verwandlung der verschmähten Liebe in heißen
Haß und bittere Feindschaft. Der Senior Breithaupt trug allen Amicisten
auf. mit den Conradi's Händel zu suchen. "Man wollte ihnen einmal zeigen,
daß der Orden ein Löwe sei."

Breithaupt begann den Tanz damit, daß er den jüngern Conradi bei
einem Spaziergange vor dem Thore beleidigte. Dieser forderte Satisfactwn,
Und man kam überein, daß das Duell jenseits der Lahn stattfinden solle.
..Aber die Amicisten beredeten sich, daß sie alle ihren Senior zum Gefechte
^gleiten und den Conradi mit seinen etwaigen Secundärem mit der Hetz¬
peitsche begrüßen und dann ohne Genugthuung schassen wollten." Die Con¬
radi's bekamen indeß Wind von diesem schönen Vorsatz und berichteten baw>"^
dem Kränzchen der Darmstädter, und da dieses stärker war als der^^ven.


Im Frühjahr 1772 erfuhr der Senat in Jena, daß unter den Mosel-
lanern ein Club eristire, welcher es sich zur Regel gemacht habe, die Gesetze der
Universität schlechterdings nicht zu halten, und es erfolgte eine Untersuchung,
die jedoch kein Ergebniß hatte, da man nicht die Rechten traf. Scharfe Ver¬
ordnungen ergingen dann gegen alle geheimen Verbindungen, aber mehrere
Jahre verflossen, ohne daß dabei viel herausgekommen wäre. 1779 endlich
wurde eine neue Untersuchung befohlen, die dadurch hervorgerufen war, daß
die Mosellaner einen ihnen unbequem oder sonstwie mißliebig gewordenen
Mecklenburger nöthigten, sich nach einander mit vierzehn von ihnen zu duel-
liren. 1781 erging das Urtheil über die Missethäter. Den Senior der Ver¬
bindung relegirte man, der Subsenior entfloh bei Nacht und Nebel, die Lands¬
mannschaft wurde verboten, und mit ihr traf alle andern dasselbe Schicksal.
Der Orden aber bestand im Stillen fort, und zwar wie wir später sehen
werden, unter dem Namen der Schwarzen Brüder, die früher ein besonderer
Club, vielleicht auch ein höherer Grad der Amicisten gewesen waren.

Aehnlich war der Verlauf der Dinge in Gießen. Hier hatte der Rector
Hövfner, bekannt durch den maskirten Besuch, den Goethe ihm von Wetzlar
aus abstattete, allerlei Neuerungen eingeführt, die den Studenten nicht ge¬
fielen. Es entwickelte sich eine allgemeine Gährung, und diese explodirte in
Tumulten, bei denen die Amicisten die Hauptrolle spielten. Sie warfen dem
verhaßten Rector die Fenster ein und insultirten ihn persönlich. Er fand bald
Gelegenheit, ihnen das gründlich heimzuzahlen. Die Amicisten suchten zwei
Brüder Conradi aus Hessen-Cassel. welche mit Kenntnissen und guter Lebens¬
art vollkommene Fechtergewandtheit verbanden, für sich zu gewinnen, um den
Orden in den Augen der übrigen Studenten zu heben. Die Brüder aber
wiesen sie ab und zogen vor, sich zur Landsmannschaft der Darmstädter zu
halten, die sonach anständigere Manieren gepflegt zu haben scheint, als die
Amicisten. Die Folge war Verwandlung der verschmähten Liebe in heißen
Haß und bittere Feindschaft. Der Senior Breithaupt trug allen Amicisten
auf. mit den Conradi's Händel zu suchen. „Man wollte ihnen einmal zeigen,
daß der Orden ein Löwe sei."

Breithaupt begann den Tanz damit, daß er den jüngern Conradi bei
einem Spaziergange vor dem Thore beleidigte. Dieser forderte Satisfactwn,
Und man kam überein, daß das Duell jenseits der Lahn stattfinden solle.
..Aber die Amicisten beredeten sich, daß sie alle ihren Senior zum Gefechte
^gleiten und den Conradi mit seinen etwaigen Secundärem mit der Hetz¬
peitsche begrüßen und dann ohne Genugthuung schassen wollten." Die Con¬
radi's bekamen indeß Wind von diesem schönen Vorsatz und berichteten baw>«^
dem Kränzchen der Darmstädter, und da dieses stärker war als der^^ven.


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[0415] Im Frühjahr 1772 erfuhr der Senat in Jena, daß unter den Mosel- lanern ein Club eristire, welcher es sich zur Regel gemacht habe, die Gesetze der Universität schlechterdings nicht zu halten, und es erfolgte eine Untersuchung, die jedoch kein Ergebniß hatte, da man nicht die Rechten traf. Scharfe Ver¬ ordnungen ergingen dann gegen alle geheimen Verbindungen, aber mehrere Jahre verflossen, ohne daß dabei viel herausgekommen wäre. 1779 endlich wurde eine neue Untersuchung befohlen, die dadurch hervorgerufen war, daß die Mosellaner einen ihnen unbequem oder sonstwie mißliebig gewordenen Mecklenburger nöthigten, sich nach einander mit vierzehn von ihnen zu duel- liren. 1781 erging das Urtheil über die Missethäter. Den Senior der Ver¬ bindung relegirte man, der Subsenior entfloh bei Nacht und Nebel, die Lands¬ mannschaft wurde verboten, und mit ihr traf alle andern dasselbe Schicksal. Der Orden aber bestand im Stillen fort, und zwar wie wir später sehen werden, unter dem Namen der Schwarzen Brüder, die früher ein besonderer Club, vielleicht auch ein höherer Grad der Amicisten gewesen waren. Aehnlich war der Verlauf der Dinge in Gießen. Hier hatte der Rector Hövfner, bekannt durch den maskirten Besuch, den Goethe ihm von Wetzlar aus abstattete, allerlei Neuerungen eingeführt, die den Studenten nicht ge¬ fielen. Es entwickelte sich eine allgemeine Gährung, und diese explodirte in Tumulten, bei denen die Amicisten die Hauptrolle spielten. Sie warfen dem verhaßten Rector die Fenster ein und insultirten ihn persönlich. Er fand bald Gelegenheit, ihnen das gründlich heimzuzahlen. Die Amicisten suchten zwei Brüder Conradi aus Hessen-Cassel. welche mit Kenntnissen und guter Lebens¬ art vollkommene Fechtergewandtheit verbanden, für sich zu gewinnen, um den Orden in den Augen der übrigen Studenten zu heben. Die Brüder aber wiesen sie ab und zogen vor, sich zur Landsmannschaft der Darmstädter zu halten, die sonach anständigere Manieren gepflegt zu haben scheint, als die Amicisten. Die Folge war Verwandlung der verschmähten Liebe in heißen Haß und bittere Feindschaft. Der Senior Breithaupt trug allen Amicisten auf. mit den Conradi's Händel zu suchen. „Man wollte ihnen einmal zeigen, daß der Orden ein Löwe sei." Breithaupt begann den Tanz damit, daß er den jüngern Conradi bei einem Spaziergange vor dem Thore beleidigte. Dieser forderte Satisfactwn, Und man kam überein, daß das Duell jenseits der Lahn stattfinden solle. ..Aber die Amicisten beredeten sich, daß sie alle ihren Senior zum Gefechte ^gleiten und den Conradi mit seinen etwaigen Secundärem mit der Hetz¬ peitsche begrüßen und dann ohne Genugthuung schassen wollten." Die Con¬ radi's bekamen indeß Wind von diesem schönen Vorsatz und berichteten baw>«^ dem Kränzchen der Darmstädter, und da dieses stärker war als der^^ven.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/415>, abgerufen am 06.02.2025.